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Berichte: Kreml geht gegen Militärblogger vor


Berichte über Zensurlisten
Gehen Putins Militärs gegen kremlfreundliche Blogger vor?

Von t-online, wan

Aktualisiert am 15.10.2022Lesedauer: 4 Min.
Wladimir Putin (Archivbild): Jetzt soll er auch gegen eigentlich ihm wohlgesonnene Militärblogger vorgehen.Vergrößern des BildesWladimir Putin (Archivbild): Jetzt sollen seine Strafverfolger auch gegen eigentlich ihm wohlgesonnene Militärblogger vorgehen. (Quelle: Adam Berry/Getty Images)
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Nach russischen Medienberichten sollen kremlfreundliche Militärblogger überprüft werden. Einige kritisierten die Rückschläge an der Ukraine-Front.

Sie gelten als kremltreu und nationalistisch: die Militärblogger in Russland, die Meldungen über Erfolge der eigenen Truppen auf ihren Telegram-Kanälen und im russischen Facebook-Klon VK an Millionen Lesern verbreiten. Doch jetzt scheinen sie unter Druck zu geraten. Einige hatten sich in den vergangenen Wochen eher kritisch zum Kriegsverlauf und zu Entscheidungen an der Front geäußert.

Russische Strafverfolgungsbehörden haben nach Informationen der russischen Nachrichtenwebseite "Mash" jetzt damit begonnen, einige dieser Kanäle zu überprüfen. Es werde geschaut, ob die Autoren die russische Armee "diskreditieren" sowie gefälschte Nachrichten und andere verbotene Inhalte verbreiten, berichtet "Mash".

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Die Berichterstatter mit Namen wie "Rybar" oder "Greyzone" sammeln Informationen aus den umkämpften Gebieten und verbreiten diese meist auf Telegram. Sie nehmen dabei weitgehend eine prorussische Haltung ein, sprechen von der Ukraine als "Feind". Sie analysieren und bewerten aber auch die Situation vor Ort. Manche erstellen Karten des Kriegsgeschehens, sogar auf Deutsch. Andere senden live aus dem Kriegsgebiet. Zuletzt hatten einige die Entscheidungen der russischen Militärführung im Süden und Osten der Ukraine infrage gestellt – gerade vor dem Hintergrund wachsender Erfolge der ukrainischen Armee.

Liste mit den prominentesten Bloggern

Neun russische Militärkorrespondenten und Kanäle laufen jetzt offenbar Gefahr, wegen Diskreditierung der russischen Streitkräfte strafrechtlich verfolgt zu werden. Auf einer angeblichen Liste der Behörden sollen folgende Namen stehen: Igor Strelkov, Semyon Pegov (WarGonzo), Yuri Podolyaka, Vladlen Tatarsky, Sergey Mardan, Igor Dimitriev, Autoren von GreyZone, Rybar und Kristina Potupchik. Sie gehören zu den prominentesten Berichterstattern aus dem Krieg.

Valery Gerasimov, Chef des Generalstabs der Streitkräfte der Russischen Föderation, habe die staatlichen Zensurbehörde Roskomnadzor persönlich aufgefordert, die Inhalte in den Telegram-Kanälen zu überwachen, berichtet "Mash". Der Grund für die Maßnahmen liege "in der Kritik am Verteidigungsministerium und seinen Entscheidungen während des Militär-Sondereinsatzes", schreibt "Mash". Seitens des Generalstabs oder des Verteidigungsministeriums gibt es aber derzeit keine Bestätigung oder Stellungnahme.

Am Samstagmorgen sprach der Telegram-Kanal von "WarGonzo" unter Bezug auf Quellen in den Strafverfolgungsbehörden, es gebe "eine von oben herabgesandte Liste von Kanälen und Journalisten, die angeblich die spezielle Militäroperation und das Verteidigungsministerium diskreditieren". "WarGonzo" selbst stehe offenbar auf der Liste.

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RT-Chefredakteurin versucht abzuwiegeln

Margarita Simonyan, Chefredakteurin des staatseigenen Senders RT mit besten Kontakten in den Kreml, versuchte hingegen abzuwiegeln: "Im Zusammenhang mit den Veröffentlichungen von Militärbloggern – meinen Freunden, Kollegen und Patrioten – über einige Vorwürfe gegen sie von der Spitze beeile ich mich, darauf hinzuweisen, dass die Entscheidungsbehörden meines Wissens keine Fragen zu ihnen haben." Auch sie hatte sich kritisch zum Verfahren der Teilmobilisierung geäußert. "Es wurde angekündigt, dass Privatpersonen bis zum Alter von 35 Jahren rekrutiert werden können. Vorladungen gehen an 40-Jährige", schrieb sie in ihre Telegram-Kanal.

