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Trotz Corona-Ausbruch: Die Münchner stürmen das Alpenvorland


"Es wird immer mehr"
Die Münchner stürmen das Alpenvorland

Von Patrick Mayer

Aktualisiert am 23.02.2021Lesedauer: 3 Min.
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Der Schliersee: Bis zu 10.000 Besucher strömten für eine Corona-Auszeit an den See.Vergrößern des Bildes
Der Schliersee: Bis zu 10.000 Besucher strömten für eine Corona-Auszeit an den See. (Quelle: Patrick Mayer)

Schliersee, Spitzingsee, Tegernsee – aus München strömen Zehntausende Touristen für eine Verschnaufpause von Corona in die Berge. Viele Einheimische sind genervt und das Problem könnte noch viel größer werden.

Ein grünes Tal, umgeben von idyllischen Bergen, mit einem malerischen See in der Mitte. Wenn Franz Schnitzenbaumer von seiner Heimat spricht, vergleicht er diese gerne mit einem Paradies. Wer sich von München aus parallel zur Autobahn 8 über die Bundesstraße 307 vorarbeitet, hat sie irgendwann vor sich: eine Landschaft wie ein Gemälde, den Schliersee.

Sorgen am Schliersee und Tegernsee

Doch die Menschen in diesem Paradies plagen Sorgen. "Im Moment ist es so, dass viel, viel mehr Ausflugsgäste kommen. Der Großraum München möchte natürlich in die Berge", erzählt Schnitzenbaumer im Gespräch mit t-online.

Der Bürgermeister der Gemeinde Schliersee, ein resoluter Endfünfziger, redet ohne Umschweife. Das Bedürfnis der Münchner nach einer Verschnaufpause sei gewaltig in der Corona-Krise. Doch das sorge seit Monaten für reichlich Ärger.

Auf Social Media lieferten sich Einheimische aus dem Alpenvorland und die "Stadderer" – die Städter, wie die Münchner auf dem Land genannt werden – verbale Scharmützel. Im Mittelpunkt des Streits: der gewaltige Ansturm aus der bayerischen Landeshauptstadt mit ihren 1,56 Millionen Einwohnern. Schliersee, Tegernsee, Starnberger See, Kochelsee und Walchensee – von überall kommen dieselben Alarmsignale: Wir sind voll, mehr geht nicht, heißt es.

"Früher sind viele nach Österreich oder Südtirol gefahren. Das ist im Augenblick kaum möglich. Darum sind bei uns viel, viel mehr Gäste. Jetzt, in diesen Pandemiezeiten, haben wir keine ausreichende Infrastruktur", erklärt Schnitzenbaumer mit Blick auf seinen Schliersee.

Zehntausend Besucher am Schliersee

Die Gastronomie musste wegen der Corona-Regeln schließen, doch der Strom an Outdoorsportlern, Wanderern und Ausflüglern wächst, ob im Winter oder im Sommer. Zehntausend sind es an Spitzentagen in Schliersee (rund 6.500 Einwohner), rechnet Schnitzenbaumer vor, zusätzlich bis zu 30.000 im benachbarten Tegernseer Tal.

Verkehr, Parkplätze, Toilettensituation, Abfallentsorgung, Umweltschutz – all das sei überlastet. "Man darf unser regionales Krankenhaus Agatharied nicht vergessen. Zuletzt hatten wir an einem Tag sechs zusätzliche Unfälle durch Schlittenfahrten, Skitouren und Stürze. Knöchelbrüche, Handgelenksbrüche und Schlüsselbeinbrüche zählt er auf: "All das passiert. Das Krankenhaus arbeitet am Anschlag, ist durch Corona ohnehin schon ausgelastet, planbare Eingriffe wurden abgesagt", erzählt Schnitzenbaumer: "Und sowohl bei den Krankenpflegern als auch unter den Ärzten hatten wir Corona-Infektionen."

Viele kommen unerfahren in die Berge

Dennoch: Manche Wanderer und Freizeitsportler kämen schlicht unerfahren in die Berge, sagt der Rathauschef: "Einzelne verhalten sich unvernünftig. Die kriegen an Weihnachten eine Skitourenausrüstung und sind gleich in den Bergen unterwegs, kennen keine Regeln, keine Lawinenwarnsituation, beachten nicht, dass es Lebensraum für Tiere wie Rotwild ist. Und dann stehen sie oben, und kommen nicht mehr runter, weil sie noch nie im Tiefschnee gefahren sind."

Es sei ein Problem, mit diesen Massen umzugehen. Und die Einheimischen? Sind teils genervt. "Wenn ich irgendwo wohne, und am Wochenende ist es dort plötzlich voll, gefällt das manchen nicht", sagt Schnitzenbaumer und beschwichtigt: "Wir leben in einer schönen Gegend, und ein Großteil unserer Wirtschaftskraft kommt aus dem Tourismus."

Dieses Argument reicht aber offensichtlich nicht jedem. In Miesbach, der nahen Kleinstadt (12.000 Einwohner), durch die sich die Blechlawinen schlängeln, stand unlängst ein provokatives Schild am Straßenrand. Darauf zu sehen: ein Stinkefinger neben einem Münchner Kennzeichen, mit der Botschaft (in Bayerisch und Hochdeutsch): "Wir wollen euch nicht." Der Aufschrei war riesig. Die Zweite Bürgermeisterin von München, Katrin Habenschaden (Die Grünen), berief eilig eine Videokonferenz mit Bürgermeistern aus der Region ein, um die Wogen zu glätten.

Schnitzenbaumer erwartet den nächsten Besucheransturm in den warmen Monaten. Maßnahmen sind beschlossen. So werde es eine strikte Parkplatzüberwachung geben, die Parkgebühren werden erhöht und zur Not Fahrzeuge rigoros abgeschleppt, erzählt er. Es seien eben "auch Leute darunter, die mit ihrem Auto einfach in eine gesperrte Straße fahren oder es vor eine Einfahrt stellen, weil sie eineinhalb Stunden im Stau gestanden sind. Das sorgt für Ärger".

"Es wird immer mehr"

"Es wird immer mehr werden. München und die umliegenden Landkreise, das sind drei Millionen Einwohner. Auch das Umland wächst", meint Schnitzenbaumer und übt Kritik: "Ich verstehe ehrlich gesagt die Politik der Stadt München nicht." Die Infrastruktur in München sei schon jetzt am Anschlag.

Von München erwartet Schnitzenbaumer "vieles, dass die Landeshauptstadt ihre unmittelbaren Naherholungsgebiete nicht aufgibt". Zudem schlägt er eine Besucherlenkung vor. Bergsteigerbusse, die Tagestouristen vom Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) tiefer ins Gebirge fahren, seien in Planung.

Verwendete Quellen
  • "muenchen.de": Demografiebericht München
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