Islamisches Zentrum Hamburg Handschlag mit der Hisbollah
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Das Islamische Zentrum Hamburg steht seit Jahren unter Beobachtung der Behörden. t-online zeigt neue Belege, die bisherige Erkenntnisse weit übertreffen.
Am 25. Oktober erhielten das Bundesinnenministerium, das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für Bildung und Forschung eine E-Mail von Forschern und Aktivisten einer englischsprachigen Nichtregierungsorganisation (NGO). In den darin übermittelten Recherchen ging es um partnerschaftliche Verbindungen deutscher Universitäten zu einer Uni im Iran. Das Medienecho in Deutschland war überschaubar. Doch in den Recherchen ging es auch noch um etwas anderes: die engen Verbindungen des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH) zu Islamisten im Iran und dem Libanon. t-online konnte Teile der an deutsche Behörden übermittelten Recherche exklusiv einsehen.
Am Donnerstagmorgen ist das IZH zum Hauptziel deutscher Sicherheitsbehörden geworden. Wie das Innenministerium mitteilte, läuft gegen den Verein ein Ermittlungsverfahren, das in einem Verbot enden könnte. Die Ermittler schlugen gleichzeitig mit Razzien in sieben Bundesländern zu. Lesen Sie hier alle Details. Ein entscheidendes Puzzlestück, um so rigoros gegen das IZH vorzugehen, kam möglicherweise von der US-amerikanischen NGO United Against Nuclear Iran (UANI), wie t-online-Informationen nahelegen. Chef von UANI ist der ehemalige US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, Mark Wallace.
NGO spricht von eindeutigen und belastenden Beweisen
"Wir haben eindeutige Beweise dafür, dass das IZH in Hamburg enge Verbindungen zu einer Universität im Iran hat und im direkten Kontakt mit der Islamischen Revolutionsgarde und der Hisbollah steht", sagt Kasra Aarabi von UANI im Gespräch mit t-online. Er leitet die Forschungsgruppe, die sich auf die Islamische Revolutionsgarde des Iran spezialisiert hat.
Im Mittelpunkt seiner aktuellen Recherchen steht die University of Religions and Denominations (URD, zu Deutsch: Universität der Religionen und Konfessionen) in der iranischen Großstadt Ghom. Im Vorstand der URD laufen die Fäden zusammen.
Die Vorwürfe, die Aarabi und UANI anführen: Ajatollah Reza Ramezani, der von 2009 bis 2018 das Zentrum in Hamburg leitete, sitzt im Vorstand der URD und kommt dort in engsten Kontakt mit Oberbefehlshabern der Revolutionsgarden und der Hisbollah. Er kennt den Hisbollah-Chef Nasrallah persönlich, wie Fotos belegen, die UANI t-online zur Verfügung gestellt hat.
"Dieses Foto macht deutlich, wie tief und eng Ramezanis Verbindungen zur Hisbollah sind, nicht zuletzt, weil Nasrallah seit 2006 untergetaucht ist", sagt Kasra Aarabi. "Ich kann gar nicht genug betonen, wie wichtig diese neuen Beweise sind, denn sie zeigen, dass Ramezani vom IZH direkten Zugang zum Terrorchef der Hisbollah hat. Das ist vergleichbar mit einem Treffen mit Osama Bin Laden."
Ein Gründungsvorstand der iranischen Uni, Ajatollah Alireza Arafi, hat 2022 am Islamischen Zentrum Hamburg gesprochen. Arafi gehört zum Wächterrat der islamischen Republik, in den ihn der Oberste Führer Ali Chamenei berufen hat. Auch er hat starke Verbindungen zur Revolutionsgarde.
Auch IZH-Freund Arafi gehört zum engsten Kreis
Weitere Mitglieder der URD-Führungsriege, die engen Kontakt zum IZH hat, sind tief in den islamistischen Eliten verwurzelt. Der Präsident der URD, Seyyed Abolhassan Nawab, war laut Lebenslauf auf der Webseite der Universität jahrelang in Führungspositionen der Revolutionsgarden, unter anderem im Radikalisierungsprogramm. Er sei "in eine Familie von Geistlichen und Märtyrern geboren" worden, heißt es da.
Aarabi und UANI haben zahlreiche Belege dokumentiert, dass Nawab und Arafi bis heute direkten Kontakt zu den Al-Quds-Brigaden oder der Hisbollah pflegen. Die Al-Quds-Brigaden sind eine Eliteeinheit der Revolutionsgarde für Auslandseinsätze, die ein Netzwerk von Iran-nahen Terrororganisationen wie Hisbollah und Hamas kontrolliert. Ein Foto, das t-online von UANI bekommen hat, zeigt den Kommandeur der Al-Quds-Brigaden, Esmail Qaani, im Gespräch mit Arafi, der schon die Blaue Moschee an der Außenalster besuchte.
"Qaani ist persönlich verantwortlich für die Verwaltung und das Kommando über das Netzwerk des iranischen Regimes von terroristischen Stellvertretern und Milizen, einschließlich der Hisbollah und der Hamas", erklärt Aarabi die Zusammenhänge – auch zu aktuellen Krisen: "Qaani war an der Planung der Hamas-Terroranschläge auf Israel am 7. Oktober beteiligt", ist sich der Experte sicher.
Doch wie kommt es zu der Verbindung von Terrororganisationen und Milizen auf der einen Seite und einer Hamburger Moschee auf der anderen Seite?
