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Olympia-Attentat: Spaenle fordert angemessene Entschädigung


Olympia-Attentat 1972
"Der Umgang mit den Opferfamilien ist die eigentliche Schande"

InterviewVon Jennifer Lichnau

27.07.2022Lesedauer: 2 Min.
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Ludwig Spaenle (CSU) bei einer Pressekonferenz: Bayerns Antisemitismusbeauftragter hat einen Brief an den Bundeskanzler geschrieben. (Quelle: Sachelle Babbar via www.imago-images.de)

Bayerns Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle (CSU) wirft der Bundesrepublik Staatsversagen im Umgang mit den Familien der Opfer des Olympia-Attentats vor.

Ludwig Spaenle war elf Jahre alt, als palästinensische Attentäter bei den Olympischen Sommerspielen 1972 in München elf israelische Geiseln und einen deutschen Polizisten ermordeten. Heute setzt sich der Antisemitismusbeauftragte der bayerischen Staatsregierung für die Hinterbliebenen der Opfer des Attentats ein.

Kürzlich hat er einen Brief an Bundeskanzler Scholz geschrieben und gefordert, die Opferfamilien endlich angemessen zu entschädigen. Bisher hat er keine Antwort bekommen. Für das Verhalten Deutschlands gegenüber den Hinterbliebenen schäme er sich, sagt er im Gespräch mit t-online.

t-online: Herr Spaenle, sie waren elf Jahre alt, als das Olympia-Attentat 1972 passierte. Erinnern Sie sich daran?

Sehr gut sogar. Es war, als hätte man eigene Verwandte verloren. Über der Stadt München lag ein kollektives Trauma. Das habe ich selbst als 11-Jähriger gespürt.

Setzen Sie sich deswegen so vehement für die Interessen der Hinterbliebenen ein?

Natürlich berührt es einen, wenn man selbst dabei war. Viel mehr berührt mich der Umgang Deutschlands mit den Opferfamilien. Das ist die eigentliche Schande, neben dem Versagen der Sicherheitskräfte.

Was fordern Sie?

Damit wir wieder in den Spiegel schauen können, müssen wir den Opfern auf Augenhöhe begegnen und auf ihre berechtigten Ansprüche eingehen. Da geht es weniger ums Geld. Es geht darum, Verantwortung zu übernehmen. Das muss Deutschland, das muss der Bund tun.

Ein vermummter arabischer Terrorist zeigt sich auf dem Balkon des israelischen Mannschaftsquartiers im Olympischen Dorf der Münchner Sommerspiele (Archivbild)
Ein vermummter arabischer Terrorist zeigt sich auf dem Balkon des israelischen Mannschaftsquartiers im Olympischen Dorf der Münchner Sommerspiele (Archivbild). (Quelle: dpa)

Olympia-Attentat 1972 in München

Bei dem Anschlag am 5. September 1972 durch ein palästinensisches Terrorkommando starben elf israelische Sportler und Trainer sowie ein deutscher Polizist. Um die Entschädigung wird seitdem gerungen. Das bereits geflossene Geld ist nach Meinung der Opferfamilien aber nicht angemessen. So hatten sie etwa 2002 drei Millionen Euro erhalten, als humanitäre Geste, wie Bundesregierung, Freistaat Bayern und Stadt München damals erklärten. Eine Klage auf Schadenersatz in Höhe von rund 40 Millionen Mark (rund 20,45 Millionen Euro) unter Verweis auf massive Fehler beim Polizeieinsatz war aber wegen Verjährung abgewiesen worden.

Das Attentat ist 50 Jahre her. Warum hat Deutschland das aus Ihrer Sicht bis heute nicht getan?

Es ist das bewährte Mittel des kollektiven Beschweigens. Man wollte sich damals nicht erinnern. Man wollte das Geschehene möglichst schnell wegschieben. Die Republik, das Land und die Stadt München haben bewusst Gedächtnislücken gelassen. München, die Weltstadt mit Herz, das Millionendorf, die heimliche Hauptstadt wollte sich damit nicht besudelt sehen. Und darin sehe ich das eigentliche Versagen. Nicht im schlechten Sicherheitskonzept. Das ist politische Schuld, die Deutschland auf sich geladen hat.

Bis heute ist der Bund nicht auf die finanziellen Forderungen der Opferfamilien eingegangen. Warum nicht?

Das kann ich Ihnen nicht beantworten. Auf mein Schreiben an Bundeskanzler Olaf Scholz wurde bisher nicht geantwortet. Ich denke, es gibt die Haltung seitens des Finanzministeriums, dass man sich 2002 mit den Angehörigen geeinigt habe und die Sache damit erledigt sei. Die Frage ist, ob der Bundeskanzler einem einfachen bayerischen Abgeordneten antwortet. Mal sehen.

Am 5. September, dem Tag des Attentats, soll es in Deutschland eine Gedenkfeier geben. Befürchten Sie, dass die Hinterblieben, wie angekündigt, aus Protest nicht teilnehmen?

Ja, diese Androhung ist ernst zu nehmen.

Sollte die Gedenkfeier wie geplant mit den Hinterbliebenen stattfinden, was erhoffen Sie sich?

Dass der Bundespräsident oder die Bundesinnenministerin, die am 5. September auch teilnehmen sollen, endlich sagen können, wir haben Gespräche aufgenommen. Deutschland hat historisch versagt. Wir wissen um diese Schuld. Und wir wollen das gemeinsam mit den Menschen, die davon betroffen sind, zu einer adäquaten Lösung führen. So schwer ist das nicht.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Landtagsabgeordneten und Antisemitismusbeauftragten Ludwig Spaenle am 21.07. 2022
  • Material der Nachrichtenagentur AFP
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