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München: "Flowers of Manchester" – 66 Jahre nach dem Flugzeugunglück


"Flowers of Manchester"
Was bleibt 66 Jahre nach der Flugzeugkatastrophe?

Von Sara Guglielmino

Aktualisiert am 08.02.2024Lesedauer: 4 Min.
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Auf dem Gedenkstein erinnert ein Fußballfeld an das Unglück.Vergrößern des Bildes
Auf dem Gedenkstein erinnert ein Fußballfeld an das Unglück. (Quelle: Sara Guglielmino)

1958 explodierte ein Charterflugzeug mit der Fußballmannschaft Manchester United am Flughafen München-Riem. Fans und Freunde reisen dafür bis heute jährlich in die Stadt.

Kaum etwas erinnert an diesem Dienstag in München Trudering an eine große Flugzeugkatastrophe, die vor 66 Jahren den Fußballsport erschütterte. Der Flughafen München-Riem wurde inzwischen längst zur Messehalle umfunktioniert, seit den 90er-Jahren starten dort schon keine Flugzeuge mehr. Am Stadtrand reihen sich die Einfamilienhäuser.

Doch mittendrin: Der Manchesterplatz, eine kleine Wiese mit einem für München ungewöhnlichen Namen. An diesem Dienstag sind die Hecken schon am Vormittag mit rot-schwarzen Bannern beklebt, die Taxis mit Besuchern halten im Minutentakt, und im Hintergrund wird Englisch gesprochen. Ein Stein erinnert an das Unglück: darauf ein Fußballfeld und die Namen der 23 Menschen, die ihr Leben dabei verloren haben. Inzwischen nennt man sie die "Flowers of Manchester".

23 der 44 Passagiere starben – die "Flowers of Manchester"

Am 6. Februar 1958 explodierte in München-Riem ein Flugzeug der British European Airways. Darin befand sich die britische Fußballmannschaft Manchester United samt Begleitpersonal, Fans und Sportjournalisten. Man nannte die Spieler auch "Busby Babes", eine Anspielung auf ihren Trainer Matt Busby und ihr ungewöhnlich junges Alter: 23 Jahre im Durchschnitt. 23 der 44 Passagiere riss das Flugzeug mit in den Tod, die anderen wurden verletzt.

Die Spieler waren gerade mit dem Flug 609 auf dem Rückweg von Belgrad. Dort hatten sie am Vortag ein Europapokalspiel gegen den jugoslawischen Gegner gewonnen. In München sollte das Flugzeug lediglich zum Tanken zwischenlanden, danach sollte es wieder in Richtung Manchester abheben. Doch so weit sollte es nicht kommen.

Beim dritten Startversuch kam das Flugzeug von der Startbahn ab

Der Pilot stellte ungewöhnlichen Druck in den Motoren der Maschine fest, zweimal brach er den Start deshalb ab. Das Flugzeug wurde evakuiert, doch nur wenige Minuten später entschied sich die Crew für einen neuen Versuch. Um 15.03 Uhr rollte das Flugzeug mit gleichmäßig laufenden Motoren noch einmal auf die Startbahn, nur eine Minute später kam es zur Katastrophe.

Die Maschine verlor unerwartet an Geschwindigkeit, zum Bremsen blieb kein Platz. Das Flugzeug kam daraufhin von der Startbahn ab, durchbrach den Zaun des Flughafens und krachte mit einem Flügel in ein Wohnhaus. Das Heck wurde abgerissen und geriet in Brand, der Rest stürzte gegen eine Holzgarage voller Benzin. Die Maschine explodierte.

Fans kommen aus aller Welt – auch ein guter Freund der Spieler

Das Unglück erschütterte die Fußballwelt. Fluggesellschaft und Flughafen schoben einander die Schuld zu, bis irgendwann klar wurde: Der Schneematsch war es, der die Maschine letztendlich am Beschleunigen gehindert hatte. 2004 stellte die Stadt München den Gedenkstein in Trudering auf, 2020 kam eine Vitrine mit Blumen, Briefen, Fotos und Trikots dazu. Seit 2008 trägt der Ort den Namen Manchesterplatz.

Letztes Jahr, am 65. Jahrestag der Tragödie, war der Platz voll: Es kamen Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und der ehemalige Kapitän von Manchester United, Bryan Robson. Nach zwei Jahren Pandemie wurde die Vitrine eingeweiht.

Was bleibt nun, ein Jahr nach der großen Feier und 66 Jahre nach der Tragödie? Joe Glanville zum Beispiel. Er trägt eine rot-weiß-schwarze Mütze, darauf der Schriftzug "United". Er ist einer von Dutzenden Menschen, die sich am Dienstagvormittag am Gedenkstein versammelt haben. Glanville kommt aus Malta, mit seinen fast 80 Jahren ist einer der Ältesten, das Laufen fällt ihm schon schwer.

Aber es war ihm wichtig zu kommen, sagt er, das sei das zehnte Mal in Folge. Viele der verstorbenen Spieler waren seine Freunde, erzählt er, "manche haben zum Glück überlebt". Jedes Jahr fliegt Glanville Anfang Februar nach München, bleibt höchstens ein paar Tage und fliegt wieder zurück. Für ihn ist das zur Tradition geworden. Stolz erzählt er, wie bei ihm zu Hause in Malta der älteste Manchester-United-Unterstützerclub gegründet wurde, nicht mal ein Jahr nach der Flugzeugkatastrophe.

Redpath erinnert sich an den Tag der Explosion

Am Gedenkstein stehen zwei weitere Männer: der 80-jährige David Redpath und sein Freund Carl Brown. Sie sind zum ersten Mal in München, eigentlich kommen sie aus dem Nordosten Englands, inzwischen wohnen sie aber in Spanien. Mit Manchester United hatte Brown nie viel zu tun, erzählt er. Vielmehr sei er heute da, um seinen Freund David zu unterstützen. "Ich war ein riesiger Fan", sagt dieser, "ich war 14, als ich von der Katastrophe hörte".

Redpath erzählt, wie er am Tag zuvor noch das Spiel in Belgrad verfolgt hatte, er erinnert sich noch genau an das Ergebnis: 3:3. Einen Tag später kam er aus der Schule, an der Ecke habe der Zeitungsverkäufer gestanden. Von Weitem schon habe er die Schrift "Manchester" auf der ersten Seite erkennen können. So hat er von dem Unfall erfahren.

Immer wieder müssen die beiden Männer von dem Gedenkstein wegrücken, es werden Fotos geschossen und Blumen abgelegt. Die Menschen umarmen sich. Pünktlich um 15.03 Uhr wollen sich die Fans vor dem ehemaligen Flughafen treffen und sich zusammen erinnern. Sie wollen nicht vergessen.

Verwendete Quellen
  • Reporterin vor Ort
  • Eigene Recherche
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