Kasra Aarabi hat dafür eine Erklärung: "Die Revolutionsgarde konzentriert sich auf ihre 'hard power': Also Kämpfer, Raketen und terroristische Operationen", zählt er auf. "Aber die Revolutionsgarde hat auch eine 'soft power' aufgebaut, um ihre 'hard power' zu stärken und ihren Einsatz zu ermöglichen – insbesondere in Gebieten, auf die sie nicht so einfach zugreifen kann, wie Europa." Die Revolutionsgarde nutze ihre Verbindungen zu Universitäten, islamischen Zentren und Moscheen als Eintrittpunkte, um verdeckte Operationen im Ausland durchzuführen, "deren Ziele in erster Linie Exil-Iraner oder Juden sind", so Aarabi. Mithilfe der "soft power" seien auch in Europa Terrorzellen etabliert worden, die jederzeit aktiviert werden könnten.
Das verdeckte Spiel der Radikalen hat System
Das verdeckte Spiel der Islamisten beschreibt auch der Hamburger Verfassungsschutz seit Jahren: In der Öffentlichkeit treten Funktionäre des IZH deutlich gemäßigter auf als Salafisten oder andere radikalislamische Gruppen, heißt es. Doch bei genauerem Blick auf die vorherrschende Ideologie im IZH ist sich der Verfassungsschutz sicher: "Wesentliche Inhalte stehen in einem diametralen Gegensatz zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes", heißt es etwa zu einem Buch, das über das IZH vertrieben wird. Es sei voll von menschenverachtenden Scharia-Regeln und Antisemitismus. Nichtsdestoweniger biete die umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit des IZH "nur selten Angriffsflächen", heißt es im Hamburger Verfassungsschutzbericht.
Vertretern des IZH wirft der Verfassungsschutz in seinen Berichten vor allem Sympathiebekundungen und die Nähe zu Hisbollah-nahen Vereinen vor. Die Bilder, die t-online jetzt mithilfe von UANI veröffentlicht, zeigen aber eindeutig: Es gibt einen direkten Draht vom IZH zur Hisbollah-Spitze. Von der Außenalster in Hamburg ist der Terror nur einen Händedruck entfernt. Ein weiterer Beweis: Auf der Webseite der URD ist angegeben, dass URD-Vorstandsmitglied Ramezani Leiter des IZH ist – bis heute. Er muss also beide Ämter zumindest zeitweise gleichzeitig ausgeführt haben.
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Aarabi betont, wie sehr seine Gruppe den Schlag der deutschen Behörden gegen das IZH begrüßt. Er sagt, dass die UANI-Recherchen ein entscheidendes Beweisstück im Verbotsverfahren seien. "Die Rückmeldungen, die wir erhalten haben, sprechen dafür. Die Sicherheitsbehörden haben das sehr ernst genommen. Diese Details zum IZH und den Verbindungen mit der URD, und damit zu den Revolutionsgarden und der Hisbollah, waren ihnen bislang nicht bekannt", erklärt Aarabi. Auf Anfrage von t-online will das Bundesinnenministerium keine Fragen zu der Sache beantworten.
Der Hamburger Verfassungsschutz beobachtet das IZH schon seit Jahren. Spätestens seit der revolutionären Bewegung im Iran, die durch den gewaltsamen Tod der 22-jährigen Mahsa Amini im September 2022 ausgelöst worden war, wurden auch die öffentlichen Forderungen nach einem IZH-Verbot wieder lauter. Und doch musste möglicherweise, so heißt es in informierten Kreisen, noch ein Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg abgewartet werden: Denn das Gericht entschied erst im Juni dieses Jahres, dass der Verfassungsschutz das IZH als islamistisch einstufen darf. Diese Hürde war also schon seit Monaten überwunden. Der Zugriff erfolgte aber erst jetzt, wenige Wochen nach der womöglich entscheidenden E-Mail der amerikanischen NGO.
Die brisanten Informationen waren nicht versteckt
Der Experte Aarabi hebt zwar hervor, wie sehr er die jüngste Entwicklung rund um das IZH schätzt. Er sagt aber auch: Alle Informationen, die seine Gruppe zusammengetragen hat, waren und sind offen einsehbar. Zwar seien manche Angaben und Mitteilungen der URD, die für die enge Vernetzung mit Revolutionsgarde und Hisbollah sprechen, nur auf Farsi und nicht auf Englisch verfügbar. Aber: "Sie haben diese Informationen also nicht oder nur in sehr geringem Ausmaß versteckt. Deutsche Behörden sollten in der Lage sein, auch Quellen in anderen Sprachen nutzen zu können."
Doch was bringt ein Verbot von Vereinsstrukturen, wenn die islamistische Ideologie bereits derart verbreitet ist? "Je mehr Organisationen wie das IZH oder auch die Revolutionsgarden in Deutschland klar als terroristisch und islamistisch kategorisiert werden, desto mehr Instrumente haben Behörden, Polizei und Universitäten in der Hand, um gegen Radikalisierung und islamistische Strukturen vorzugehen", sagt Aarabi. Der schiitische Islamismus, wie er vom Iran und der Revolutionsgarde propagiert werde, sei in Europa noch ein blinder Fleck, im Gegensatz zum sunnitisch geprägten Salafismus. Diese noch zu wenig beachteten schiitischen Extremisten seien ein nationales Sicherheitsrisiko.
- Eigene Recherche
- Interviews mit Kasra Aarabi
- Hamburger Verfassungsschutzbericht 2022
- unitedagainstnucleariran.com: "New UANI Investigation Uncovers German Universities’ Collaboration With IRGC And Hezbollah-Affiliated Iranian University Advocating Terror Attacks On Israel"
- Anfrage an das Bundesinnenministerium
- shora-gc.ir: Liste der Mitglieder des iranischen Wächterrates
- izhamburg.com: Aktuelle und ehemalige Leiter
- urd.ac.ir: Vorstandsmitglieder der University of Religions and Denominations