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Archäologie: Warum setzten sich die alten Ägypter Kegelhüte auf den Kopf?


Warum setzten sich die Ägypter Kegelhüte auf den Kopf?


Aktualisiert am 19.01.2020Lesedauer: 4 Min.
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Antike Darstellung des "Kegelhütchens, Ausgrabungen in Achet-Aton (heute Amarna): Der Zwecke der Kopfbedckungen ist mysteriös.Vergrößern des Bildes
Antike Darstellung des "Kegelhütchens, Ausgrabungen in Achet-Aton (heute Amarna): Der Zwecke der Kopfbedckungen ist mysteriös. (Quelle: Amarna Project)

Aus antiken Abbildungen ist bekannt, dass die Untertanen der Pharaonen bisweilen kegelförmige Hüte auf dem Kopf trugen. Aber zu welchem Zweck nur? Forscher untersuchten nun zwei Funde.

Schon lange fragten sich die Ägyptologen, was es mit den merkwürdigen Kegeln auf sich hat, die Ägypter in Darstellungen immer wieder auf dem Kopf tragen. Waren die kleinen halbrunden Hütchen in dem Land der Pharaonen modisch der letzte Schrei? Machten sie den Träger besonders sexy oder besonders fruchtbar? Füllten die Ägypter sie mit duftenden Substanzen, die bei Erwärmung in die Haare tropften? Oder waren sie am Ende gar keine echte Kopfbedeckung, sondern nur ein Symbol, ähnlich wie der Heiligenschein in der christlichen Ikonenmalerei?

Den Antworten auf diese Fragen sind die Ägyptologen nun ein kleines Stück näher gekommen, denn in Amarna, der ehemaligen Hauptstadt des "Ketzerkönigs" Echnaton, haben Forscher erstmals die Analyse zweier dieser Kegel dokumentiert. Die bemerkenswerten Fundstücke waren 2010 und 2015 bei Ausgrabungen entdeckt worden. In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Antiquity" veröffentlichte die internationale Forschergruppe um Anna Stevens von der australischen Monash University ihren Fund.

Nur eine Gottheit durfte verehrt werden

Amarna ist allerdings keine gewöhnliche Stadt. Denn Achet-Aton, wie die alten Ägypter sie nannten, war nur rund 15 Jahre lang bewohnt, von etwa 1347 bis 1332 vor Christus. Pharao Echnaton ließ sie als seine neue Hauptstadt bauen, um dort den Sonnengott Aton zu verehren. Andere Götter duldete er nicht in seiner neuen Stadt, sie durften dort keine Tempel haben. Die prächtige neue Hauptstadt überlebte ihren Schöpfer aber nur um wenige Jahre.

Bereits ein Jahrzehnt nach Echnatons Tod war sie bereits wieder verlassen. Trotz der kurzen Siedlungsdauer haben die Archäologen dort alles gefunden, was zu einer richtigen Stadt gehört: Paläste, Wohnhäuser, Prachtstraßen – und Friedhöfe. Mehrere Tausend Menschen starben dort und wurden auf den Gräberfeldern Amarnas bestattet.

Den Kegelkopfschmuck fanden die Ausgräber nicht in den reichen Gräbern der Oberschicht, sondern auf den Friedhöfen der ärmeren Bevölkerungsschichten. Das erste Exemplar entdeckten sie im Grab einer etwa 20 bis 29 Jahre alten Frau, die im sogenannten South Tombs Cemetery beigesetzt war. Sie trug den hohlen, acht Zentimeter hohen Kegel mit einem Durchmesser von rund 10 Zentimetern direkt auf ihrem Kopf.

"Es ist sehr brüchig"

"Das Material ist cremefarben mit dunklen Flecken, besonders im Inneren", beschreiben die Forscher den Kopfputz. "Es ist sehr brüchig und fühlt sich 'seidig' an." Die dunklen Flecken, vermuten sie, stammen von Stoffresten – und der schlechte Erhaltungszustand ist Insekten zuzuschreiben, die ihre Gänge durch das Material des ihnen offensichtlich gut schmeckenden Hütchens gefressen haben.

