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Schwere Überschwemmungen in Kambodscha und Vietnam


Monsunregen
Schwere Überschwemmungen in Kambodscha

Von Margie Mason und Sopheng Cheang, AP

Aktualisiert am 27.07.2021Lesedauer: 5 Min.
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Hang Davis Leben hängt jetzt davon ab, ob ihr Mann Glück hat. Fängt er einen Fisch in den trüben Fluten, die ihr Dorf in Kambodscha in einen See verwandelt haben, hat die Familie etwas zu essen. Wenn nicht, gehen sie hungrig ins Bett und beten, dass die Pechsträhne nicht noch länger dauert.

Seit zwei Monaten wartet Davi darauf, dass das Wasser zurückgeht, so wie jedes Jahr, damit sie wieder auf dem Reisfeld arbeiten kann. Aber die braune Brühe hält sich hartnäckig, sie schwappt noch immer an die Bambusleiter zu ihrer kleinen Hütte und hält sie darin gefangen. Die schwersten Überschwemmungen des Jahrzehnts haben rund 1,8 Millionen Menschen in Kambodscha und Vietnam in ein Elend gestürzt, von dem kaum jemand weiß.

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"Die Fluten haben uns alle Hoffnungen genommen"

Über die Hochwasserkatastrophe in Thailand wurde ausführlich berichtet, vor allem als das Wasser Stück für Stück in die Hauptstadt Bangkok vordrang. Doch den viel ärmeren Nachbarländern, wo viele Familien auf dem Land nur wenig bis gar keine Hilfe von der Regierung oder internationalen Organisationen bekamen, galt weniger Aufmerksamkeit.

"Bauern wie wir sind von der Landwirtschaft abhängig. Aber wenn unser Reis und andere Feldfrüchte vom Hochwasser völlig vernichtet sind, wie sollen wir dann überleben?", fragt Davi. Sie trägt ihren einjährigen Sohn auf der Hüfte und schluchzt leise. "Dieses Hochwasser ist das mächtigste, das ich je erlebt habe. Die Fluten haben uns alle Hoffnung genommen."

Ungewöhnlich heftige Regenzeit

Für die Kleinbauern am Mekong gehören die alljährlichen Überschwemmungen zum Leben. Meistens wird um Hochwasser kein Aufhebens gemacht, weil die Menschen damit umzugehen wissen und es als notwendiges Übel betrachten. Sie warten einfach ab, bis es wieder zurückgeht, und pflanzen dann auf den frisch angeschwemmten, fruchtbaren Bodenablagerungen neu an.

Der kambodschanische Ministerpräsident Hun Sen meint sogar, das Schlimmste, was den Bauern am Fluss passieren könnte, wäre gar keine Überschwemmung. "Dieses Jahr ist der Wasserstand gut", sagte er im August, als die erste Flut kam. "Das Wasser ist in die Niederungen geflossen und bringt den Bauern eine Menge Dünger." Doch im Lauf der Regenzeit wurde es einfach zu viel, der Monsun ließ unaufhaltsame Sturzbäche aus den Bergen strömen.

In Kambodscha kamen mindestens 250 Menschen und ungezählte Nutztiere in den Fluten um. Abgelegene Dörfer stehen schon bis zu drei Monate lang brusthoch unter Wasser. Drei Viertel des Landes sind überschwemmt. 1,6 Millionen Menschen, etwa ein Zehntel der Bevölkerung, sind betroffen. In Vietnam beginnt sich die Lage bereits zu bessern, doch im Mekong-Delta kämpfen noch immer fast 175.000 Menschen gegen das Wasser. Von über 80 Toten berichten die UN, 90 Prozent davon Kinder.

Seit Juni waren schätzungsweise 20 Millionen Menschen in Südostasien von Hochwasser betroffen: die meisten in Thailand, aber auch über die Philippinen und Laos zogen Unwetter. Überschwemmungen gab es auch in Birma, doch aus dem abgeschotteten Land dringen nur wenig Informationen. Einheimischen Medien zufolge waren vorigen Monat rund 30.000 Menschen betroffen, mehr als 160 kamen um.

