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CSU-Ortsverband im Umland von München giftet gegen Homosexuelle


"Was soll daran Proud sein?"
CSU-Ortsverband giftet gegen Homosexuelle


Aktualisiert am 21.07.2023Lesedauer: 4 Min.
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Zwei Männer küssen sich auf dem Christopher Street Day (Archivbild): Ein CSU-Verband kann dem offensichtlich nicht viel abgewinnen.Vergrößern des Bildes
Zwei Männer küssen sich auf dem Christopher Street Day in München (Archivbild): Ein CSU-Verband kann dem offensichtlich nicht viel abgewinnen. (Quelle: Imago Images)

Ein CSU-Ortsverband fordert ein Adoptionsverbot für homosexuelle Paare. Das spaltet die bayerische Politik. Die Opposition wirft der CSU homophobes Verhalten vor.

Nach einer bundesweiten Diskussion haben Eric Big Clit und Vicky Voyage vor wenigen Wochen in der Stadtbibliothek in München Kindern Geschichten vorgelesen. Die zwei Dragkünstler wollten sie in "farbenfrohe Welten" mitnehmen, um zu zeigen, was das Leben unabhängig vom Geschlecht bietet. Nachdem der CSU-Generalsekretär Markus Huber den Vortrag allerdings als "Frühsexualisierung" betitelt hatte, wurde seine Partei vom Christopher Street Day (CSD) in München ausgeladen.

Doch ein Teil der CSU ging noch einen Schritt weiter. In Willing, etwa 50 Kilometer von den Toren der bayerischen Landeshauptstadt entfernt, veröffentlichte der CSU-Ortsverband einen Beitrag auf Facebook. Die Forderung darin: ein Adoptionsverbot für Homosexuelle. "Was soll daran PROUD sein wenn wer "QUEER" ist?", so begann ihr Post. Weiter hieß es: "Die Natur hat für die Queeren keine Fortpflanzung vorgesehen." Das sei der "BIG FAIL" in ihrem Leben.

CSU-Landtagsabgeordneter aus Bayern verurteilt Beitrag nicht

Inzwischen wurde der Post wieder gelöscht. Warum, wollte die CSU in Willing allerdings t-online nicht beantworten. Stattdessen meldete sich der Landtagsabgeordnete Klaus Stöttner (CSU) aus dem Stimmkreis Rosenheim-Ost. Er zeigte sich gesprächsbereit und bestätigt t-online, von wem der Beitrag offensichtlich verfasst wurde – von Markus Stigloher, dem 1. Vorsitzenden des CSU-Ortsverbandes.

Die Aussagen von Stigloher verurteilt Stöttner laut eigener Aussage nicht. Der Ortsvorsitzende sei ein "ordentlicher Unternehmer" und der Beitrag beinhaltete "eben seine Meinung". In Willing gebe es einen "konservativen und bodenständigen" Verband. Bei dem stünden eher andere "Probleme" als die Dragqueen-Debatte im Mittelpunkt – unter anderem die steigende Armut.

Selbst hätte der Landtagsabgeordnete einen solchen Post trotzdem nicht erstellt. Denn Stöttner pflegt eigenen Angaben zufolge ein gutes Verhältnis zur "Queer-Community". Die Meinung des Ortsverbandes solle auch nicht zu hoch aufgehängt werden, immerhin gebe es vier- bis fünftausend Mitglieder in Stimmkreis Rosenheim-Ost. "Wir haben schon immer Toleranz gehabt", sagt Stöttner. "Sonst wären wir nicht so erfolgreich gewesen."

Spitzenkandidatin der bayerischen Grünen ist empört

Katharina Schulze, Spitzenkandidatin und Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag, hält deutlich dagegen: "Aussagen wie diese vergiften das politische Klima, sind ein Angriff auf queere Menschen und unsere Werte", sagt die 38-Jährige t-online. Die Christlich-Sozialen würden stets behaupten, dass sie besonders "weltoffen" und "liberal" seien. Durch die Geschehnisse in Willing zeige sich allerdings das Gegenteil.

"Da ist niemand auf der Maus ausgerutscht." Denn diese Aussagen würden genau in das Muster der CSU passen, die zurzeit auch immer populistischer werde: "Anstatt die Brandmauern gegen rechts zu stärken, zündeln viele in der CSU einfach munter mit." Das sei einer Regierungspartei "unwürdig", wie Schulze meint.

