t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikUkraine

Die Ärzte von Bachmut: Mehrmals täglich füllen sie die Totenscheine aus


Die letzten Ärzte von Bachmut
Mehrmals täglich füllen sie die Totenscheine aus

afp, Susannah Walden

15.01.2023Lesedauer: 3 Min.
urn:newsml:dpa.com:20090101:ap:8d77999fa14d4dd59eb3a62f4d1d9968Vergrößern des BildesUkrainische Soldaten patrouillieren in Bachmut: Die umkämpfte Stadt wird seit Monaten von russischen Truppen angegriffen. (Quelle: LIBKOS/AP/dpa)
Auf Facebook teilenAuf x.com teilenAuf Pinterest teilen
Auf WhatsApp teilen

Das ostukrainische Bachmut ist schwer umkämpft, die Russen machen Geländegewinne. Die Ärztin Elena Moltschanowa harrt aus – trotz der Bomben.

Elena Moltschanowa sitzt im engen Büro eines Gesundheitszentrums in der schwer umkämpften Stadt Bachmut. Trotz eines kleinen Holzofens trägt sie Mütze und Daunenjacke. Umgeben ist sie von willkürlich angeordneten Stapeln mit medizinischen Geräten, Kartoffelsäcken und Papieren. Durch das große Fenster hinter ihrem Schreibtisch sieht man draußen den Schnee.

Vor dem Krieg waren die Gänge der Praxis beleuchtet, es gab fließendes Wasser und der Tresen am Empfang war besetzt. Heute hofft Moltschanowa vor allem, dass das Fenster hinter ihr nicht zerbirst, sollte eine der vielen Granaten, die ständig auf die Stadt fallen, in der Nähe einschlagen. Dennoch hat die 40-Jährige keine Absicht, die Stadt zu verlassen.

"Wir tun, was wir können"

Moltschanowa ist eine von noch fünf Ärztinnen und Ärzten, die sich um die 8.000 Menschen kümmern, die laut Behördenangaben in Bachmut geblieben sind. Die einst 70.000 Einwohner zählende Stadt in der ostukrainischen Region Donezk steht seit Monaten im Zentrum der Kämpfte zwischen russischen und ukrainischen Streitkräften.

"Als ich mich an der medizinischen Hochschule eingeschrieben habe, habe ich den Hippokratischen Eid abgelegt, und ich kann diese Menschen nicht im Stich lassen", sagt Moltschanowa der Nachrichtenagentur AFP. "Sie kommen hierher, um medizinische Versorgung zu bekommen, und wir tun, was wir können."

Nur an Paracetamol fehlt es nicht

Viele der in Bachmut und dem nahegelegenen Soledar ausharrenden Menschen sind alt oder haben Behinderungen. Laut Moltschanowa sind Medikamente und Ausrüstung, insbesondere für psychische Probleme oder chronische Leiden wie Diabetes, höchstens sporadisch verfügbar. Es hänge davon ab, was vom Gesundheitsministerium und von Hilfsorganisationen komme – oder was aus zerbombten Gebäuden geholt werden könne, wie etwa die zwei Rollstühle, die Soldaten kürzlich vorbeibrachten.

"Es gilt: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst", sagte Moltschanowa. Es gebe nicht genügend Insulinspritzen und Injektionsnadeln, der Vorrat an Herzmedikamenten sei "sehr schnell" aufgebraucht gewesen. "Es gibt genug Paracetamol, aber das heilt den Patienten nicht", erzählt die Ärztin.

Moltschanowa füllt mehrmals täglich Totenscheine aus

Ohnehin kommt nicht jeder für eine ärztliche Behandlung in die Praxis. Manche Besucher wollen sich bei beißend kalten Außentemperaturen auch einfach nur kurz in Moltschanowas Büro aufwärmen. Und mehrmals täglich füllt die Ärztin Totenscheine aus. Oleksij Stepanow etwa will einen Totenschein für seinen 83-jährigen Nachbarn abholen, der in seiner Wohnung starb, in der alle Fenster durch eine Explosion zerbrochen waren.

Die Kälte macht vielen in Bachmut zu schaffen. Moltschanowa kann nicht immer medizinische Betreuung anbieten, doch mit ihrem Mann und zwei anderen Ärzten zusammen bietet sie Anwohnern Hilfe in Form eines Kellergeschosses neben dem Gesundheitszentrum. Die Wände der niedrigen, beleuchteten Räume sind mit hohen Stapeln von Holzscheiten gesäumt, um die Öfen zu füttern.

Dank eines Generators können Menschen hier ihre Telefone aufladen und eine Internetverbindung nutzen, während sie sich aufwärmen.

Das Gefühl, vor Ort bleiben zu müssen

Tetjana kommt in der Praxis vorbei, um Medikamente für ihren 81-jährigen Nachbarn abzuholen, der taub, blind und bettlägerig ist. "Er hat keine Ahnung, dass Krieg ist, dass wir beschossen werden", sagt sie. Die Familie des Mannes hat sie einst für die Versorgung des alten Mannes angeheuert, jetzt bleibt sie aus eigenen Stücken ohne Bezahlung.

"Ich habe Angst, diesen alten Mann mit mir zu nehmen", sagt Tetjana. Er könne in seinem Zustand nicht reisen. "Ich werde nicht gehen", sagt sie.

Ärztin Moltschanowa fühlt ähnlich. Obwohl sie nicht verstehe, warum einige Menschen noch nicht geflohen sind, insbesondere Familien mit Kindern, fühlt sie sich verpflichtet zu bleiben und sich um sie zu kümmern. "Solange sie hier sind, werde ich hier sein", versichert die Ärztin.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur afp
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website