t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeRegionalMünchen

Bayern: Skigebiete bangen um Zukunft – droht Skibetrieb das Aus?


Skigebiete bangen um Zukunft
"Ohne Beschneiung kommt man künftig nicht mehr aus"

Max Wochinger

04.11.2023Lesedauer: 5 Min.
Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Schneearme Winter wie hier am Draxlhang im Skigebiet Brauneck (Archivbild) bedrohen vielerorts die Zukunft des Skibetriebs.Vergrößern des Bildes
Schneearme Winter wie hier am Draxlhang im Skigebiet Brauneck (Archivbild) bedrohen vielerorts die Zukunft des Skibetriebs. (Quelle: IMAGO / CHROMORANGE/imago images)

Die Bedingungen für Wintersport in den Alpen werden immer schlechter. Droht dem Skibetrieb in Bayern in Zukunft gar das komplette Aus?

Aus und vorbei: Der Skibetrieb am österreichischen Dachstein-Gletscher wurde im März für immer eingestellt. Die Schlepplifte am höchsten Berg der Steiermark sind mittlerweile abgebaut. Eine Schreckensnachricht für alle Fans des Pistenklassikers. Die Schneedecke auf 2.700 Metern war in den vergangenen Jahren immer dünner geworden, das Ende des Skibetriebs nur eine Frage der Zeit.

Das lenkt den Blick auch auf die bayerischen Skigebiete: Welcher Berg muss als nächster seinen Betrieb einstellen? In der vergangenen Skisaison standen Hunderte Lifte in den Alpen still. Es schneite einfach zu wenig und es war viel zu warm. Im Skigebiet Brauneck war die Piste im Januar für knapp zwei Wochen stillgelegt, die traurigen Bilder von den grünen Wiesen und dem schmalen Schneestreifen gingen durch ganz Deutschland.

Bedingungen in den Alpen immer schlechter

Die Betreiber verzeichneten rund ein Drittel weniger Skifahrer als in der Vorjahressaison. "Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen", sagt Bergbahnen-Geschäftsführer Stefan Schnitzler über die vergangene Saison. Der Gewinn sei "überschaubar" gewesen, der schlechte Umsatz konnte nur bedingt mit dem Sommergeschäft aufgefangen werden. "Wir sind aber nicht am Pleitegehen", stellt der 44-Jährige klar. Schneearme Winter habe es auch vor 30 Jahren gegeben. Doch in den vergangenen Saisons hätten sie sich gehäuft. "Wir haben schon Angst, dass die Skitouristen in Zukunft nicht mehr zu uns kommen. Das lässt sich auch nicht verhindern."


Quotation Mark

"Je niedriger das Skigebiet, desto wärmer ist es und desto schwieriger wird es für die Bergbahnen, den Betrieb aufrechtzuerhalten."


Klimaforscher Harald Kunstmann


Die Bedingungen für den Wintersport in den Alpen werden immer schlechter, sagt der Augsburger Klimaforscher Harald Kunstmann. Es fällt einfach immer weniger Schnee und die Temperaturen steigen. "Das Problem haben alle Skigebiete, weil in den Bergregionen die globale Erwärmung besonders stark ist. Weltweit liegt die Erderwärmung bei 1,1 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau. Im Alpenraum sind es bereits zwei Grad."

Seine neuesten Forschungen würden zeigen, dass es bis 2050 in Südbayern und im Ost-Alpenraum in den hohen Lagen nochmals drei bis vier Wochen weniger Schneebedeckung geben werde als in den vergangenen 30 Jahren. Dies hätte gravierende Folgen für den Skibetrieb. Besonders betroffen vom Klimawandel seien Skigebiete unter 1.500 Metern. Also Berge wie das Brauneck mit seinem 1.555 Meter hohen Gipfel. "Je niedriger das Skigebiet, desto wärmer ist es und desto schwieriger wird es für die Bergbahnen, den Betrieb aufrechtzuerhalten."

Ohne Kunstschnee geht es nicht mehr

Immerhin ist der Skibetrieb auch mit Kunstschnee möglich. "Man ist heute in der Lage, in ein bis zwei Nächten ganze Skigebiete zu beschneien. Das ist aber technisch sehr aufwendig und extrem teuer. Die Frage ist eher, welche Skigebiete sich das leisten können und wollen", sagt Kunstmann. Fest steht aber: "Ohne Beschneiung kommt man künftig nicht mehr aus."

Brauneckbahn-Betreiber Schnitzler erklärt, dass die hohen Energiekosten "die Sache" nicht einfacher machen würden. "Die Kosten mussten wir zum Teil an die Gäste weitergeben." Die Preise für die kommende Saison hätten sich um drei bis vier Prozent erhöht. "Gefühlt fahren die Leute jetzt bewusster in den Urlaub oder ins Wochenende."

