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Carl von Cosel – der Mann, der eine Leiche liebte


Fall von Nekrophilie
Der Arzt, der eine Tote stahl – und sie heiratete


09.03.2020Lesedauer: 5 Min.
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Carl von Cosel und der Leichnam von Maria Elena Milagro de Hoyos (Bildcollage): Der Deutsche hatte den Körper der Toten gestohlen.Vergrößern des Bildes
Carl von Cosel und der Leichnam von Maria Elena Milagro de Hoyos (Bildcollage): Der Deutsche hatte den Körper der Toten gestohlen. (Quelle: Florida Keys - Public Libraries/Stetson Kennedy (CC BY 4.0)/Fair Use via Wikipedia)

Sieben Jahre lang lebte der Deutsche Carl von Cosel mit seiner geliebten Elena zusammen. Er kochte für sie, tanzte mit ihr. Es war eine bizarre Beziehung: Denn die Ehefrau war bereits vor der Hochzeit tot.

Bis heute erzählen die Leute in Key West im US-Bundesstaat Florida die Geschichte des deutschen Arztes Carl von Cosel und der jungen Kubanerin Maria Elena Milagro de Hoyos als romantische Liebesgeschichte. Das Band der Liebe zwischen den beiden, so lautet die offizielle Version der Museums- und Stadtführer, war unzertrennbar – bis weit über den Tod hinaus. So schilderten auch die Zeitungen in den Vierzigerjahren, als von Cosel kurzzeitig für seine Angebetete ins Gefängnis musste, den Fall.

Doch es gibt auch eine andere Art, die Geschichte zu erzählen – und sie ist weitaus weniger romantisch. Als die beiden sich kennenlernen, ist von Cosel 53 Jahre alt, Elena gerade 20. Der über 30 Jahre ältere Mann ist Arzt am Marinehospital in Key West, das junge Mädchen eine stadtbekannte Schönheit.

Tödliche Krankheit

Von Cosel stockt der Atem, als er sie zum ersten Mal sieht. Er erkennt ihr Gesicht: Eine lang verstorbene Verwandte, die ihm regelmäßig als Geist erscheint, hat es ihm bereits gezeigt und ihm anvertraut, dass sie die Auserwählte seines Lebens ist. Der Arzt glaubt fest daran – und trägt fortan seine Patientin auf Händen. Als er Elena Blut abnehmen muss, sticht er die Kanüle in den Finger statt wie sonst üblich ins Ohr, denn "ihr Ohrläppchen war zu perfekt, um es zu verletzen", vertraut er etwa seinem Tagebuch an.

Elena will von alldem nichts wissen. Sie hat andere Sorgen. Tuberkulose ist zu dem Zeitpunkt noch nicht heilbar und damit ein sicheres Todesurteil. Ihr Ehemann hat sie nach der betreffenden Diagnose verlassen. Dieser alte Arzt, der sie nun täglich besucht und ihren zunehmend schwächeren Körper mit immer neuen Methoden traktiert, ist ihr wohl unangenehm und unheimlich.

Ob Carl von Cosel tatsächlich Mediziner war, ist bis heute nicht geklärt. Angeblich besaß er neun akademische Titel, nachweisbar ist keiner davon. Seine deutsche Heiratsurkunde kennt ihn noch als Georg Carl Tänzler. Auf seinen Einreisepapieren in die USA schleicht sich erstmals das von Cosel in seinen Namen. Im Krankenhaus fügt er einen Grafentitel hinzu und signiert Dokumente als Count Carl Tanzler von Cosel – auch für den gibt es keine Belege.

Diebstahl einer Leiche

Trotz seiner Bemühungen stirbt Elena am 25. Oktober 1931 im Haus ihrer Eltern. Von Cosel bezahlt sowohl die Beerdigung als auch den Grabstein. In die untere Hälfte lässt er seinen Namen eingravieren – nicht etwa den ihres Ehemannes, mit dem sie auf dem Papier immer noch verheiratet ist. Verheiratet ist auch von Cosel noch: mit seiner deutschen Frau Doris, die mit den beiden Töchtern ganz in der Nähe lebt, aber wenig Kontakt zu ihrem Mann hat.

Als die Monate ins Land gehen, sorgt sich der deutsche Arzt um das Regenwasser, das in den Sarkophag eindringen könnte. Also gräbt er Elena aus, kleidet den Leichnam neu ein und schiebt ein weiches Fell unter ihren Körper. Schließlich baut er ein Mausoleum für sie, lässt Elena exhumieren und umbetten. Nun kann er sie täglich besuchen. Über ein eingebautes Telefon spricht er zu ihr. Und nach anfänglicher Stille beginnt sie, ihm leise zu antworten. Immer und immer wieder habe Elena ihm ein altes spanisches Lied vorgesungen, berichtet von Cosel später in seinen Memoiren.

