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Krieg, Gewalt und Hunger im Südsudan: Die Hölle auf Erden


Blutige Krisen im Südsudan
Die Hölle auf Erden

Von Patrick Diekmann

Aktualisiert am 31.12.2019Lesedauer: 6 Min.
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Ein Soldat auf Seiten von Präsident Kiir im südsudanesischen Bürgerkrieg.Vergrößern des Bildes
Ein Soldat auf Seiten von Präsident Kiir im südsudanesischen Bürgerkrieg. (Quelle: Reuters-bilder)

Das Leid im Südsudan ist unvorstellbar. Krieg, Terror, Hunger, Armut und Naturkatastrophen haben das jüngste Land der Erde fest im Griff. Vor allem politische Machtgier stürzt bis heute Millionen Menschen ins Elend.

Salva Kiir legt großen Wert auf Selbstinszenierung. Bei öffentlichen Auftritten trägt der südsudanesische Präsident meistens einen schwarzen Cowboyhut der Marke Stetson. Geschenkt bekommen hatte er diesen vom damaligen US-Präsidenten George W. Bush im Jahr 2007. Kiir war einst Unabhängigkeitskämpfer. Aber die Militäruniform hat er eingetauscht, gegen Anzüge und auffälligen Goldschmuck.

Seit 2013 kämpften seine Anhänger in einem blutigen Bürgerkrieg gegen Riek Machar, seinen früheren Vizepräsidenten. Die Rivalen unterzeichneten im August ein Friedensabkommen. Lächelnd gaben sie sich nach den Verhandlungen in Äthiopien die Hände, beide wohlgenährt und in teurer Kleidung sind sie ein Kontrast zum alltäglichen Elend in dem Land.

Der Südsudan gilt, gemessen am Bruttoinlandsprodukt und am Geldvermögen der Bevölkerung, als ärmstes Land der Welt. Dazu kommen Hungersnöte, Dürren, Überschwemmungen und die anhaltende Gewalt. Der Friedensvertrag gibt zwar etwas Hoffnung, aber er kam vor allem wegen des internationalen Drucks auf beide Parteien zustande. Die ethnischen Konflikte im Land kann er nicht lösen. Es reicht ein Funke und die Gewalt eskaliert erneut.

Der Südsudan ist ein gescheiterter Staat, in dem seit nunmehr zehn Jahren eine der größten humanitären Katastrophen in der Geschichte des afrikanischen Kontinents stattfindet. Trotzdem schaut die europäische Politik mehr in den Nahen Osten, speziell nach Syrien aufgrund der Flüchtlingsströme nach Europa. Doch angesichts der zunehmenden Flucht über das Mittelmeer rückt auch das Elend der südsudanesischen Bevölkerung in den Fokus europäischer Mächte.

Die politische Situation im Südsudan ist kompliziert. Um die Probleme nachvollziehen zu können, lohnt ein Blick auf das Land, seine Geschichte und den Krieg:

Wo liegt der Südsudan?

Das Land mit knapp 13 Millionen Einwohnern liegt im Nordosten Afrikas. Im Norden grenzt es an den Sudan, im Osten an Äthiopien. Im Süden befinden sich Kenia, Uganda und die Demokratische Republik Kongo, im Westen die Zentralafrikanische Republik.

Der Südsudan ist flächenmäßig fast doppelt so groß wie Deutschland und verfügt über reiche Rohstoffvorkommen, vor allem Erdöl. Die Amtssprache ist Englisch, aber es gibt zahlreiche ethnische Gruppen, die über 50 verschiedene Sprachen sprechen. Die Bevölkerungsmehrheit ist christlich.

Wie ist das Verhältnis zum Sudan?

Die Beziehungen zwischen Sudan und Südsudan gelten als angespannt. Der südliche Teil des Sudans kämpfte von 1955 bis 2005 in zwei Sezessionskriegen für mehr Autonomie. Nur zwischen 1972 und 1983 gab es Frieden, insgesamt wird die Zahl der Todesopfer in beiden sudanesischen Bürgerkriegen auf zwei Millionen geschätzt. Der nördliche Teil Sudans ist im Gegensatz zum Süden muslimisch geprägt und lange wurde der südsudanesischen Bevölkerung das Recht auf Mitbestimmung versagt. In dem Konflikt ging es aber vor allem um die natürlichen Rohstoffe, die sich mehrheitlich im Süden befinden.