Neben viel Strom braucht man für die Produktion von Kunstschnee nur Wasser und Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt. Aber selbst in den Wintermonaten sind die manchmal so hoch, dass nicht mehr beschneit werden kann – wie in der vergangenen Saison. Klimaforscher Kunstmann und andere Experten gehen davon aus, dass sich der Skisport weiter in höhere Lagen nach Österreich und in die Schweiz verlagern wird.

Zukunft des Skifahrens an der Zugspitze ungewiss

Das ist schon heute der Fall. Je höher die Skigebiete liegen, desto kälter ist es – und desto länger kann der Anstieg der Temperatur abgefedert werden, sagt Kunstmann. Doch selbst der Schneeferner, einer der beiden übrig gebliebenen Zugspitzgletscher auf über 2.500 Metern, ist kein Garant mehr fürs Skifahren. Durch das Abschmelzen verändert sich die Hangneigung des Gletschers: Das Gelände oben wird steiler und unten flacher, weil der Gletscherrücken an Höhe verliert, erklärt Verena Tanzer, Sprecherin der Zugspitzbahn.

Die Abfahrt ist als blaue Piste klassifiziert. Ob das so bleibt, ist wegen der Versteilung des Gletschers offen. Und wie lange auf dem Schneeferner noch Skifahrer mit dem Schlepplift transportiert werden können, ist ebenfalls unklar. Fest steht aber, dass künftig weniger Schnee fällt, die Temperaturen steigen und die Gletscher schmelzen: Soll man bei diesen Aussichten noch in den Skibetrieb investieren?

Wirtschaftsministerium fördert Modernisierung von Bahnen

Zumindest der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hält an den Skigebieten fest. Sein Ministerium fördert die Modernisierung von Seilbahnen in kleinen Skigebieten – allerdings nur, wenn ein Konzept für die ganzjährige Nutzung vorliegt. Gefördert werden aber auch Schneekanonen für den reinen Skitourismus. Der Fördertopf für das kommende Jahr beträgt zehn Millionen Euro – sofern der bayerische Haushalt in der jetzigen Form verabschiedet wird.

Seit Erlass der Förderrichtlinie 2009 wurden bis zum vergangenen Jahr Mittel von mehr als 91 Millionen Euro bewilligt. Ein Förderprojekt des Freistaats war das Sudelfeld, eines der größten Skigebiete in Bayern. Hier wurden zwei Sesselbahnen erneuert, die Beschneiungsanlage erweitert und ein neuer Speichersee gebaut. Auch ein Snowpark wurde angelegt. Aufwendige Maßnahmen für ein Gebiet unterhalb von 1.500 Metern.

Vor allem gegen den Bau des Speichersees und der Beschneiungsanlagen gab es damals heftige Proteste, etwa vom Bund Naturschutz oder vom Alpenverein. Konkret ging es um den Wasser- und Energieverbrauch sowie den Eingriff in die Natur. Ein weiteres Beispiel ist der Jenner im Berchtesgadener Land. Zwischen 2016 und 2019 wurden dort die Anlagen im Ski- und Wandergebiet erneuert, "was nahezu einer kompletten Sanierung des gesamten Gebietes entsprach", heißt es in einem Evaluierungsbericht der bayerischen Förderrichtlinie 2022.

Bahnbetreiber müssen künftig umdenken

Darin steht: "Mit Blick auf die Zukunft möchten die Betreiber der Bahnen am Jenner mit den Investitionen ausdrücklich zum Erhalt des Skibetriebs und damit zur Sicherung des alpinen Skisports in der Region beitragen. Die Förderung aus der Seilbahn-Richtlinie sei dafür essenziell gewesen." In vielen anderen Alpenregionen haben die Bergbahnen bereits umgedacht und sich auf Wander- oder Kulturtouristen konzentriert.

Loading...
Loading...
Loading...

Im schweizerischen Ernen etwa wurde ein stillgelegter Lift abgebaut, stattdessen ein Naturpark eingerichtet und Wanderwege ausgebaut. Die Übernachtungszahlen seien jetzt wieder auf dem Niveau der Spitzenzeiten des Skibetriebs, nur über das gesamte Jahr verteilt, berichten die Betreiber. Auch in Garmisch-Partenkirchen versucht man neue Wege zu gehen: Wenn in schneearmen Wintern die Skipisten nicht geöffnet sind, werden Fußgänger-Angebote geschaffen, sagt Zugspitzbahn-Sprecherin Tanzer.

Das war in der vergangenen Saison der Fall: Die vierte Talabfahrt im Gebiet Garmisch-Classic war für Skifahrer geschlossen – stattdessen wurden Winterwanderwege präpariert. "In diese Richtungen muss man flexibel weiterdenken und sich den äußeren Gegebenheiten anpassen."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website