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München: Gastro-Öffnung – droht den Wirten ein Lockerungs-Desaster?


Gastro-Öffnungen in Kritik
"Das ist eine Farce" – droht Wirten ein Lockerungs-Desaster?


14.05.2021Lesedauer: 4 Min.
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Trotz Corona-Lockerungen keine Perspektive: Die Münchner Kult-Wirte Holger "Holle" Britzius (li.) und Michael "Michel" Jachan im "Stadion an der Schleißheimer Straße".Vergrößern des Bildes
Trotz Corona-Lockerungen keine Perspektive: Die Münchner Kult-Wirte Holger "Holle" Britzius (li.) und Michael "Michel" Jachan im "Stadion an der Schleißheimer Straße". (Quelle: Andreas Gebert)

In München sperrt nach über einem halben Jahr Corona-Lockdown die Außengastronomie auf. Doch statt Erleichterung herrscht bei Wirten Verunsicherung, Verzweiflung und Frust ob der neuen Covid-19-Regeln. Die Kritik an der Stadt und dem KVR sind trotz Lockerungen gewaltig.

Die Wände hängen voll mit Retro-Trikots. In der letzten Reihe sind fürs Public Viewing echte Sitze aus der Allianz Arena montiert. Sogar einen Stehplatzbereich neben dem Tresen gibt es im "Stadion an der Schleißheimer Straße". Holger "Holle" Britzius und Michael "Michel" Jachan sind mit ihrer Fußball-Kneipe eine Institution in der Münchner Maxvorstadt.

Doch seit über einem halben Jahr sind die Stadiontore zu. Coronavirus-Pandemie, zweiter Lockdown, nichts geht mehr. Von den Lockerungen, die in der bayerischen Landeshauptstadt ab diesem Mittwoch in Kraft treten, haben die beiden erst mal nichts.

Bayern lockert für die Gastronomie – doch in München herrscht Frust

"Natürlich ist der Frust groß. Nicht nur die finanzielle Belastung, die Unsicherheit, ob wir diese Krise überleben, und die mangelnde Perspektive sind schlimm", erzählt der 51-jährige Jachan, der sich, eigentlich Jurist, mit der Kneipe einen Lebenstraum erfüllt hat. Aufmachen darf in München bei einer sinkenden Sieben-Tage-Inzidenz (78, Stand Dienstag) aber nur die Außengastronomie, bis 22 Uhr, unter strengen Covid-19-Regeln.

"Fair ist seit Beginn der Corona-Krise ehrlich gesagt überhaupt nichts", sagt der 45-jährige Britzius zu t-online. Denn: Sie haben weder eine Terrasse noch ist die Schleißheimer Straße eine 30er-Zone, weswegen sie keinen Schanigarten in den Parkbuchten aufbauen dürfen. Die bei vielen Einwohnern beliebten Ausschankflächen hatte die Stadt München gerade noch rechtzeitig genehmigt, nachdem die Inzidenz in der Millionen-Metropole plötzlich rasant fiel.

München in der Corona-Krise: Tausende Menschen im Englischen Garten und an der Isar

"Was wir überhaupt nicht verstehen können, ist, dass sich im Englischen Garten oder an der Isar seit Wochen unkontrolliert Tausende Menschen versammeln, die Gastronomie mit ihren Hygienekonzepten aber geschlossen bleiben musste", meint Jachan. Dass sie als Gesellschafter seit Monaten "keinen Cent bekommen haben, ist schlichtweg brutal. Von den Studenten und anderen 450-Euro-Kräften reden wir besser gar nicht erst", sagt Britzius und versteht nicht, warum die Gastronomie in Bayern "mit Reservierungen und entsprechender Platzierung" nicht innen bewirten darf.

"Stattdessen macht man der Uefa Versprechungen, damit man die vier Spiele in der Arena nicht verliert", kritisiert Jachan und verweist auf die Partien der Fußball-EM 2021 zwischen dem 15. Juni und 2. Juli in München: "Das ist beim besten Willen wirklich nicht das größte Problem, das wir in Deutschland haben!" Zur Einordnung: Der Freistaat Bayern hatte der Uefa eine Mindestkapazität von 14.500 Zuschauern pro Partie zugesichert, als noch nicht klar war, wie es mit der Gastro weitergeht.