"Dieses Jahr ist ein Ausreißer", erklärt Kirsten Mildren, Sprecherin des regionalen Koordinierungsbüros der UN für humanitäre Hilfe in Thailand. "Das ist nicht wie bei einem Tsunami oder einem Hurrikan, wo nach ein paar Tagen die akute Krise vorüber ist und der Wiederaufbau beginnt. Hier stehst du Wochen und Monate im Wasser, und es wird immer schlimmer." Da die betroffenen Länder nicht um internationale Hilfe gebeten haben und sich selbst für die Krisenbewältigung verantwortlich zeichnen, sind die Möglichkeiten der UN und anderer Organisationen begrenzt.

Durchfall und Dengue-Fieber

Davi und ihre Nachbarn in Chakto Lork in der am schwersten betroffenen Provinz Kampong Thom sagen, man habe sie vergessen. Das bisschen Reis, das sie haben, wird vom Erlös der Fische gekauft, die die Männer täglich fangen. Ein guter Tag bringt umgerechnet 1,30 Euro ein. Wenn der Vorrat zur Neige geht, wird der Reis für die sechsköpfige Familie mit schmutzigem Flusswasser zu Brei gestreckt. "Ich hoffe, dass meine Kinder nicht krank werden", sorgt sich Davi. Ihr Baby habe schon drei Mal Durchfall gehabt. "Wenn eines der Kinder krank ist, muss meine Familie Brei statt Reis essen, weil wir Geld für die Arztrechnung sparen müssen."

In den Bambushütten gibt es weder Wasser- noch Abwasserleitungen oder Strom. Die Menschen kochen, baden und waschen mit und in der selben trüben Brühe, in die sie ihr Geschäft verrichten. Aus einigen Gegenden wurden bereits Fälle von wässrigem und blutigen Durchfall sowie von Dengue-Fieber gemeldet, das von Mücken übertragen wird. Beides kann ohne Behandlung tödlich enden, besonders bei Kindern.

In Vietnam geht es indes schon etwas bergauf. In der Provinz Dong Thap, die am längsten gelitten hat, wurden 30.000 Wohnhäuser überflutet. In den Wohngebieten ist das Wasser weitgehend zurückgegangen, doch auf den Reisfeldern steht es noch hoch, wie Katastrophenschützer Bui Dinh Tu berichtet. Da es zwei Haupternten gibt und das Wasser zur dritten, geringeren Ernte kam, sollte der Jahresertrag nicht beeinträchtigt sein.

"Wir sind viel umgezogen, weil das Hochwasser uns verfolgt hat", erzählt Nguyen Van My. Seit sein Haus in der Provinz An Giang vor drei Monaten weggerissen wurde, haust er mit seiner Frau und den drei Kindern in einem Zelt an einem höher gelegenen Fleck und schlägt sich mit Fischfang durch. "Wir hatten für das jährliche Hochwasser Vorräte angelegt, aber die Flut war höher und länger als erwartet, so dass wir nicht mehr genug zu essen haben." My schätzt, dass es noch einen Monat dauert, bis sein Grundstück wieder auf dem Trockenen liegt. "Aber ich bin froh, dass meine Familie in Sicherheit ist und wir wenigstens ein Dach über dem Kopf haben."

Wenn die Flut endlich vorüber ist, sind besonders in Kambodscha die Sorgen noch lange nicht vorbei. 20 Prozent der Reisfelder sind vernichtet, und manch einer befürchtet, dass es für die nächste Pflanzzeit zu spät sein wird. "Ich weiß nicht, wie wir dieses und nächstes Jahr überleben sollen. Wir haben keine Lebensmittel mehr im Haus", sagt die 48-jährige Suon Sy und blickt sich in der leeren Hütte um, die sie mit ihrem Mann und sieben Kindern teilt. "Wir leben nur von der Hand in den Mund." Sie und die Nachbarn können nur hoffen, dass die Fische morgen anbeißen.

Von Margie Mason und Sopheng Cheang, AP

Quelle: dapd

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