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Trauer um Heide Simonis: Vorkämpferin der Politik ist gestorben


Trauer um Ex-Ministerpräsidentin Heide Simonis
Offen, unverblümt und furchtlos

Von afp, t-online, cch

12.07.2023Lesedauer: 4 Min.
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Heide Simonis im Video: Die Ex-Ministerpräsidentin ist am Mittwoch gestorben. (Quelle: t-online)
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Mit Heide Simonis ist eine furchtlose Vorkämpferin aus dem Norden gestorben. Sie schrieb Geschichte – in mehrfacher Hinsicht.

Als erste Frau stand sie an der Spitze eines deutschen Bundeslandes. Damit hat Heide Simonis Geschichte geschrieben. Am Mittwochmorgen endete ihre eigene Geschichte: Die ehemalige schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin starb im Alter von 80 Jahren.

Erst vergangene Woche hatte sie Geburtstag, im Ratsherrenzimmer des Kieler Rathauses wurde sie von Weggefährten und Freunden gefeiert. Selbst konnte sie bei der Veranstaltung aber nicht dabei sein. Zuletzt war es sehr ruhig geworden um Simonis. "Heide hat Parkinson im fortgeschrittenen Stadium, liegt meist im Bett und war schon lange nicht mehr draußen", sagte Ehemann Udo Simonis zu den "Kieler Nachrichten" kurz vor ihrem letzten Geburtstag.

Als Politikerin habe Simonis nie ein Blatt vor den Mund genommen

Während ihrer jahrzehntelangen aktiven politischen Karriere war die am 4. Juli 1943 in Bonn geborene Simonis immer wieder Vorreiterin. Als offen galt sie, aber auch als unverblümt und furchtlos. "Als Politikerin hat sie nie ein Blatt vor den Mund genommen, war aufrecht, offen und immer geradeaus", erinnerte sich Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) am Mittwoch an sie.

Ihr Studium als Volkswirtin verschlug Simonis nach Kiel, wo sie ihren Mann Udo kennenlernte. Das Paar heiratete 1967 – den Antrag hatte Heide Simonis gemacht, wie sie später erzählte. Nach mehreren Auslandsaufenthalten – Simonis arbeitete unter anderem in der Entwicklungshilfe in Sambia – kehrte das Paar Anfang der 1970er-Jahre nach Kiel zurück. Dort begann Simonis, die inzwischen in die SPD eingetreten war, als Berufsberaterin beim Arbeitsamt zu arbeiten und war als Ratsherrin aktiv.

Schon bald startete ihre steile politische Karriere. 1976 wurde sie als Abgeordnete in den Bundestag in Bonn gewählt. Auch das war geschichtsträchtig, denn Simonis war damals mit 33 Jahren die bis dahin jüngste Parlamentarierin. Unerschrocken legte sie sich selbst mit autoritären Parteigranden wie Herbert Wehner an. Die Lehre aus dieser Zeit fasste sie einmal so zusammen: "Immer nur lieb sein – das geht nicht."

"Frau sein ist kein Handicap"

In einer Zeit, in der traditionelle Geschlechter- und Rollenklischees in Gesellschaft wie Politik noch weitestgehend unhinterfragt waren, wurde Simonis zu einer Pionierin der Emanzipation. Auch wenn sie sich nicht als Feministin sah und auch mit Instrumenten wie einer Frauenquote wenig anfangen konnte. "Frausein ist kein Handicap", soll sie einmal gesagt haben.

Im Bundestag entwickelte sich Simonis zur Haushaltsexpertin, 1988 wechselte sie zurück nach Schleswig-Holstein. Sie wurde Finanzministerin und Vizeregierungschefin im Kabinett des SPD-Hoffnungsträgers Björn Engholm.

1993 wurde Heide Simonis die erste Ministerpräsidentin

"Damals galt noch die Annahme: Nur wenn Männer aus der Kurve fliegen, haben Frauen eine Chance", sagte Simonis einmal rückwirkend. Ihre eigene Chance kam 1993, inmitten höchst turbulenter Zeiten, in denen die Barschel-Affäre die Kieler Landespolitik im Griff hatte: Ministerpräsident Engholm musste wegen Falschaussage vor einem Untersuchungsausschuss zurücktreten.