Die Folgen dieser Konflikte waren immens. Es gab Hungersnöte, speziell die südsudanesische Bevölkerung litt unter Verschleppungen. Ganze Dörfer wurden dem Erdboden gleichgemacht. Doch die Sudanesische Volksbefreiungsbewegung, zu denen auch Kiir gehörte, konnte große Teile des Südens erobern. Durch internationalen Druck, vor allem durch die USA, unterzeichneten beide Teile des Sudans im Jahr 2005 ein Friedensabkommen. Der Süden erhielt weitgehende Autonomie, die Scharia wurde im Süden außer Kraft gesetzt.

Kiir wurde gleichzeitig Präsident im südsudanesischen Teil und Vizepräsident im gesamten Land. Nach einem Referendum erklärte sich der Südsudan im Jahr 2011 für unabhängig. Doch die Streitigkeiten zwischen beiden Ländern halten bis heute an. Es gibt immer noch Uneinigkeiten über Zugehörigkeit einzelner Gebiete in Grenznähe und der Sudan versucht gezielt, durch Angriffe von Milizen den Süden zu destabilisieren.

Wie kam es zum Bürgerkrieg im Südsudan?

Lange konnte sich die südsudanesische Bevölkerung nicht über die Unabhängigkeit freuen. Frieden gab es danach kaum im Land und der Süden konnte auch nicht von dem Ölreichtum profitieren, weil es auf den Sudan als Transitland angewiesen ist. Nur zwei Jahre später eskalierte wieder die Gewalt. Die Anhänger von Kiir und die seines Stellvertreters Riek Machar begannen Kämpfe gegeneinander.

Kiir gehört den Dinkas an, Machar den Nuer – zwei Ethnien im Südsudan, die ab dem Jahr 2013 einen Bürgerkrieg gegeneinander führten. Kiir heizte als Präsident die Situation noch zusätzlich an: auch von internationalen Stellen, wie dem Sentry-Projekt, werden ihm und anderen Würdenträgern im Land Korruption, Machtmissbrauch und Vetternwirtschaft vorgeworfen. Die Führungsriege soll sich vor allem an den Rohstoffen bereichern, während die Bevölkerung in Armut lebt.

Im August 2015 unterzeichneten Kiir und Machar nach internationaler Vermittlung ein Friedensabkommen, das eine Teilung der Macht vorsah. 2016 brachen jedoch neue Kämpfe aus. Kiir warf Machar einen Putschversuch vor, und Machar floh ins Ausland. Ende Juni einigten sich die Kontrahenten in Khartum auf einen dauerhaften Waffenstillstand, die Freilassung politischer Gefangener und Korridore für humanitäre Hilfe. Allerdings wollten Kiirs Rebellengruppen nicht Machars Wiedereinsetzung als Vizepräsident akzeptieren.

Trotz des Friedens haben Kiir und Machar ihre Anhänger nicht unter Kontrolle. Auch durch die verfeindeten ethnischen Gruppierungen gibt es bis ins Jahr 2019 immer wieder Todesopfer. So starben durch einen Terroranschlag von Nuer-Extremisten erst im Mai in Bahr al-Ghaza 34 Menschen.

Wie ergeht es der Bevölkerung?

Für die Menschen im Südsudan ist es die Hölle auf Erden. Sie leiden unter den nicht enden-wollenden Kämpfen. Rund vier Millionen Menschen – etwa ein Drittel der Bevölkerung – sind vor der Gewalt geflohen. Sie leben vor allem in Flüchtlingslagern im Südsudan oder in den Nachbarländern unter schrecklichen Bedingungen.

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Rund 2,4 Millionen Menschen flohen in Nachbarländer, vor allem nach Uganda, Sudan und Äthiopien. Fast zwei Drittel der Flüchtlinge sind Kinder.