Das amerikanische Institute for the Study of War sieht eher Schaden für den Kreml durch eine Zensur: "Die Interessen des Kremls stimmen in dieser Situation nicht unbedingt mit denen des Verteidigungsministeriums überein: Putin hat in den letzten Monaten offen um die Unterstützung der Milblogger-Community geworben und die Milblogger dazu benutzt, hochrangige Vertreter des Verteidigungsministeriums und das Verteidigungsministerium als mögliche Sündenböcke für militärisches Versagen in der Ukraine darzustellen."

Blogger verweisen auf wichtige Arbeit

Unterstützung kommt auch von anderen Militärbloggern, wie dem Kanal "Kotsnews": "Hier möchte ich meine persönliche Unterstützung sowohl für den lieben Bruder Pegov (WarGonzo) festhalten, als auch für die in seinem Beitrag erwähnten Personen, als auch für andere bekannte Blogger – Rybar und Podolyak und Katya Agranovich, deren Familie seit den ersten Kriegstagen an der Front ist."

Versuche, ein Informationsvakuum zu schaffen, würden "nicht zu guten Ergebnissen führen". Erstens sei dies im Zeitalter der sozialen Netzwerke unmöglich. Zweitens sei dies bei der Mobilisierung, die im ganzen Land stattfände und durch Mundpropaganda im ganzen Land diskutiert werde, kaum zu unterbinden. Es gebe keine Menschen, von denen nicht ein Verwandter oder Bekannter angerufen würde, so der "Kotsnews"-Autor. Drittens sei dies in einer jungen Zivilgesellschaft, in der sich durch Freiwillige und Hilfsgruppen ein alternativer Informationskanal durch diverse Chats etabliert hat, nicht möglich.

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"Wir loben und tadeln niemanden für Geld"

Der Kanal "WarGonzo", mit immerhin 1,2 Millionen Abonnenten, teilte den "Mash"-Beitrag und schrieb am Ende als Kommentar "Beschuss aus den eigenen Reihen." Der Autor des Kanals "Greyzone" verteidigte die Arbeit der unabhängigen Berichterstatter. "Ich weiß nicht, wie es mit den anderen Angeklagten war – die hochrangigen Führer des Verteidigungsministeriums haben nicht einmal versucht, Beziehungen zu uns aufzubauen."

Es habe Versuche seitens der Regierung gegeben, gegen Bezahlung bestimmte Artikel zu lancieren, diese seien aber abgelehnt worden. "Wir loben oder tadeln niemanden für Geld. Unsere Position sowie unser Schweigen sind nicht käuflich. Wir sind für gesunde und professionelle Beziehungen – daran sind meiner Meinung nach das Land, die Gesellschaft und der russische Staat selbst jetzt am meisten interessiert."

Bericht über Anweisung an Staatsmedien

Noch vor einer Woche schien es, dass Putin die Regeln der Berichterstattung etwas lockern würde. Nach Informationen des Wirtschaftsdienstes Bloomberg soll der Kreml einige Staatsmedien angewiesen haben, Fehler bei der Kriegsführung in der Ukraine einzuräumen. Hintergrund sollen Bedenken sein, dass die dauerhaft nur Erfolge vermeldende Propaganda irgendwann Zweifel aufkommen lässt. "Mit wenig Aussicht, dass ihre Streitkräfte in der Lage sein werden, die Gegenoffensive der Ukraine bald zu verlangsamen, hoffen die Behörden, dass das Auftreten von weniger Propaganda dazu beitragen kann, die öffentliche Unterstützung zu stärken", heißt es in dem Artikel.

Putin habe laut Bloomberg seit dem Frühsommer auch mindestens zwei Treffen unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit einer kleinen Gruppe russischer Militärkorrespondenten abgehalten. Eines habe kurz vor der plötzlichen Einberufung von 300.000 Reservisten stattgefunden, berief sich Bloomberg auf die mit der Situation vertrauten Personen. Offenbar sind diese Beziehungen jetzt nicht mehr vorhanden, sollten sich die Berichte über die Aktivitäten der Zensurbehörden bestätigen.

Verwendete Quellen
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