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Sprachkolumne zur WM 2018: Fußball ohne Sprache ist wie Fußball ohne Ball


Sprachkolumne zur WM
"Verlieren ist wie gewinnen, nur umgekehrt"

Eine Kolumne von Stefanie Schlünz

Aktualisiert am 13.06.2018Lesedauer: 5 Min.
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Schnappschuss aus Berlin-Neukölln: Das Schild einer Einfahrt lässt die Vorfreude auf die WM in Russland erahnen.Vergrößern des Bildes
Schnappschuss aus Berlin-Neukölln: Das Schild einer Einfahrt lässt die Vorfreude auf die WM in Russland erahnen. (Quelle: Stefanie Schlünz)

Bald ist es so weit, die Fußball-WM in Russland beginnt. Für die deutsche Nationalmannschaft heißt das: "Mission Titelverteidigung". Für mich heißt das, mich diese Woche mal nicht mit Orthografie zu beschäftigen, sondern dieses Event zum Anlass zu nehmen, ein wenig über das Thema Fußball und Sprache zu sinnieren.

Fußball-WM bedeutet nicht nur große Emotionen, Public Viewing, spielerische Höchstleistungen, Schweiß, Tränen, Geschrei und Gesang, sondern auch schiefe Grammatik, verbale Fouls und Sätze zum Brüllen.

Die Sprache gehörte von Anfang an zum Fußball dazu wie der Ball – und sie wird stets weiterentwickelt. Da gibt es die Terminologie des Regelwerks und die Fachsprache der Trainer. Daneben existiert der Fußballjargon, eine Insidersprache, die von allen teilnehmenden Akteuren verstanden wird und die nur im Fußball wirklich Sinn ergibt, beispielsweise mit Ausdrücken wie: Bananenflanke, Blutgrätsche und das Runde muss ins Eckige. Letztlich gehört die gesamte Fußballsprache der Öffentlichkeit dazu. Gemeint sind damit die emotionalen und bildhaften Berichte der Kommentatoren. Ebenso aber auch die Sprache der Fans, die auf den Tribünen, in den Biergärten und in den sozialen Netzwerken dazu beitragen, dass ihre Leidenschaft für den Fußball und ihre kreativen Wortneuschöpfungen und Gesänge die Fußballsprache immer lebendig halten.

Wie sagte schon der Schriftsteller Klaus Theweleit: "Wo Wörter sind, wo Sprache ist, da ist heute auch Fußball …" Na, bitte!

Das Fußballspiel kommt nach Deutschland

Ein Deutschlehrer aus Braunschweig war es dann auch, der das Fußballspiel nach Deutschland brachte – im Jahre 1874. Der Gymnasiallehrer Dr. Konrad Koch wollte – als Alternative zum Turnen in muffigen Hallen – für seine Schüler Erziehung an der frischen Luft. Also hieß es, raus auf den Exerzierplatz, einen Ball zwischen die Füße und los ging das Getrete.

Der Fußball wurde damals eigens aus England geordert. Berufsbedingt nervten Koch allerdings die vielen englischen Fremdwörter, die auf dem Platz und in den anfänglichen Berichten über Fußball in Deutschland im Umlauf waren wie goalkeeper, linesman, forwards und penalty kick.

Grund genug für Konrad Koch, viele deutsche Fußballbegriffe einzuführen. Wörter wie Torwart, Linienrichter, Stürmer, Strafstoß, Abseits wurden beispielsweise von ihm eingedeutscht und sind bis heute aus der Fußballsprache nicht wegzudenken. So schrieb er nicht nur das erste Fußballregelwerk in deutscher Sprache, sondern gründete auch den ersten deutschen Fußballverein.

Wussten Sie eigentlich, dass es nicht nur das im Sprachgebrauch inzwischen etablierte, aus dem Englischen entlehnte Public Viewing (seit 2009), also die gemeinsam angesehene öffentliche Liveübertragung – meist im Freien –, sondern auch die deutsche Bezeichnung Rudelgucken (seit 2011) in den Duden geschafft hat?

Fußballsprüche zum Schmunzeln

Aus sprachlicher Sicht noch "interessanter" sind jedoch die Fußballsprüche der Spieler und Reporter, die, gerade weil sie oft von schiefer Grammatik, hinkender Logik und vermeintlichem Expertenwissen geprägt sind, so viel Spaß machen und zum Schmunzeln anregen. Freude daran haben selbst diejenigen, die dem Fußball sonst wenig abgewinnen können. Ich habe einige beliebte "Sprachpralinen" für Sie thematisch zusammengestellt:

Die Logiker

  • "Der Grund war nicht die Ursache, sondern der Auslöser." (Franz Beckenbauer)
  • "Da mach ich mir vom Kopf her keine Gedanken." (Jens Keller)
  • "Das habe ich ihm dann auch verbal gesagt." (Mario Basler)
  • "Verlieren ist wie gewinnen, nur umgekehrt."(Andreas Möller)
  • "Ich hoffe, dass dieses Spiel nicht mein einziges Debüt bleibt." (Sebastian Deisler)

