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Haben Dealer Angst vor der Cannabis-Freigabe? "Meine Stammkunden bleiben"


Dealer über Legalisierung
"Viele trauen dem Staat nicht"

  • Patrick Schiller ist t-online Regio Redakteur in Hannover.
InterviewVon Patrick Schiller

Aktualisiert am 21.08.2023Lesedauer: 5 Min.
Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

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Festnahme bei einer Drogenrazzia (Archivbild): Viele Cannabis-Konsumenten misstrauen den Freigabeplänen der Bundesregierung. (Quelle: Paul Zinken/dpa)

Das Bundeskabinett billigt die partielle Freigabe von Cannabis zum privaten Gebrauch. Eine gute Idee? t-online spricht mit einem erfahrenen Dealer.

Das Bundeskabinett hat einem Gesetzentwurf zugestimmt, der den privaten Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis erlaubt. Dieser soll über sogenannte Cannabis-Clubs ermöglicht werden. Bis zu drei Pflanzen dürfen zudem im Eigenanbau zu Hause gezüchtet werden. Es gibt jedoch zahlreiche Einschränkungen und Vorschriften für die Clubmitglieder und Betreiber.

Geht der Gesetzentwurf weit genug? Und was bedeutet das konkret? t-online hat mit Tim (Name geändert) aus Norddeutschland gesprochen. Er dealt seit mehr als 20 Jahren mit Cannabis – und anderen Drogen. Warum er sich keine Sorgen um sein Geschäft macht, was er von der behaupteten Schutzwirkung für Kinder hält und was er Gegnern der Legalisierung zu sagen hat, lesen Sie im Interview.

t-online: Wie viel Cannabis könnten Sie mir jetzt auf die Schnelle verkaufen?

Tim: Kleine Mengen um die 20 Gramm kannst du jetzt sofort haben. Größere dauern etwas länger. Dafür brauche ich vielleicht mal ein paar Stunden Vorlauf. Im schlimmsten Fall einen Tag.

Von welchen Mengen sprechen wir?

Wir reden über Kilos.

Wie viel Geld bleibt da bei Ihnen hängen?

Früher habe ich fünf bis sechs Euro pro Gramm gemacht. Heute ist es aufgrund der Konkurrenz oft etwas weniger. Das hängt aber sehr stark von den Mengen ab, die man weiterverkauft. Entsprechend gestaltet sich die Marge.

Verkaufen Sie neben Cannabis auch andere Drogen?

Im Grunde alles, was der Markt hergibt. Da sind der Fantasie fast keine Grenzen gesetzt. Außer meine persönlichen: Heroin oder Crystal gibt es bei mir nicht. Damit will ich nichts zu tun haben.

Haben Sie Sorge, dass Ihnen dank Lauterbachs Teillegalisierung von Cannabis bald viele Kunden weglaufen und zu den legalen Cannabis Social Clubs wechseln?

Auf keinen Fall alle. Selbst wenn die Clubs bis zum Ende des Jahres legal sein sollten: Die brauchen Vorlaufzeit, um ihren Mitgliedern ausreichend Marihuana zur Verfügung zu stellen. Denn die Pflanzen brauchen erst mal Wachstumszeit und müssen in die Blüte kommen. Die Infrastruktur muss stehen. Ob der illegale Markt dann wirklich einbricht, darüber mache ich mir jetzt noch keine Gedanken. Und ich glaube, dass meine Stammkunden bleiben.

Warum glauben Sie das?

Viele Kiffer trauen dem Staat nicht. Sie wollen gar nicht in irgendwelchen Clubs mit ihren persönlichen Daten erfasst werden. Zu groß ist die Sorge, dass die irgendwann vom Staat missbraucht werden. Die vertrauen eher den Leuten, die ihnen seit Jahren das Zeug beschaffen. Außerdem sind dann 25 Gramm straffrei. Da fragt dann keiner bei einer Kontrolle, wo genau man es herhat.

Sehen Sie denn Vorteile durch den Gesetzesentwurf?

Ich glaube, der Jugendschutz profitiert schon ein bisschen: Es gibt Leute, die an Minderjährige verkaufen. Dem könnte jetzt zumindest ein wenig Einhalt geboten werden, ähnlich wie legale Geschäfte, die Alkohol nicht verkaufen dürfen. Außerdem sinkt die Gefahr von verunreinigtem Gras, das vielleicht sogar durch Suchtmittel oder gesundheitsgefährdende Substanzen gestreckt ist. Manche strecken Gras nicht nur mit Vogelsand, sondern sogar mit halluzinogenen Substanzen wie LSD, um den Flash zu erhöhen. Da kommt man natürlich gerne wieder zum selben Dealer oder bleibt direkt auf seinem Flash hängen.