"Boda Negra" heißt der Song, "Schwarze Hochzeit". Er handelt von einem jungen Mann, der seine Geliebte aus dem Grab holt.

Versuch, den Verfall aufzuhalten

An einem Aprilabend im Jahr 1933 erfüllt er ihr den angeblichen Herzenswunsch. Im Schutz der Dunkelheit lädt er den Leichnam auf einen Bollerwagen und bringt die Liebe seines Lebens zu sich nach Hause. In einem guten Zustand ist Elena eineinhalb Jahre nach ihrem Tod nicht mehr. Die Augen ersetzt er durch solche aus Glas. Die abgepellte Haut repariert er mit Seidentüchern, die er durch Kleister und Gips gezogen hat. Die losen Knochen fixiert er mit Draht und Kleiderbügeln. Reichlich Parfüm und Desinfektionsmittel übertünchen den Geruch der Verwesung.

Von Cosel erschafft in seinem Wahn für Elena den Himmel auf Erden. Er drapiert sie am Esstisch und serviert ihr Abendessen bei Kerzenschein. Er nimmt den federleichten Körper in die Arme und tanzt mit ihr bei Mondschein durch die Zimmer. Mit "Plasmabädern" und Elektroschocks testet er zwischenzeitlich immer neue Methoden, um sie aus dem Reich der Toten zurückzuholen. Und er heiratet sie. In einer privaten Zeremonie ohne Zeugen gibt er ihr das Jawort – obwohl beide anderweitig verheiratet sind.

"Deine Schwester ist hier!"

Sieben Jahre lange leben von Cosel und Elena so als Mann und Frau in seinem Haus. Eine Beziehung der bizarrsten Art. Doch dann werden die Gerüchte lauter, dass auf dem Anwesen des deutschen Arztes nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Im Oktober 1940 fasst sich Elenas Schwester Florinda ein Herz. Als von Cosel ihr die Tür öffnet, wirkt er ganz entspannt. Er ruft über seine Schulter nach hinten ins Haus: "Liebling, deine Schwester ist hier!"

Florinda ist entsetzt. Trotzdem ist sie bereit, Gras über die Sache wachsen zu lassen, wenn von Cosel ihre Schwester widerstandslos herausgibt. Will er aber nicht. Die Polizei muss anrücken und die tote Geliebte befreien. Die Beamten bringen den Leichnam direkt dorthin, wo sieben Jahre zuvor bereits die erste Aufbahrung stattfand: ins Dean-Lopez Funeral Home in Key West. Und dort wird Elena erneut öffentlich ausgestellt – sechs Tage lang.

Der Andrang ist riesig. Rund 6.800 Menschen kommen, um die tote Geliebte des Arztes zu sehen, Schulen schließen früher, damit auch die Kinder noch einen Blick auf die präparierte Leiche erhaschen können.
Von Cosel muss zunächst ins Gefängnis. Doch alle dort behandeln ihn freundlich. Fremde bringen ihm frisches Obst und heißen Tee. Gönner bezahlen seine Rechnungen, ein Anwalt übernimmt die Verteidigung pro bono. Am Ende hat das Gericht nichts gegen ihn in der Hand.

Eine Puppe ersetzt den Leichnam

Der Tatbestand des Leichendiebstahls ist sieben Jahre nach der Tat längst verjährt. Ein psychologisches Gutachten kann keine Anomalie feststellen. Der deutsche Arzt leide an einer "harmlosen Schrulle", urteilen die Fachleute. Wenige Tage später ist von Cosel ein freier Mann.

Er zieht zu seiner Schwester nach Zephyrhills, Florida, wo er die Geschichte seiner Liebe aufschreibt und veröffentlicht. Seine Ehefrau Doris unterstützt ihn finanziell. Gelegentlich empfängt er Besucher und zeigt ihnen Bilder, die er von Elena gemalt hat, sowie ihre Totenmaske. Heimlich aber arbeitet er an einem neuen Projekt – einer lebensgroßen Puppe mit den Gesichtszügen seiner Geliebten.

Carl von Cosel stirbt im Juli 1952. Man findet ihn drei Wochen nach seinem Tod. Gerüchten zufolge klammerte sich der Leichnam an der Puppe in seinen Armen fest. Sie solle mit ihm begraben werden, hatte er in seinem Testament bestimmt. Seinem Wunsch – dem harmlosen Wunsch eines alten, leicht schrulligen Mannes – wird stattgegeben, beide liegen im Grab Seite an Seite. Was damals noch niemand ahnte: In der Puppe stecken die echten Knochen Elenas. Er hatte einen Friedhofsangestellten bestochen und sie zum zweiten Mal aus dem Grab geholt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Ben Harrison: Undying Love, 2013
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