Missbrauch im Erzbistum München Dutzende Betroffene melden sich nach Missbrauchsstudie
Die Wellen des Missbrauchskomplexes schlagen immer höher: Über 500 gemeldete Fälle liegen seit dem Missbrauchsgutachten inzwischen vor. Von wirklichen Veränderungen kann jedoch seit seiner Vorstellung nicht die Rede sein, sagt eine Reformbewegung.
Seit der Vorstellung des Gutachtens über sexuellen Missbrauch im katholischen Erzbistum München und Freising haben sich Dutzende weitere Betroffene gemeldet. Die unabhängigen Ansprechpersonen der Erzdiözese für die Prüfung von Verdachtsfällen zählten bis Anfang Juni 42 neue Meldungen, wie das Bistum auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur in München mitteilte.
Das vom Bistum bei einer Münchner Anwaltskanzlei in Auftrag gegebene Gutachten hatte bei seiner Vorstellung im Januar weltweit Aufsehen erregt. Die Studie geht von mindestens 497 Opfern und 235 mutmaßlichen Tätern aus - und von einer weitaus größeren Dunkelziffer.
Den ehemaligen Erzbischöfen Friedrich Wetter und Joseph Ratzinger, heute Benedikt XVI., wurde in dem Gutachten persönlich Fehlverhalten in mehreren Fällen vorgeworfen – ebenso dem aktuellen Erzbischof Kardinal Reinhard Marx. Dieser hatte Papst Franziskus vor einem Jahr seinen - vom Pontifex umgehend abgelehnten – Rücktritt angeboten.
Missbrauchsgutachten in München: Marx sprach von "institutionellem Versagen"
"Im Kern geht es für mich darum, Mitverantwortung zu tragen für die Katastrophe des sexuellen Missbrauchs durch Amtsträger der Kirche in den vergangenen Jahrzehnten", schrieb Marx dem Papst in seinem Rücktrittsgesuch.
Die Untersuchungen und Gutachten der zurückliegenden zehn Jahre zeigten für ihn durchgängig, dass es "viel persönliches Versagen und administrative Fehler" gegeben habe, aber "eben auch institutionelles oder systemisches Versagen". Die katholische Kirche sei an einem "toten Punkt" angekommen.
Aus Sicht der Reformbewegung "Wir sind Kirche" ist in Marx' eigenem Bistum seit dem Rücktrittsgesuch nicht genug passiert: "Die konkreten Reformschritte im Münchner Erzbistum hinken leider immer noch den Ankündigungen und Betroffenheitsbekundungen hinterher", sagte "Wir sind Kirche"–Sprecher Christian Weisner der dpa.
- Nachrichtenagentur dpa