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"Jule Stinkesocke" – Pornobild-Skandal: Ist die Bloggerin nur ein Fake?


Ist "Jule Stinkesocke" Fake?
Pornobild-Skandal um preisgekrönte Bloggerin

Von t-online, mtt

Aktualisiert am 06.04.2023Lesedauer: 4 Min.
Der Twitter-Beitrag, der alles ins Rollen brachte: Einer Userin war aufgefallen, dass das Profilfoto von "Jule" in Wahrheit eine Pornodarstellerin zeigt; zum Beweis postete sie Screenshots.Vergrößern des BildesDer Twitter-Beitrag, der alles ins Rollen brachte: Einer Userin war aufgefallen, dass das Profilfoto von "Jule" in Wahrheit eine Pornodarstellerin zeigt; zum Beweis postete sie Screenshots. (Quelle: Screenshot)
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Ein preisgekrönter Rollifahrer-Blog sieht sich Fake-Vorwürfen ausgesetzt. Es geht um geklaute Bilder einer Pornodarstellerin und möglichen Spendenbetrug.

Zehntausende sind bei Twitter "Jule Stinkesocke" gefolgt. Haben aufmerksam die Berichte aus dem Alltag einer Ärztin verfolgt, die im Rollstuhl sitzend ihr Leben meistert. Als 15-Jährige sei "Jule" bei einem Unfall lebensgefährlich verletzt worden, hieß es in einem Blog, in dem seit 2009 ihr Leben geschildert wurde.

Der Blog gewann Preise. 2012 kürten 65.000 Internetuser die Seite zum besten deutschsprachigen Blog, vergeben wurde der Preis vom deutschen Auslandssender Deutsche Welle. Im Magazin "Menschen" der Aktion Mensch wurde "Jule" wenig später als "Mutmacherin" gefeiert. Viele, denen Inklusion am Herzen liegt, verfolgten den Blog und den Twitter-Account von "Jule" aufmerksam und mit Sympathie.

Jetzt stehen sie vor einem großen Fragezeichen: Wurden sie all die Jahre hinters Licht geführt? Gibt es "Jule" möglicherweise gar nicht wirklich? Steckt hinter der mutigen jungen Frau ein mittelalter Mann, der sich alles nur ausgedacht hat – und der mit der erfundenen Geschichte unrechtmäßig an Spendengelder gekommen sein könnte?

Oder gibt es "Jule" vielleicht doch und die Sache ist nur ein kleines bisschen komplizierter, als viele lange dachten? Wird jetzt einer Frau, die nur ihre Identität schützen möchte, ebenso unrecht getan, wie einem Mann, der sich für andere engagiert?

"Jule Stinkesocke" benutzte Bilder von Pornodarstellerin

Der Fall ist vertrackt. Sicher ist bloß: Wie eine Bombe platzte am vergangenen Sonntag ein Twitter-Thread in die Timelines der "Jule"-Follower, der den Fake-Verdacht nährte. Er begann sarkastisch: "Juchu! Jule Stinkesocke kann stehen und gehen!"

Anhand von Screenshots belegte der Beitrag dann, dass das Profilfoto von "Jule" in Wahrheit gar keine junge, querschnittsgelähmte Frau aus Deutschland zeigt – sondern eine australische Pornodarstellerin namens Kylie Harris. Auch andere Fotos, auf denen angeblich "Jules" Gesicht zu sehen war, sind geklaute Bilder von Harris.

Weitere Ungereimtheiten folgten. Eine davon lautet: Wieso kennen eigentlich so viele Menschen "Jule" bei Twitter, während sich niemand findet, der sie je im wahren Leben getroffen hat und davon berichten kann?

Ist "Jule" in Wahrheit ein Mann aus Hamburg?

Eine andere Merkwürdigkeit verweist auf den Mann, dem nun vorgeworfen wird, sich "Jule" bloß ausgedacht zu haben. M. engagiert sich in einem Hamburger Verein für Inklusion. Sein Twitter-Account war in der Vergangenheit in regem Austausch mit "Jule", er taucht im Impressum ihres Blogs auf, er postete Urlaubsfotos, die jenen von "Jule" frappierend ähnelten.

Und er war Nutznießer einer Spendenaktion, die "Jule" bekannt gemacht hatte und in der für sein neues Auto gesammelt wurde.

Vereinsvorsitzender schweigt

Kurz nachdem die Vorwürfe gegen "Jule" öffentlich wurden, stellte sie ihren Twitter-Account auf privat und nahm ihren Blog vom Netz. Der Mann, von dem gesagt wird, er könnte "Jule" sein, tat genau das Gleiche. "Diese Tweets sind geschützt", steht dort seither. "Nur bestätigte Follower können die Tweets sehen."

Am Montag trat t-online in Kontakt mit dem Mann und bat ihn um eine Stellungnahme. Er wollte sich jedoch nicht gegenüber der Presse äußern. Auch auf erneute Nachfrage am Dienstag wollte er sich nicht öffentlich erklären.

Statement von "Jule": Es sind reale Erlebnisse, aber verzerrt

Dafür tauchte in der Nacht zu Dienstag ein langes Statement bei Twitter auf. Davon kursieren aktuell Screenshots, der Beitrag soll kurz auf der Seite von "Jule Stinkesocke" zu sehen gewesen sein. Anschließend wurde ihr Twitter-Account dann komplett gelöscht.

In dem langen, gegen 2.30 Uhr publizierten Text heißt es: "Schriebe ich, dass 'Jule Stinkesocke' eine ausgedachte Figur sei, mit fiktiven Erlebnissen und einem konstruierten, orchestrierten Leben, schriebe ich die Unwahrheit. Schriebe ich, dass 'Jule Stinkesocke' eine reale Person sei, mit realen Erlebnissen und einem realen Leben, schriebe ich ebenfalls die Unwahrheit."

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"Ich schreibe über meine Erlebnisse", fährt "Jule" fort. Es seien reale Erlebnisse einer querschnittsgelähmten Frau. Dass sie als "Jule" intime Bekenntnisse über die Lähmung ihres halben Körpers teile, auch über Stoffwechselschwierigkeiten und Sexualität nicht schweige, bedeute aber für sie, anonym bleiben zu wollen. Um nicht auf der Straße identifiziert werden zu können, habe sie das Bild einer fremden Frau benutzt. Darüber hinaus verfremde sie Details der Begebenheiten, über die sie berichte, und verzerre ihre Geschichte auch zeitlich.

"Jule Stinkesocke": M. hat nur geholfen

Im Blog sei allerdings ein Impressum Pflicht. M. habe ihr deshalb geholfen und seinen Namen zur Verfügung gestellt. "Wäre er Urheber meiner Beiträge und wollte er das verschleiern, dann würde sein Name dort wohl ganz sicher nicht stehen."

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Bei Twitter ein falsches Profilbild zu benutzen, sei ein Fehler gewesen, räumt "Jule" ein. "Ein sehr dummer sogar." Das habe sie angreifbar gemacht. Nun sehe sie sich Häme und Hass ausgesetzt. Sie habe viele Menschen enttäuscht. "Ich muss leider feststellen, dass ich Menschen aus der Community verunsichert und verärgert habe. Insbesondere durch meinen Entschluss, mich nicht in der Öffentlichkeit zu zeigen."

Ein "Weiter so" sei nun nicht mehr möglich, schreibt "Jule". Sie schließt: "Ich bitte diejenigen, die ich verletzt habe, noch einmal um Entschuldigung, und verabschiede mich von euch allen. In der Hoffnung, dass auch mir diese Trennung hilft, um künftig anders und moderner mit meiner Behinderung umzugehen."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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