Den zweiten Kegel trug ein etwa 15- bis 20-jähriger Jugendlicher unbestimmten Geschlechts im North Tombs Cemetery. Leider hatten Grabräuber einst seine Bestattung durchwühlt, sodass der Kopf mit einem dichten Haarschopf und dem Kegel darauf zwischen seinen Oberschenkeln lag. Was von der Kopfbedeckung erhalten ist, ähnelt in Konstruktion und Material derjenigen der Frau aus dem South Tombs Cemetery. Eine chemische Analyse ergab, dass die Hütchen vermutlich aus Bienenwachs über einem Kern aus Stoff geformt waren. Ob die Ägypter sie allerdings einst mit duftenden Ölen oder Salben gefüllt hatten, lies sich chemisch nicht mehr feststellen.

Interessant ist, dass die beiden Toten ganz offensichtlich nicht zur reichen Oberschicht gehörten. Ganz im Gegenteil erzählen ihre Knochen von schwerer körperlicher Arbeit und ihre Zähne von großen Entbehrungen in der Kindheit. Sie lagen auch nicht in prächtigen Sarkophagen, sondern ihre Angehörigen hatten sie lediglich in ein Leinentuch gehüllt, in eine Strohmatte gewickelt und in eine Grube in den Wüstensand gelegt. Damit gehören sie so ganz und gar nicht zum Klientel, die sonst auf Wandgemälden oder Papyri die Kegel auf dem Kopf tragen.

War es ein Aspekt der Seele?

Dort sind es eher Gäste bei üppigen Banketten, Hinterbliebene, die ihre verstorbene Verwandtschaft ehren, oder Bürger, die für ihre Taten vom Pharao reich belohnt werden. Auch bei der Götterverehrung, beim Angeln und Jagen im Jenseits, beim Musizieren oder beim Gebären ihrer Kinder trugen die Reichen und Schönen Ägyptens Kegel auf dem Kopf.

Besonders beliebt war der Schmuck offenbar bei leicht- und unbekleideten Frauen, die der Fruchtbarkeitsgöttin Hathor dienten. Auf Darstellungen in Gräbern allerdings wurden sie eher von Männern getragen. Eine Theorie ist, dass die Kegel "Ba" darstellen sollen, einen Aspekt der Seele. Nach dem Tod kann Ba sich vom Körper lösen und in ein Tier verwandeln, etwa in einen Falken oder eine Heuschrecke. Trägt ein Mensch auf einer Darstellung einen Kegelhut auf dem Kopf, so ist sein Ba aktiviert – und er kann leichter mit den Göttern oder mit Verstorbenen in Kontakt treten.

Auf einen bestimmten Götterkult war das Tragen der Kegel aber offenbar nicht beschränkt. Zwar trugen sie unter anderem engste Familienmitglieder Echnatons, der ausschließlich den Aton verehrte. Ein bewegendes Wandrelief aus Amarna zeigt seine Tochter Maketaton, die wahrscheinlich im Kindbett starb – mit einem Kegel auf dem Kopf. Doch das bedeutet nicht, dass sie notwendigerweise mit dem Aton-Kult verbunden sind.

"Oft einfach weggeräumt"

"Der Umstand, dass die ersten tatsächlichen Kegel in Amarna gefunden wurden, liegt wahrscheinlich nur an der sorgfältigen und gründlichen Ausgrabung der Friedhöfe hier", betonen die Forscher. "In den frühen Tagen der Ägyptologie wurden Friedhöfe, auf denen nicht die Elite, sondern ganz normale Menschen begraben lagen, oft einfach weggeräumt, ohne die Gräber näher zu untersuchen. Wir können uns leicht vorstellen, dass dabei Kegel schlicht übersehen wurden."

Am Ende lässt sich leider über den ungewöhnlichen Kopfschmuck auch mit den Funden nur wenig sagen. Aber zumindest so viel: Es gab ihn tatsächlich. Er ist kein Symbol für einen Zustand, das nur in der bildlichen Darstellungen benutzt wurde, sondern Menschen sind wirklich mit den kleinen Wachskegeln auf dem Kopf durch die Gegend spaziert.

Und sie waren kein Privileg einer Elite, sondern wurden von allen Menschen getragen – von den Mitgliedern der Königsfamilie ebenso wie von armen Arbeitern. "Im Fall von Achet-Aton können wir die Kegelhütchen wohl als Teil einer persönlichen Ausstaffierung interpretieren", formulieren die Forscher am Ende ihres Aufsatzes vorsichtig, "der bei einer Reihe von Feierlichkeiten und Ritualen getragen wurde an denen die Lebenden, die Toten, der Sonnengott Aton und auch andere Götter teilnehmen konnten."

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