Die Mediziner

  • "Die Sanitäter haben mir sofort eine Invasion gelegt." (Fritz Walter)
  • "Ich habe eine Gänsehautentzündung bekommen." (Mehmet Scholl)
  • "Das wird doch alles von den Medien hochsterilisiert." (Bruno Labbadia)
  • "Ich hab ’ne Oberschenkelzerrung im linken Fuß." (Guido Buchwald)
  • "Ich bin Optimist. Sogar meine Blutgruppe ist positiv." (Toni Polster)
  • "Ich bin körperlich und physisch topfit." (Thomas Häßler)

Die Reimer

  • "Mein Name ist Finken und du wirst gleich hinken." (Herbert Finken)
  • "Wäre, wäre, Fahrradkette." (Lothar Matthäus)

Die Genderexperten

  • "Da geht er, ein großer Spieler. Ein Mann wie Steffi Graf." (Jörg Dahlmann)
  • "Ich sitze bei den Spielen neben meiner Frau, um dort meinen ehelichen Pflichten nachzukommen." (Andreas Rettig)
  • "Hass gehört nicht ins Stadion. Solche Gefühle soll man gemeinsam mit seiner Frau daheim im Wohnzimmer ausleben." (Berti Vogts)
  • "Das einzige Tier bei uns zu Hause bin ich." (Oliver Kahn)

Die Gourmets

  • "Fußball ist wie eine Frikadelle, man weiß nie, was drin ist." (Martin Driller)
  • "Wir werden die Spitze mit Messer und Gabel verteidigen." (Martin Wagner)
  • "Es war ein Sandwichspiel. Ein frühes und ein spätes Tor, dazwischen viel Gehacktes." (Werner Hansch)
  • "Man muss nicht immer das Salz in der Suppe suchen." (Philipp Lahm)

Die Übertreiber

  • "Da müssen wir uns um 1000 Grad drehen." (Thomas Schaaf)
  • "Jeder Sieg tut gut. Ein Derbysieg noch guter." (Frank Baumann)
  • "Es ist nichts scheißer als Platz zwei!" (Erik Meijer)

Die Geografen

  • "Die Schweden sind keine Holländer – das hat man ganz genau gesehen." (Franz Beckenbauer)
  • "Wenn sich jemand dehnen will, soll er nach Dänemark fahren. Bei mir wird gelaufen, da kann keiner quatschen." (Eduard Geyer)
  • "Mailand oder Madrid – Hauptsache Italien." (Andreas Möller)

Die Mathematiker

  • "Zu 50 Prozent stehen wir im Viertelfinale, aber die halbe Miete ist das noch lange nicht!" (Rudi Völler)
  • "Es steht im Augenblick 1:1. Aber es hätte auch umgekehrt lauten können." (Heribert Fassbender)
  • "Ein Drittel mehr Gehalt? Nee, ich will mindestens ein Viertel mehr." (Horst Szymaniak)
  • "Wenn man ein 0:2 kassiert, dann ist ein 1:1 nicht mehr möglich." (Aleksander Ristic)
  • "Ich sage nur ein Wort: "Vielen Dank!" (Horst Hrubesch)

Neben den Fußballsprüchen wimmelt es nur so von Redewendungen und Floskeln in der Fußballsprache. Wenn man diese einmal wörtlich nimmt, kann das ziemlich amüsant sein, sehen Sie selbst.

Notfallset russischer Fußballvokabeln

Apropos Sprache: Sind Sie der russischen Sprache mächtig? Nein? Sie wollen aber dennoch im Stadion, im Biergarten, auf der Couch oder sogar vor Ort in Russland souverän auftreten, dann hier für Sie noch schnell die wichtigsten russischen Vokabeln zum Einprägen. Damit machen Sie auch nach dem dritten Bier noch Eindruck.

  • Fußball – futbol (футбол)
  • Weltmeisterschaft – tschempionat mira (чемпионат мира)
  • Tor! – gol! (гол!) oder:
  • Tor – worota (ворота)
  • Champion – tschempion (чемпион)
  • Spiel – match (матч)
  • Ball – mjatsch (мяч)
  • Torwart – wratarj (вратарь)
  • Stürmer – napadajuschtschij (нападающий)
  • Mittelfeldspieler – polusaschtschitnik (полузащитник)
  • Verteidiger – saschtschitnik (защитник)
  • Schiedsrichter – sudja (судья)
  • Fußballfan – bolelschtschik (болельщик)
  • Bier – pivo (пиво)
  • Danke – spasiba (спасибо)

Zum Trost

Sollte es bei der WM mal nicht so gut laufen, bei den Toren wie bei den Vokabeln, lesen Sie einfach (noch einmal) die grandiose Rede von Loriot, die er anlässlich des 100-jährigen Bestehens des FC Bayern hielt. Sprachlich eine Wucht und auch sonst durchaus lesenswert. Sie werden sehen – die Stimmung wird sofort besser.

Und wenn Ihnen das hier alles egal ist, dann halten Sie es doch einfach wie Thomas Müller bei der WM 2014: "Des interessiert mi ois ned, der Scheißdreck! Weltmeister sammer!"

Allen anderen, ob einsame(r) Wölfin/Wolf oder im Rudel, wünsche ich ein aufregendes Fußballgucken. Olé!

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