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Mainova in der Kritik – Teil einer Erdgaslobby?


Mitgliedschaft bei "Zukunft Gas"
Mainova in der Kritik – Teil einer Erdgaslobby?

Von Stefan Simon

Aktualisiert am 06.06.2023Lesedauer: 3 Min.
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Geschäftsstelle der Mainova in Frankfurt am Main.Vergrößern des Bildes
Die Geschäftsstelle der Mainova in Frankfurt am Main (Archivbild): Wie viel der Energieversorger in den Lobbyverein investiert, ist nicht bekannt. (Quelle: Mainova AG)

Der Energieversorger will aus der Gasförderung raus, doch Klimaaktivisten und Die Linke werfen ihr vor, den Austritt aktiv zu verzögern. Welche Rolle spielt hierbei der Verein "Zukunft Gas"?

Mehrere klimaaktivistische Gruppen und die Partei Die Linke werfen dem Frankfurter Energieversorger Mainova vor, den Umstieg auf erneuerbare Energien aktiv zu verzögern. Lieber investiere die Mainova AG 300 Millionen Euro in neue Gasturbinen, mit denen sie das Kohlekraftwerk im Frankfurter Westhafen ablösen will. Das Unternehmen steige zwar aus der Kohleverstromung aus, halte aber mit dem Umstieg auf Erdgas weiter an fossilen Energien fest, sagte Attac-Sprecher Alexis Passadakis bei einem Protest vor einigen Tagen vor der Zentrale.

Warum die Mainova nach Meinung der Kritiker so zögerlich vorgeht, könnte an ihrer Mitgliedschaft beim Verein "Zukunft Gas" liegen. Der Verein ist ein einflussreicher Lobbygasverband, der nach Recherchen von Correctiv für eine der klimaschädlichsten Energien sorgt: für das Verbrennen von Gas. Es sei eine zentrale Ursache für die Erderhitzung. "Zukunft Gas" versuche der fossilen Energie eine vermeintlich positive Rolle zuzusprechen. Neben Mainova sind bundesweit fast 70 Stadtwerke Mitglied im Lobbyverein.

Für seine Arbeit braucht der Lobbyverband Geld. Einen Teil davon erhält er von Stadtwerken. Die Mitgliedsbeiträge liegen laut Correctiv im vier- bis sechsstelligen Bereich. Wie hoch die Beiträge tatsächlich sind – dazu schweigen laut dem Recherchenetzwerk die meisten, so auch die Mainova. Wie hoch das Budget des Vereins ist, ist unklar. 2013 betrug das Jahresbudget 10 Millionen Euro.

Auch große Öl- und Gasunternehmen sind Mitglieder

Neben den Stadtwerken sind Öl- und Gasunternehmen wie Shell oder Wintershall Mitglied. Auch Gazprom zahlte Geld an den Verband. Laut Correctiv ist "Zukunft Gas" mit seinem Einfluss und Kampagnen mitverantwortlich dafür, dass Deutschland jahrzehntelang auf klimaschädliches Erdgas aus Russland setzte.

Mainova-Vorstand Constantin Alsheimer wehrt sich gegen die Kritik und sagt gegenüber der FAZ, dass die Mainova sich als Ermöglicher der Energiewende begreife und viel in dieses Ziel investiere. Allerdings betont er auch, dass eine zuverlässige, wetterunabhängige Versorgung mit Strom und Wärme ohne "gasförmige Energiespeichermedien" nicht denkbar sei.

Kritik kommt auch von der Linkspartei in Frankfurt. In einem Antrag, der am Montag im Umweltausschuss auf der Agenda gestanden hat, heißt es, dass "Zukunft Gas" massiv Druck ausübe, dass Gaskonzerne weiter klimaschädliches und teures Erdgas verkaufen können. Der Verein "propagiert gegenüber Öffentlichkeit und Politik, dass Deutschland weiter auf den Energieträger Erdgas setzen sollte". Der Antrag wurde laut der Linken-Stadtverordneten Daniela Mehler-Würzbach von der Stadtregierung nach hinten gestellt. "Es gibt offenbar Redebedarf innerhalb der Koalition", sagt sie t-online.

Die Stadtverordnetenversammlung hat im Mai 2022 beschlossen, dass Frankfurt bis 2035 klimaneutral werden soll. "Ein wichtiger Bestandteil für das Erreichen dieses Zieles ist der Verzicht auf klimaschädliche Energieressourcen. Erdgas ist weder sauber noch sicher, weder erneuerbar noch klimafreundlich", heißt es im Antrag der Linken.

In der Kritik steht auch die Stadt Frankfurt, denn sie ist mit 72,2 Prozent größter Anteilseigner des Frankfurter Energieversorgers. Im Aufsichtsrat sitzt Wirtschaftsdezernentin Stephanie Wüst (FDP), Kämmerer Bastian Bergerhoff (Grüne) sowie zwei ehrenamtliche Magistratsmitglieder und weitere Stadtverordnete. Die Linke fordert, auf die Geschäftsführung der Mainova einzuwirken. Auf Nachfrage von t-online an Wirtschaftsdezernentin Wüst heißt es, dass das "operative Geschäft grundsätzlich nicht in den Zuständigkeitsbereich eines Aufsichtsrats" falle.

Zur Mitgliedschaft bei "Zukunft Gas", schreibt Dezernatssprecher Stefan Schwaneck: "Die Mitgliedschaft von Unternehmen in Branchenverbänden ist üblich und sinnvoll. Die Stadt Frankfurt nimmt keinen Einfluss auf die Mitgliedschaft ihrer Beteiligungen in Branchenverbänden." Auch bewerte die Stadt Frankfurt die Mitgliedschaft ihrer Beteiligungen in Branchenverbänden nicht. Am Dienstagabend steht der Antrag auch im Wirtschaftsausschuss zur Debatte. Ob sich Wüst äußern wird, ist fraglich.

Bislang sind nur wenige Stadtwerke aus dem Verein ausgetreten. Der Verein Lobby Control, der über Machtstrukturen und Lobbyeinflüsse aufklärt, hat bereits Ende April einen offenen Brief verfasst und appelliert in diesem an die Stadtwerke, aus "Zukunft Gas" auszutreten. Den Appell haben bislang mehr als 7.000 Menschen unterzeichnet.

Verwendete Quellen
  • correctiv.org: Erdgas: Wie Stadtwerke die Gaslobby finanzieren
  • faz.net: Klimaschützer werfen Mainova vor, Teil einer Erdgaslobby zu sein
  • E-Mail-Anfrage an Wirtschaftsdezernentin Stephanie Wüst
  • Antrag der Partei Die Linke vom 22. Mai 2023
  • lobbycontrol.de: Offener Brief "Stadtwerke raus aus der Gaslobby!"
  • Gespräch mit Daniela Mehler-Würzbach (Die Linke)
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