Das könnte durch die Legalisierung besser werden?

Klar, durch die Kontrollen der legalen Abgabestellen sollte die Qualität des Grases stimmen. Auch die Samen werden qualitativ besser und es entfallen dann Verunreinigungen. Von daher finde ich das zum Teil schon gut.

Aber nur zum Teil. Was bemängeln Sie?

Du wirst immer Leute haben, die an Kinder verkaufen. Das ist genau wie mit Zigaretten und Alkohol: Die Kids stehen am Kiosk, bitten Erwachsene, Zigaretten zu holen. Manch einer macht das tatsächlich, obwohl es verboten ist. Genauso gut kann sich jetzt jeder Dealer mit 25 Gramm vor eine Schule stellen, geplante Abstandsregeln hin oder her. Das spricht sich dann schnell herum. Noch besser: Er muss sein Zeug nicht mal mehr verstecken, kann es eigentlich offen herumtragen. Der kann sich jetzt noch leichter Laufkundschaft verschaffen, weil die Polizei niemals überall sein kann. Die Leute wissen, wo die Dealer sind. Und die brauchen ihr Zeug theoretisch nicht mal mehr zu verstecken, sie können jetzt einfach auf ihre Kunden warten. Ihr einziges Problem könnte sein, dass sie viele kleine abgepackte Portionen für ihre Geschäfte brauchen.

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Zusätzlich soll der nicht-gewerbliche Eigenanbau legal werden: Dann dürfen bis zu drei Cannabis-Pflanzen ganz einfach daheim hochgezogen werden …

Von wegen einfach: Die neue Regel macht den Eigenanbau fast so kompliziert wie das Waffenrecht. Es gibt so viele Auflagen. Und wenn man Kinder hat, muss man sich einen separaten Raum schaffen, in den die nicht hereinkommen. Nachbarn dürfen sich nicht belästigt fühlen. Und man braucht viel teure Technik, damit sich das für den Eigenanbau überhaupt im Ansatz rentiert. Also werden viele weiterhin illegal beziehen, wenn sie nicht doch auf die neuen Clubs ausweichen.

Womit könnten die Clubs überzeugen?

Am Anfang hieß es, man dürfe drei blühende Pflanzen besitzen, die sich auf dem Weg in die Erntereife befinden. Dazu kämen dann noch heranwachsende Jungpflanzen. Da schwankte die Zahl zwischendurch. Jetzt sind es nur noch insgesamt drei Pflanzen. Die brauchen mindestens sechs Monate von der Aussaat bis zur Ernte – und dann kommt noch das Trocknen der Blüten. In den Clubs kann man dagegen bis zu 50 Gramm pro Monat kaufen, also 600 Gramm pro Jahr. Das schafft man im Eigenanbau und ohne Expertentechnik und -wissen niemals. Also Club oder weiterhin Illegalität.

Was würden Sie Menschen sagen, die gegen die Legalisierung von Cannabis sind?

Im Vergleich zu Alkohol und Zigaretten ist Cannabis eine vergleichsweise harmlose Droge. Sie richtet weit weniger direkte gesundheitliche Schaden an, auch wenn eine psychische Abhängigkeit natürlich möglich ist. In vielen Ländern ist Alkohol aber legal und wird akzeptiert, obwohl es nachweislich zu einer Vielzahl von gesundheitlichen Problemen führen kann – und übermäßiger Konsum sogar tödlich enden kann. Gleiches gilt für Zigaretten. Eine Überdosis an Cannabis hingegen ist nahezu ausgeschlossen. Außerdem habe ich bisher noch nie einen aggressiven Kiffer erlebt. Das sieht bei Alkohol schon ganz anders aus.

Sie haben sich bisher für einen besseren Kinder- und Jugendschutz ausgesprochen. Ab welchem Alter würden Sie denn den Konsum von Cannabis erlauben?

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Unter 18 sollte das in gar keinem Fall erlaubt sein. Das kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Besser noch: Dann, wenn man schon etwas im Leben erreicht hat, einen Job oder eine Berufsausbildung gemacht hat. Dann ist man so Anfang 20. Als Jugendlicher neigt man gerne zum Übertreiben. Das wirkt sich dann schon auf das Gehirn aus. Die Legalisierung bräuchte eigentlich einen sehr strengen Kinderschutz. Aber das ist bei Zigaretten und Alkohol ja offensichtlich auch seit Jahrzehnten praktisch nicht möglich. Weil sich Leute immer wieder über die Gesetze hinwegsetzen.

Danke für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch
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