Und diese Chance nutzte Simonis. Sie wurde vom Landtag zu seiner Nachfolgerin gewählt. Damit wurde sie die erste Ministerpräsidentin in der Geschichte der Bundesrepublik. Ihr Amt als Landesmutter übte sie lebhaft aus. Die schlagfertige Simonis polarisierte, war aber auch beliebt. Mit ihr gewann die SPD zweimal in Folge Landtagswahlen. So lange wie Simonis hat bis heute noch niemand Schleswig-Holstein regiert – auch das ein Eintrag in die Geschichtsbücher.

Sie selbst sah ihre größten Erfolge dieser Zeit in einer raschen Modernisierung Schleswig-Holsteins, einer aktiven Ostsee-Kooperation und in freundschaftlichen Beziehungen zu Regionen in Japan und China. "Es gibt auch Leute, die sagen, ich hätte die deutsche Hutindustrie aus der Depression gerettet", scherzte die Frau mit der Vorliebe für auffällige Hüte 2018 in einem Interview mit den "Kieler Nachrichten".

"Heide-Mord": Simonis scheiterte wegen eines Abweichlers

Zum Fiasko wurde allerdings ihr dritter Anlauf für das Amt der Ministerpräsidentin am 17. März 2005. Trotz massiver Verluste der SPD wollte sich Simonis nach der damaligen Wahl an der Spitze einer rot-grünen Minderheitsregierung mit Duldung des Südschleswigschen Wählerverbands (SSW) an der Macht halten. Das scheiterte im Landtag aber in vier Wahlgängen – an einem unbekannten Abweichler aus den eigenen Reihen, der ihr die Stimme versagte.

Die zutiefst gedemütigte Simonis warf danach alles hin. Sie sprach vom "Heide-Mord". Ihr traumatisches Karriereende soll sie niemals so richtig überwunden haben. Aber sie suchte sich neue Aufgaben, einige Jahre war sie etwa Vorsitzende des Kinderhilfswerks Unicef in Deutschland. Auch hier trat sie nicht immer dezent auf. Als sie 2006 an der RTL-Show "Let's Dance" teilnahm, um das Honorar zu spenden, verspottet die Boulevardpresse sie als "Hoppel-Heide".

Nach einem Streit um Geldverschwendung bei der deutschen Unicef-Sektion nahm sie 2008 ihren Hut. Danach wurde es zunehmend still um Simonis. "Nach meinem Engagement für Unicef versuche ich nun öfter auch mal wieder ein Buch in die Hand zu nehmen oder einen neuen Quilt anzufertigen", steht auf ihrer eigenen Internetseite. Auch ihrer Leidenschaft für Flohmärkte ging sie in dieser Zeit nach.

2014 machte Simonis ihre Parkinson-Erkrankung öffentlich

Nur hin und wieder unterstützte sie noch ihre Partei in Wahlkämpfen oder gab Interviews. Insbesondere beim Thema Scheitern war Simonis wegen der Ereignisse von 2005 als Gesprächspartnerin noch lange gefragt. 2014 wurde sie als erste Frau mit der Ehrenbürgerwürde des Landes ausgezeichnet.

Ebenfalls 2014 machte sie ihre Parkinson-Erkrankung öffentlich, von der sie seit 2012 wusste. Zu ihrem 75. Geburtstag und anlässlich des 25-jährigen Jubiläums ihrer Ernennung zur Schleswig-Holsteinischen Ministerpräsidentin erhielt sie die Willy-Brandt-Medaille der SPD, die höchste Auszeichnung der Partei.

"Der Pastor wird an meinem Grab sagen: Hier ruht die Frau, die viermal nicht gewählt wurde", sagte sie einmal. Er werde sicherlich auch noch andere Dinge berichten. "Aber diese eine Passage wird er nicht vergessen." Auch sie gehört nun mal zu Simonis Geschichte.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagentur AFP
  • kn-online.de: "Heide Simonis wird 80: Doch feiern kann sie nicht"
  • kn-online.de: "Heide Simonis: Wurde schnell akzeptiert"
  • heide-simonis.de: Persönliches
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