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Natascha Kampusch lebt auch nach zehn Jahren kein normales Leben


Natascha Kampusch im Interview
Auch nach zehn Jahren kein normales Leben

Von dpa, afp
Aktualisiert am 20.07.2016Lesedauer: 3 Min.
Natascha Kampusch: "Versuche mein Leben in die Hand zu nehmen".Vergrößern des BildesNatascha Kampusch: "Versuche mein Leben in die Hand zu nehmen". (Quelle: dpa-bilder)
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Acht Jahre lang wurde Natascha Kampusch in einem Kellerverlies gefangen gehalten, geschlagen und missbraucht. Das Medieninteresse an der heute 28-Jährigen ist immer noch immens. Zehn Jahre nach dem Ende ihres Martyriums führt sie nach eigenen Angaben noch immer kein normales Leben.

"Das sogenannte normale Leben gibt es nicht", sagte die Österreicherin der Zeitung "Kurier". "Mein Leben ist ein außergewöhnliches und in diesem Sinne werde ich es auch zu leben haben."

"Eine Art zweites Gefängnis"

Das Interesse der Medien nach ihrer Flucht habe ein normales Leben lange unmöglich gemacht, berichtete Kampusch.

"Der mediale Zirkus begann nach meiner Selbstbefreiung und hat mich sicherlich in vielem eingeschränkt. Beschützt und sicher fühlte ich mich nicht." Vielmehr habe sie sich zeitweise wie in "einer Art zweitem Gefängnis" gefühlt, sagte die 28-Jährige.

Trotzdem habe sie durchaus glückliche Momente im Leben, sagte Kampusch, die zum Jahrestag ihrer Flucht ein neues Buch veröffentlichen will. "Es gab viele schöne Momente, und es werden noch mehr nachkommen."

Vor zehn Jahren gelang die Flucht

Kampusch war am 23. August 2006 aus ihrer Gefangenschaft entkommen. Sie wurde 1998 als Zehnjährige auf dem Schulweg gekidnappt und acht Jahre lang von dem Nachrichtentechniker Wolfgang Priklopil in einem Kellerverlies bei Wien auf engstem Raum gefangen gehalten. Nun ist Kampusch 28 Jahre alt, ihre Flucht aus der Gefangenschaft liegt zehn Jahre zurück.

Kampusch gab nicht nur dem "Kurier" ein Interview, sie trat auch in einer am Montagabend ausgestrahlten Sendung des ORF-Fernsehens auf. Darin formulierte sie ihre Gedanken ähnlich: "So richtig frei war ich in den vergangenen zehn Jahren nur in wenigen Momenten. Es war auch ein Gefängnis, in das ich zurückgekehrt bin", sagte Kampusch in einer am Montagabend ausgestrahlten Sendung des ORF-Fernsehens.

Sie sei bereit für einen Lebensabschnitt, sagte sie im ORF: "Jetzt beginnt erst die Phase, wo ich wirklich versuche, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen und mich zu entfalten."

Anfeindungen und Vorurteile

Besonders schwierig seien stets Anfeindungen auf offener Straße gewesen. Das Gerücht, sie habe während ihrer Gefangenschaft ein Kind bekommen und es getötet, hielt sich hartnäckig. "Aber was hätte ich denn davon zu lügen?", fragte Kampusch. Eine ältere Frau habe sie deshalb sogar einmal in aller Öffentlichkeit versucht zu schlagen.

In das Haus ihrer Gefangenschaft kehrt sie regelmäßig alle zwei Monate zurück, um nach dem Rechten zu sehen. Es wurde ihr als Entschädigung zugesprochen. Sie bezeichnete es selbst als Fluch. "Es geht mir meistens schlecht, wenn ich hierher komme", sagte Kampusch im ORF. Trotzdem habe sie fast nichts an der Einrichtung verändert, um das Geschehene besser zu verarbeiten.

Einzig das Kellerverlies musste sie auf eigene Kosten nach behördlichen Vorgaben zuschütten lassen. Zuletzt überlegte sie, das Haus im niederösterreichischen Strasshof in der Nähe von Wien einer Flüchtlingsfamilie zur Verfügung zu stellen. Das sei bislang aber an der Bürokratie gescheitert.

Singen, Reiten und ein zweites Buch

Zudem gab Kampusch erneut Einblick in die Psyche ihres Peinigers: Priklopil habe sie sogar mit falschen Dokumenten heiraten wollen, erklärte die Wienerin: "Ja, das war sein Plan. Er hat wohl gedacht, dass er das irgendwie vertuschen kann, sein Verbrechen."

In ihrer Freizeit nimmt Kampusch nun Gesangs- und Reitunterricht und stellt Schmuck her. Ihr Abitur will sie nachholen. Im August erscheint ihr zweites Buch. Für eine Liebe sei sie offen: "Ich denke, dass ich ein Mensch bin, der beziehungsfähig ist." Aber es sei schwierig, neue Freunde kennenzulernen ohne den Schatten ihrer Vergangenheit

Zweifel am Selbstmord des Entführers

Die Wiener Oberstaatsanwaltschaft prüft unterdessen weiterhin eine Anzeige zu den Todesumständen des Entführers, wie ein Sprecher bestätigte. Der Bruder des damaligen Chefermittlers hatte im Februar Anzeige erstattet. Er habe den Verdacht, dass der Entführer keinen Selbstmord begangen habe, sondern ermordet worden sei.

Priklopil war im August 2006 wenige Stunden nach der Flucht der damals 18-jährigen Kampusch von einem Zug überfahren worden. Es gibt Spekulationen, der damals 44-Jährige könnte tot auf die Gleise gelegt worden sein. Die Polizei äußerte in ihrem Abschlussbericht 2013 aber keinen Zweifel daran, dass sich der Entführer selbst das Leben nahm.

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