Auch Martina Thalmayr, Landtagskandidatin und Sprecherin des dortigen Kreisverbandes der Grünen, übt starke Kritik. "Einen derartigen Post, der weit neben der offiziellen Parteihaltung liegt und den sicherlich viele Parteianhänger so auch nicht teilen würden, kommentarlos zu löschen, sei ein Armutszeugnis. "Sich einfach mal zu entschuldigen, kommt in der CSU-Kommunikation nicht vor."

Der "Aktionsplan Queer" von Markus Söder sei nichts wert

Kontra gibt es auch vom Fraktionsvorsitzenden der Freien Demokraten im Bayerischen Landtag. Martin Hagen feierte dieses Jahr auf dem Christopher Street Day (CSD) in München – zusammen mit FDP-Landtagskandidatin Susanne Seehofer, Tochter des CSU-Ehrenvorsitzenden Horst Seehofer.

"Bei der CSU tun sich homophobe Abgründe auf. Ich hätte nicht gedacht, so etwas im Jahr 2023 noch von einer staatstragenden Partei lesen zu müssen", sagt er t-online. Deshalb sollte die CSU dringend ihr Verhältnis zur LGBTQ-Community klären. Der von Ministerpräsident Markus Söder angekündigte "Aktionsplan Queer" sei nichts wert, wenn seine eigene Partei gegen Homosexuelle hetze.

Psychologin ist schockiert über "diskriminierende Haltung"

Doch wie wirken derartig umstrittene Beiträge auf unsere Gesellschaft? Damit beschäftigt sich die Psychologin Bettina Glöggler, die bei der Fachstelle "Strong!" gegen Diskriminierung und Gewalt in München arbeitet. Sie ist schockiert über die offen dargelegte "diskriminierende Haltung".

Die Aussage, dass Homosexualität ein Versagen darstelle, sei menschenverachtend. "Auch homosexuelle Menschen verfügen über Fortpflanzungsorgane und menschliche Eigenschaften, die zu einer liebevollen Elternschaft befähigen", erklärt die Fachfrau. Bereits 15.000 Kinder in Deutschland wachsen ihren Angaben zufolge mit gleichgeschlechtlichen Eltern auf.

Beiträge wie dieser der CSU könnten sich "erschreckend schnell" in ausgewachsene Bedrohungen und Gewalttaten steigern. "Als Anlaufstelle für Betroffene queerfeindlicher Gewalt wissen wir das", sagt Glöggler. Nach einer Anfrage der Grünen im Bayerischen Landtag haben sich die Straftaten gegen queere Menschen in Bayern von 2010 bis 2021 versiebenfacht.

Rechtsextreme und Verschwörungsideologen befördern Debatte

Das Netzwerk Rassismus- und Diskriminierungsfreies Bayern betont außerdem: "Mit ihrem Post fällt die CSU Willing nicht nur hinter das gesetzlich garantierte Diskriminierungsverbot zurück, sondern auch hinter die Rechtslage, was Adoptionen anbelangt."

Derartige Diskurse würden zunehmend von einem international vernetzten "Konglomerat" von Rechtsextremen, Verschwörungsideologen, christlichen Fundamentalisten und Patriarchats-Verteidigern geführt.

Dass es in der CSU durchaus Abneigungen gegenüber Homosexuellen geben könnte, zeigte 2017 auch die Abstimmung im Bundestag zur gleichgeschlechtlichen Ehe. Nach einer emotionalen Debatte stimmten 309 Abgeordnete aus der CDU/CSU-Fraktion ab. 225 von ihnen waren gegen den Gesetzesentwurf, der mehrheitlich vom Parlament angenommen wurde.

Verwendete Quellen
  • Unbeantwortete Anfrage an die CSU Willing und Markus Stigloher
  • Telefonat mit Landtagsabgeordneten Klaus Stötter
  • Statement von Katharina Schulze
  • Statement von Martin Hagen
  • Statement von Landtagskandidatin Martina Thalmayr
  • Stellungnahme von Psychologin Bettina Glöggler
  • Stellungnahme des Netzwerks Rassismus- und Diskriminierungsfreies Bayern
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