"Es ist eine Farce, dass die Regierung hier Versprechungen macht, während Theater und Kinos, Kneipen und Clubs immer noch keine wirkliche Perspektive haben", meint Jachan. Dass sie nicht aufstecken, hätten sie ihren Stammgästen zu verdanken, erzählen sie. So würden zum Beispiel zwei Fans stets den Betrag überweisen, den sie üblicherweise bei TV-Übertragungen ihres Teams in der Kneipe ausgeben. Die Maxvorstädter sind in ihrer Wut nicht allein.

Neue Covid-19-Regeln sorgen für Verunsicherung

Auch im szenigen Glockenbachviertel ist trotz der Lockerungen Verunsicherung greifbar. "Wenn wir eins gelernt haben in dieser Zeit, ist es, dass wir uns auf das Wort der Politiker nicht verlassen können. Die Gefahr, wieder geschlossen zu werden, wieder Lebensmittel wegwerfen zu müssen, ist zu groß", sagt Arabella Hellmann (37 Jahre), Mitinhaberin des Cafés "Mucki & Floyd" zu t-online: "Wir werden erst mal nur einen Teil der Terrasse zum Hinsetzen aufmachen und Essen und Drinks to go anbieten."

Sie stört, "dass es an der Isar oder am Gärtnerplatz egal ist, ob du einen Corona-Test gemacht hast, oder ob du geimpft bist. Unmengen an Menschen treffen sich dort unkontrolliert im Freien", erzählt sie und kritisiert: "Es wäre die Verantwortung der Stadt, das zu kontrollieren. Schafft München das? Nein! Warum müssen wir was schaffen, wo die Stadt selbst versagt?"

Ihre Schwester Helena (29), die Wirtin, erzählt von unschlüssigen Öffnungsregeln. Ein Beispiel: Wenn an einem Tisch mehr als ein Haushalt zusammenkommt, müssen alle einen beglaubigten negativen Corona-Test mitbringen. "Wer soll das noch kontrollieren können?", fragt sie. "Wir wissen nicht, worauf wir achten müssen. Normalerweise dürfen wir keine persönlichen Daten wie Personalausweise kontrollieren. Welche Tests sind gültig? Dürfen wir vor Ort Selbsttest machen? Keiner kann es sagen!", sagt Helena Hellmann.

Sie fühlt sich schlecht informiert. Auch bei den Vorgaben für die Schanigärten herrsche ein blankes Durcheinander. "Das bringt mich wirklich zur Verzweiflung, so viel unkoordiniertes Vorgehen einer Behörde ist unglaublich!", meint sie mit Blick auf das zuständige Kreisverwaltungsreferat (KVR).

Große Panne vor den Lockerungen in der Gastronomie

Szenenwechsel. Rund 1,3 Kilometer weiter tummeln sich normalerweise zu Tausenden die Touristen an der Frauenkirche. Gregor Lemke hat dort seinen "Augustiner Klosterwirt", ein typisches Münchner Wirtshaus, in dem es sonst nach frisch gezapftem Bier und reschem Schweinsbraten duftet. Der Vorstand des Vereins "Münchner Innenstadtwirte" hadert mit einer behördlichen Panne: Die Stadt hatte den Dienstag als Start für Gastro-Öffnungen kommuniziert, da legte das bayerische Gesundheitsministerium kurzerhand den Mittwoch fest.

Dabei sei "unser (digitaler) Reservierungsmanager vollgelaufen. Viele Kollegen hatten für Dienstag geplant", erzählt Lemke t-online. Seiner Meinung nach sei viel zu spät entschieden worden. "Wir machen ja nicht den Schrank auf und holen unsere Mitarbeiter raus", schildert er von schwierigen Planungen. Zu den vorgeschriebenen Corona-Regeln gebe es dagegen "Hunderte Fragen": So sei ihm nicht klar, wie er mit Geimpften zu verfahren habe, "ob sie registriert werden müssen. Viele werden damit überfordert sein, sowohl Gäste als auch Gastronomen".

Die Frage nach dem Wieso und Warum hätten er und sein Team jedoch "abgeschafft. Du bekommst einen Vogel, wenn du das nachvollziehen willst", sagt der Wirt, "wenn du dich fragst, ob das noch gesunder Menschenverstand ist".

Verwendete Quellen
  • Gespräche mit Holger Britzius und Michael Jachan,
  • Arabella und Helena Hellmann,
  • Gregor Lemke, Vorstand Münchner Innenstadtwirte
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