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Sturmnacht in Hamburg: So peitschte die Sturmflut durch die Hansestadt


Schwere Sturmnacht
Plötzlich peitschen Windböen mit bis zu 100 km/h durch die Straße


Aktualisiert am 30.01.2022Lesedauer: 5 Min.
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Ein Binnenschiff hängt unter der Freihafenelbbrücke fest: Die Besatzung konnte gerettet werden.Vergrößern des Bildes
Ein Binnenschiff hängt unter der Freihafenelbbrücke fest: Die Besatzung konnte gerettet werden. (Quelle: Daniel Bockwoldt/dpa)

Das Sturmtief "Nadia" hat Hamburg schwer getroffen. Bürger alarmierten im Minutentakt die Feuerwehr, die Hansestadt nahe am Ausnahmezustand. Wie ein Reporter die Nacht erlebte. Ein Protokoll.

Als um 17 Uhr "Nadias" erste Sturmböen die Hansestadt erreichen, haben es sich zahlreiche Hamburger am Samstagabend gemütlich gemacht: Die Bars und Restaurants in St. Pauli und der Sternschanze sind am frühen Abend gut gefüllt, trotz lokaler 7-Tage-Inzidenz von 1.750 und Warnungen des Wetterdiensts vor orkanartigen Böen für große Teile Hamburgs.

Draußen peitscht der Wind gegen die Fenster, die Sturmböen werden immer kräftiger. Und bei der Feuerwehr klingelt das Telefon. Schon bald im Minutentakt. Die Stadt hat sich vorbereitet, in der Hamburger Innenbehörde hat der Zentrale Katastrophendienststab seine Arbeit bereits aufgenommen.

Polizei und Feuerwehr haben die vom Hochwasser bedrohten Gebiete in der Stadt abgesperrt, sodass sich dorthin keine Autofahrer mehr verirren können. Die Kräfte der Hamburger Berufsfeuerwehr, des Technischen Hilfswerks (TWH) und der über 50 Wachen der Freiwilligen Feuerwehr werden alle Hände voll zu tun haben.

Gegen 18 Uhr wird die Feuerwehr im Stadtteil Harvestehude zu einem Haus gerufen, das augenscheinlich renoviert wird. Ein Teil des Baugerüstes im Hinterhof hat sich gelöst und droht einzustürzen.

Wenig später wird ein Teil der U-Bahn-Linie 3 für mehrere Stunden gesperrt: Ein umgestürzter Baum blockiert die Gleise. Auch im Netz der Deutschen Bahn kommt es in ganz Norddeutschland zu Zugausfällen und Streckensperrungen.

Sturmnacht in Hamburg: 400 Einsätze für die Feuerwehr

Gegen 20.30 Uhr stürzt ein Baum in der Nähe des Klostersterns um und beschädigt ein parkendes Auto: Das Dach ist eingedrückt, die Heckscheibe zertrümmert. Einsatzkräfte der Feuerwehr zersägen den Baumstamm, der quer über der Straße liegt. Immer wieder sprühen Funken, wenn die Motorsäge auf den Asphalt trifft.

Nach und nach tragen die Männer und Frauen der Freiwilligen Feuerwehr Pösseldorf die dicken Stämme an den Straßenrand. Der Wind verteilt die Sägespäne über die gesamte Kreuzung.

Winterstürme wie "Nadia" sind ein typisches Wetterphänomen zur aktuellen Jahreszeit. Sie entstehen dabei fast ausnahmslos über dem Nordatlantik, wo warme Luftmassen aus dem Südwesten mit kalter Luft aus den Polarregionen zusammenstoßen. "Nadia" ist dabei laut dem Deutschen Wetterdienst stärker als die bisherigen Stürme dieses Winters.

Windböen peitschen mit über 100 Kilometern in der Stunde

Immer wieder ist es windstill, dann schlagen Windböen mit bis zu 100 Kilometern pro Stunde durch die Straßen, wie eine Wetterstation der HAW misst. Nicht nur für die Einsatzkräfte ist das eine Herausforderung. Auch Passanten haben immer wieder mit den Windböen zu kämpfen. Haare und Kapuzen flattern im Wind. Die Menschen lehnen sich in die Böen, um vorwärtszukommen und nicht weggeweht zu werden. Der leichte Regen peitscht in ihre Gesichter.

Im U-Bahnverkehr kommt es derweil zu weiteren Verspätungen: Durch die Sturmböen können die Züge im Außenbereich nur 40 km/h fahren, wie eine Durchsage erklärt. Die Katastrophen-Warnapp Nina warnt vor einer schweren Sturmflut in Hamburg. Mehr als drei Meter soll der Wasserspiegel in der Nacht über dem durchschnittlichen Hochwasser liegen.

Am Fischmarkt zieht die Corona-Teststation mithilfe eines Lkw-Krans einige Meter weiter nach oben, in den trockenen Bereich. "Ich wollte die Container eigentlich ins Depot bringen, aber wir hatten so viele Anfragen, dass wir bis vor wenigen Minuten noch getestet haben", erzählt der Betreiber, der den Umzug der Container überwacht.