Wenn die Menschen nicht oder erst zu spät fliehen, durchleben sie unvorstellbare Gefahren. Der Bürgerkrieg im Südsudan hat nach Schätzungen von Wissenschaftlern fast 400.000 Menschen den Tod gebracht. Zwischen Dezember 2013 und April 2018 seien rund 383.000 Menschen direkt oder indirekt durch den Konflikt ums Leben gekommen, teilten Forscher um Francesco Checchi von der London School of Hygiene and Tropical Medicine mit. Dazu gehörten auch Menschen, die etwa wegen Krankheiten oder mangelnder medizinischer Versorgung starben. Rund 190.000 Menschen seien gewaltsam getötet worden.

Kinder werden außerdem entführt und als Kindersoldaten eingesetzt. In Folge der Kämpfe kam es auch immer wieder zu sexueller Gewalt in großem Ausmaß. "Die Menschen versteckten sich in den Busch- und Sumpfgebieten, weil sie Angst vor der Gewalt haben", sagte die medizinische Koordinatorin von Ärzte ohne Grenzen (MSF) im Südsudan, Georgina Brown, im Jahr 2018. "Zahlreiche Menschen wurden getötet, vergewaltigt oder verletzt."

Hinzu kommen Hunger und fehlendes Trinkwasser. Den Vereinten Nationen zufolge könnten im Land bald knapp sieben Millionen Menschen unter extremem Hunger leiden. "Die Nahrungsunsicherheit wird 2019 immer größer", sagte der WFP-Chef im Südsudan, Simon Cammelbeeck. In bestimmten Gegenden besteht laut UN-Organisationen die Gefahr von Hungersnöten. Rund 860.000 Kinder im Alter unter fünf Jahren sind aktuell akut unterernährt. Zusätzlich bedrohen Trockenzeiten, Überflutungen und Schädlingsbefall die Nahrungsmittelversorgung.

Wie soll es politisch weitergehen im Südsudan?

Die beiden politischen Rivalen im Südsudan möchten eine Einheitsregierung bilden. Dies war eigentlich für den 12. November angekündigt, wurde aber noch einmal um 100 Tage verschoben. Nach 50 Tagen solle der Stand der Verhandlungen geprüft werden, teilten beide Seiten Anfang November nach Gesprächen im benachbarten Uganda mit. Zentrale Punkte seien noch zu klären. Die 100-Tage-Frist solle vom 12. November an und somit bis Februar gelten.

Unklar ist, ob ein friedlicher Übergang in eine Übergangsregierung funktionieren kann. Einen Friedensvertrag hatte es schon im Jahr 2015 gegeben. Der scheiterte jedoch.

Kiir versucht, das Land in viele kleine Provinzen zu zerstückeln, damit er mehr Teile an seine Gefolgsleute verteilen kann. Durch die Kantonisierung entlang der Siedlungsgebiete von Volksgruppen werden aber vor allem neue ethnische Konflikte geschürt.

Was kann die internationale Gemeinschaft tun?

Zunächst einmal wäre humanitäre Unterstützung für die Menschen vor Ort wichtig, denen es an allen lebensnotwendigen Dingen fehlt. Dafür sind viele Hilfsorganisationen im Südsudan tätig, die unterstützt werden könnten.

Politisch könnte die internationale Gemeinschaft auf die Umsetzung des Friedensvertrages drängen. Dies wäre aber nur möglich, wenn der Südsudan mehr politische Beachtung findet. Die UN-Sicherheitsratsmitglieder könnten hochrangige Mediatoren für den Südsudan einsetzen, um ein klares Signal an die Konfliktparteien zu senden.


Ein weiteres Problem ist, dass die Korruption im Südsudan international gefördert wird. Die Rohstoffe, an denen sich nur eine kleine südsudanesische Elite bereichert, finden leicht internationale Abnehmer. Die Profiteure aus diesem System haben ihre Konten im Ausland. Diese könnte allerdings eine entschlossene internationale Gemeinschaft auf Eis legen.

Letztlich haben Geberländer wie Deutschland noch die Möglichkeit, expliziter darauf achten, wo die Fördergelder für einen Friedensprozess im Süsudan hinfließen. Die Bundesrepublik könnte für die Freigabe von Geldern klare Forderungen an die sudanesische Regierung formulieren. Aktuell ist die Verwendung der Gelder intransparent. So flossen beispielsweise Millionen in einen neuen Privatjet für den Mann mit dem Cowboyhut. Präsident Salva Kiir.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Mit Material der dpa
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