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Elena Kolbasnikova: Putin-Fangirl und Max Schlund fliehen nach Russland


Von Köln nach Kaliningrad
Putin-Fangirl und ihr Ex-Soldat melden Flucht nach Russland


Aktualisiert am 04.06.2024Lesedauer: 4 Min.
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Elena Kolbasnikova und Max Schlund: Aus Kaliningrad meldeten sie sich mit einem Foto aus einem Gespann vor sowjetischer Flagge.Vergrößern des Bildes
Elena Kolbasnikova und Max Schlund: Aus Kaliningrad meldeten sie sich mit einem Foto aus einem Gespann vor sowjetischer Flagge. (Quelle: Screenshot Telegram)

Die bekanntesten russischen Putin-Fans in Deutschland wollen überstürzt das Land verlassen haben. Flucht vor drohender Haft und auf Nimmerwiedersehen – oder nur Propaganda-Show?

Die Reise sei überstürzt gewesen und nicht sehr angenehm. Vier Tage wollen Elena Kolbasnikova und Max Schlund mit ihren Katzen im Auto unterwegs gewesen sein, um von Köln ins rund 1.200 Kilometer entfernte Kaliningrad zu fahren. Das Paar stand im Mittelpunkt vieler pro-russischer Demonstrationen in Deutschland und sammelte Geld für die Ausrüstung russischer Kämpfer. Jetzt melden sie ihre Flucht aus dem "verrückten" Deutschland und vor politischer Verfolgung ins "freie" Russland.

Elena Kolbasnikova, die eigentliche Olena heißt und einen ukrainischen Pass hat, ist mit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine erstmals überregional in Erscheinung getreten – und seitdem immer wieder. Sie war die Anmelderin des größten pro-russischen Autokorsos in Deutschland: Mehr als 1.000 Teilnehmer in Fahrzeugen mit russischen und sowjetischen Fahnen in Köln, das russische TV berichtete von einem "Massenprotest". Danach war sie Anmelderin und Rednerin bei zahlreichen Kundgebungen – vor immer weniger Teilnehmern.

Bereits die erste Versammlung hatte ihr ein Ermittlungsverfahren und eine Verurteilung eingebracht, da sie während einer Demonstration in eine Kamera gesagt hatte: "Russland ist kein Aggressor. Russland hilft zurzeit, den Krieg in der Ukraine beenden." Wegen Billigung eines Verbrechens wurde sie zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 30 Euro verurteilt. Sie ging in Berufung, ein Völkerrechtler sollte dafür als Sachverständiger hinzugezogen werden – Ausgang unklar.

"Zukunft wird zeigen, ob Rückkehr möglich sein wird"

Ihr Anwalt Markus Beisicht beantwortet zu laufenden Verfahren keine Fragen, lässt offen, ob sie zu einem Berufungsprozess einreisen wird. Er teilte t-online aber mit, eine "zeitnahe" Rückkehr" sei nicht geplant. "Ob eine Rückkehr nach Deutschland noch einmal möglich sein kann, wird die Zukunft zeigen."

Der frühere "ProNRW"-Politiker Beisicht hat gemeinsam mit Kolbasnikova im September 2023 die Querfront-Kleinstpartei "Aufbruch Frieden-Souveränität-Gerechtigkeit" gegründet. t-online teilte Beisicht mit, er habe am Montagmorgen mit Kolbasnikova und Schlund in Kaliningrad telefoniert. Wegen "gravierender Russophobie", also Feindseligkeit gegenüber Russland, könnten sie nicht mehr in Deutschland leben. Das Paar habe "wegen des politischen Engagements" Arbeit und Wohnung verloren und stehe "im Fadenkreuz ukrainischer Extremisten". Zudem gebe es "unzählige, fragwürdige strafrechtliche Ermittlungsverfahren mit teilweise brutal ausgeführten Hausdurchsuchungen".

Für das Paar ist es in Deutschland offensichtlich ungemütlich geworden.

Denn bei einem Berufungsprozess allein würde es nicht bleiben, wenn die beiden in Deutschland greifbar wären. In einem anderen Verfahren geht es um schwerwiegendere Vorwürfe: Unter anderem dem Verstoß gegen das Außenhandelsgesetz – sie sollen mit Spendengeldern Ausrüstung zur Unterstützung russischer Einheiten beschafft und in den Donbass gebracht haben.

Wegen dieser Vorwürfe hatte es bereits im März 2023 eine Hausdurchsuchung bei Kolbasnikova und Schlund gegeben, im August 2023 gab es eine zweite – mit einem brisanten Fund: einer nicht funktionsfähigen Kalaschnikow. Das brachte den Vorwurf des Verstoßes gegen das Waffengesetz ein, der schließlich mit dem Verfahren wegen der Transporte in den Donbass verknüpft wurde.