Zum fünften oder sechsten Mal müssen sie mit ihrem Testzentrum schon vor dem Wasser fliehen. "Das gehört zu dem Standort dazu", erzählt der Betreiber, es sei die Kehrseite dieser prominenten Lage. "Auch wenn uns am Anfang nicht wirklich klar war, worauf wir uns einlassen."

Schiff kracht gegen Freihafenbrücke – zwei Verletzte

Das Wasser auf der Elbe steigt, das wird spätestens gegen 21.30 Uhr deutlich. An den Elbbrücken kracht ein Schiff in die Freihafenbrücke und verkeilt sich. "Vor Ort haben wir zum Glück festgestellt, dass bei diesen Witterungsbedingungen keine Personen ins Wasser gefallen sind", erklärt der Einsatzleiter Stefan Trümpler.

Zwei Menschen werden mit einer Leiter vom Schiff gerettet: Sie sind leicht verletzt. Mit Unterstützung von Schleppern der HPA versucht die Feuerwehr das verkeilte Schiff zu bergen. Mithilfe von Wasser wollen sie das Heck des Schiffs absenken, aber das Schiff steckt fest. Von der U-Bahn-Station schauen Schaulustige dem Einsatzspektakel zu.

Passanten, Polizisten und Feuerwehrkräfte: Alle machen Fotos. Die Brücke wird gesperrt, die Flut steigt weiter. Das erschwert die Rettungsarbeiten. Die Freihafenbrücke soll bis zum Morgen gesperrt sein.

Auch in der Hafen-City steigt und steigt der Wasserpegel im Laufe der Nacht. Einige Promenaden werden von Wasser überflutet, die Polizei sperrt Straßen, um zu verhindern, dass Fahrzeuge in vom Hochwasser bedrohte Straßenzüge einfahren. An den Landungsbrücken und am Fischmarkt werden die Fluttore geschlossen.

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Autos im Hochwasser am Baakenhafen

Kurz nach Mitternacht, gegen 0.20 Uhr, werden die Rettungskräfte in den Baakenhafen alarmiert. Knapp einen Kilometer vom Einsatzort an den Elbbrücken entfernt, steht ein Parkplatz am Rand des Neubaugebiets unter Wasser. Vier der neun geparkten Autos haben Licht an – entgegen der Befürchtung sind aber keine Menschen in Gefahr. Die Fahrzeuge werden von Feuerwehrleuten aus dem Wasser gezogen.

Als Folge des Klimawandels könnte nach einem pessimistischen Szenario des Weltklimarats der Meeresspiegel in den folgenden Jahrzehnten um bis zu einem Meter ansteigen. Dieses Szenario haben Hamburg und die Küstenländer Ende 2020 als Grundlage für die Planung des Hochwasserschutzes genommen.

An einigen Stellen wird deshalb seit einigen Jahren der Hamburger Hauptdeich erhöht. Die meisten Deichanlagen hatten in der Vergangenheit eine Schutzhöhe von 7,80 Metern bis zu 9,25 Metern.

Hamburger Fischmarkt wird zum Spektakel für Schaulustige

Der Fischmarkt und die Fischauktionshalle sind außerhalb dieser Deichanlagen. Der überflutete Fischmarkt ist dabei zu einem Symbol der Sturmfluten geworden, das Schaulustige anlockt. Für einen 22-Jährigen, der sich mit seinen Freunden den überfluteten Platz anschaut, ist der Anblick etwas Besonderes, obwohl er in Hamburg aufgewachsen ist.

Immer wieder fährt er mit seinem Fahrrad ins Wasser, "um ein gutes Foto hinzukriegen", wie er erzählt. Auch eine Gruppe Feuerwehrleute macht Erinnerungsfotos auf dem Platz. Trotz der späten Uhrzeit und dem kalten Wind sind auch heute zahlreiche Hobbyfotografen und Interessierte vor Ort.

Die Uhr zeigt 1.54 Uhr: Planmäßig sollte jetzt Hochwasser sein. Auf dem Fischmarkt geht das Wasser aber schon wieder zurück, auch der Sturm hat etwas nachgelassen. Hamburg hat etwas Glück im Unglück, die Zahl der Alarmierungen sinkt wieder.

Rund 400 Einsätze hatte die Feuerwehr am Samstagabend aufgrund des Sturms zu bearbeiten, erzählt Christian Schwarz, der Leiter der Hamburger Feuerwehr. Auch in den frühen Morgenstunden gibt es immer wieder Alarmierungen. "Insgesamt ist die Stadt aber gut vorbereitet und wir werden auch diese Nacht gut überstehen", so Schwarz.

Für Sonntagmittag ist schon die nächste Sturmflut angekündigt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen vor Ort
  • Gespräch mit Leiter der Hamburger Feuerwehr
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