Offenbar keine Pläne für kurzfristige Kolbasnikova-Verhaftung

Ein Termin für diese Verhandlung stand nicht bevor, heißt es von der Staatsanwaltschaft Köln. Angeklagt sind sie auch nur vor dem Amtsgericht. Dort landen die nicht so harten Fälle, bei denen eine Strafe von maximal vier Jahren zu erwarten ist. Nach t-online-Informationen gab es in Kölner Sicherheitskreisen auch keine Überlegungen, das Paar vorab etwa wegen Fluchtgefahr in Haft zu nehmen. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft wollte dazu keine Stellung nehmen und nicht sagen, ob nun ein solcher Haftbefehl im Raum stehen könnte. Es sei ja nicht einmal gesichert, ob das Paar wirklich ausgereist sei.

Kolbasnikova und Schlund verkaufen auf Telegram ihre Reise als Coup und rechtzeitige Flucht vor den Verfolgern in Deutschland. Sie seien gewarnt worden. Nun seien "Freunde froh, dass wir aus der Hölle raus sind und Freiheit atmen". Die Feinde dagegen seien "stinksauer" und machten deutschen Behörden Vorwürfe, die Flucht nicht verhindert zu haben.

Darüber kann Tanja Schmieder nur lachen. Schmieder wird von Kolbasnikova wohl zu den "Feinden" gezählt, denn sie war mit dem Verein "City of Hope Cologne" regelmäßig bei den pro-russischen Kundgebungen zum Gegenprotest präsent. Schmieder organisierte Hilfstransporte in die Ukraine, einer ukrainischen Freundin hat sie das Versprechen gegeben: "Wir geben keine Ruhe, bis das Paar in Haft sitzt oder sich zurück nach Russland verzieht."

Sie hatte auf der Plattform Telegram von der angeblichen Flucht erfahren und sagte t-online: "Wenn Kolbasnikova und Schlund zurück nach Russland gegangen sind, ist das doch super." Schieber hatte auch über Lautsprecher bei Gegenprotesten Kolbasnikova zugerufen, sie hinter Gitter oder zum Aufgeben zu bringen. Der Verein verfolgt das Treiben des Paares intensiv und hatte bei Verdacht auf Straftaten Anzeigen erstattet.

Schlund hatte etwa am Rande einer Verhandlung am Amtsgericht angesichts des Gegenprotests die Nerven verloren und einen Aktivisten aus den Reihen des Vereins mit der Faust zu Boden geschlagen. "Da wäre auch noch ein Verfahren auf Schlund wegen Körperverletzung zugekommen, es laufen noch einige Ermittlungen", so Schmieder.

"Militärische Spezialoperation" für das Paar stehe bevor

Über seinen Telegramkanal schickte Schlund nun ein Foto von sich mit opulent gefüllten Tellern in einem Biergarten in Kaliningrad. Für 20 Euro könne er sich dort mehr als satt essen. Das Paar ruft dazu auf, ihm nach Russland zu folgen. Schmieder glaubt, dass solche Werbung bald seltener werden könnte: "Wenn sie dort bleiben, werden sie bald merken, dass es nicht so angenehm ist. Sie haben ihren Job in Deutschland abgebrochen und nicht erfüllt."

In der Vergangenheit war die Unterstützung für das Paar direkt aus Russland offensichtlich: Die Nachrichtenagentur Reuters deckte im Januar 2023 auf, dass eine russische Regierungsagentur den beiden einen Flug nach Moskau zu einer Konferenz mit Präsident Wladimir Putin gezahlt hatte. Im vergangenen Jahr verlieh er in einem Dekret Kolbasnikova die russische Staatsbürgerschaft. Sie ist jetzt Russin wie Schlund, der unter seinem früheren Namen Rostislav Teslyuk als Luftwaffenoffizier gedient hatte. Schmieder glaubt: "Jetzt könnte er auch bald an der Front landen."

Dann bekäme eine weitere Ankündigung im Kanal von Schlund und Kolbaniskova auch noch einmal eine andere Bedeutung: Die "Militärische Spezialoperation" – wie sie Russlands Krieg in der Ukraine nach Sprachvorgaben des Kremls nennen, sei nicht "irgendwo weit weg. Sie ist hier, und wir werden nicht aufgeben." Propagandakrieg auf deutschem Boden ist für Russen mit weniger Risiko verbunden.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Anfragen an Staatsanwaltschaft Köln. Anwalt Beisicht, Verein "City of Hope Cologne"
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