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Putin-Freund: Rebellion gegen Oligarch am Tegernsee


Milliardenschwerer Kreml-Freund
Putins Oligarch am Tegernsee "kauft, wie es ihm gefällt"

InterviewVon Patrick Mayer

Aktualisiert am 12.03.2022Lesedauer: 4 Min.
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Alischer Usmanow residiert am Tegernsee. Die Bewohner der Region protestieren nun gegen ihn.Vergrößern des Bildes
Alischer Usmanow residiert am Tegernsee. Die Bewohner der Region protestieren nun gegen ihn. (Quelle: pa images/Action Pictures/Imago)

Der russische Oligarch Alisher Usmanow hat Ärger in Bayern. Eigentlich residiert er hier in mehreren Häusern am idyllischen Tegernsee. Doch nun rebellieren die Einheimischen. Mit welchen Folgen?

Ein russischer Oligarch, mit besten Kontakten zu Kremlchef Wladimir Putin, residiert am Tegernsee. Alischer Usmanow, Milliardär, wohnt in Rottach-Egern am Südende des Sees. Zu seinem Firmenimperium gehören der größte Eisenproduzent Russlands, aber auch einige Zeitungen und Fernsehsender.

Ende Februar ließ die Europäische Union Usmanows Vermögen in Europa einfrieren – eine Sanktion nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine. Jahrelang hatten sich die Tegernseer mit dem Oligarchen arrangiert. Angesichts der Berichte aus der Ukraine hatten die Einheimischen dann genug – sie gingen gegen den Krieg auf die Straße. Samt Botschaften an Usmanow.

Grünen-Politiker Thomas Tomaschek, einer der Organisatoren, stört sich nicht nur an Usmanow, weil der engen Kontakt zum russischen Diktator Wladimir Putin hat, wie er im Interview mit t-online erklärt. Schwerreiche Zugezogene aus der Fremde sind für ihn auch in Friedenszeiten ein Problem – im Krieg könnten sie ihren Einfluss aber nutzen, hofft er.

t-online: Herr Tomaschek, Sie haben mit Alischer Usmanow einen Oligarchen-Freund Wladimir Putins am Tegernsee sitzen. Was will der hier?

Thomas Tomaschek: Er hat hier seine Villa und direkt am See in Rottach-Egern drei Häuser. Top-Lage! Wir wussten natürlich, dass es sich bei ihm um einen russischen Oligarchen handelt, der irgendwas mit Wladimir Putin, Öl und Gas zu tun hat. Die vergangenen Jahre haben wir uns im Tegernseer Tal nicht groß daran gestört. Jetzt hat sich die Sache aber natürlich gedreht. Letzte Woche hatten wir deshalb eine Demonstration.

Mit welchem Ziel?

Wir haben zwei Botschaften: Zum einen, dass wir gegen den Krieg sind. Die zweite Idee war, auf diesen Menschen Druck auszuüben, damit er seinen Einfluss bei Putin nutzt. Er gehört ja offenbar zum engsten Putin-Kreis. Unsere Botschaft an ihn lautet: Versuche irgendwie, Putin umzusteuern oder zu isolieren, verbünde dich mit deinen Oligarchen-Kollegen gegen ihn.

Der Miesbacher CSU-Landrat Olaf von Löwis brachte im Gespräch mit der "Bild" sogar eine mögliche Enteignung ins Spiel.

Für mich und viele andere Leute im Tal ist es unerträglich, dass Herr Usmanow einfach ignoriert wird. Und dass sich Deutschland nicht politisch gegen ihn positioniert. Wir am Tegernsee haben eine Botschaft gesandt. Er steht auf der Sanktionsliste der Europäischen Union. Eine Enteignung wäre ein rechtliches Mittel, wenn auch mit hoher juristischer Hürde. Aber: Denken wir mal an den Landwirt, dem für den Wege- und Straßenbau sein Feld weggenommen wird. Mir persönlich wäre das Mittel der Enteignung recht, wenn es etwas bewirkt und ein Herr Usmanow damit merkt, dass er auf der falschen Seite steht.

Zwischen München, Starnberger See und Tegernsee haben sich etliche reiche Investoren niedergelassen, die aber öffentlich kaum in Erscheinung treten. Wie ist es bei Herrn Usmanow – lebt auch er zurückgezogen?

Absolut zurückgezogen. Die Einheimischen merken nur, dass er gerade da ist, wenn die Securitys rund um das Grundstück verstärkt werden. Er hat auf dem Anwesen alles, was er braucht, lässt sich die Sachen notfalls aus München bringen. 99 Prozent der Tegernseer haben ihn noch nie gesehen. Einen Uli Hoeneß vom FC Bayern treffen Sie mal beim Einkaufen bei Edeka, oder ein Manuel Neuer läuft Ihnen über den Weg. Aber dieser Mensch ist völlig unsichtbar."

Schwerreiche Zugezogene wie Usmanow treiben die Immobilienpreise am Tegernsee in schwindelerregende Höhen, sodass sich die Einheimischen dem Vernehmen nach kaum noch etwas leisten können. Wie fühlt sich das an?

Man kann nicht mehr mithalten, das geht schon seit über 30 Jahren so. Ein Herr Usmanow hat wahnsinnig Geld und kauft, wie es ihm gefällt. Dadurch steigen die Bodenrichtwerte, nach denen die Grundstückssteuer bemessen wird. Manche Grundstücke werden gekauft und stehen drei, vier Jahre leer. Oder werden um 40 Prozent teurer weiterverkauft. Es ist, wie wenn Heuschrecken alles abgrasen. Das ist für uns Einheimische eine Katastrophe. Die Jugend wird verdrängt, weil sie sich keinen Wohnraum mehr leisten kann. Wenn sie eine vernünftige Wohnung für eine Familie kaufen wollen, reicht eine Million Euro nicht aus.

Frustrierend?
Die reichen, vermögenden Leute kaufen sich hier etwas für ihren Lebensabend, damit sie zum Beispiel auf die traditionellen Waldfeste gehen können. Aber: Wer macht die Waldfeste? Die Vereine, die einheimische Jugend! Und wenn diese Leute verdrängt werden, wird es irgendwann keine Waldfeste und kein bayerisches Brauchtum mehr hier geben. Klar: Die Handwerker haben volle Auftragsbücher, ein Herr Usmanow zahlt Steuern für den Zweitwohnsitz. Aber, wenn das dann ein Putin-Freund ist, der in Saus und Braus lebt, kann man sich schon mal distanzieren. Ich fände es unerträglich, wenn der hier weiter entspannt seinen Urlaub macht. Nur das Geld zu nehmen, wäre scheinheilig.

Die Bundespolitik soll Schritte gegen Usmanow erwägen, insbesondere was seine riesige Jacht in Hamburg betrifft. Diese liegt dort vor Anker. Welche Forderungen haben Sie vom Tegernsee aus an Berlin?

Vermögen einfrieren. Zahlungsvorgänge nicht mehr ermöglichen. Die Jacht in Hamburg beschlagnahmen. Vieles geht wohl über Strohmänner, was man so liest. Herr Usmanow wird am Tegernsee kaum im Grundbuch stehen. Trotz der Verschleierung würde ich mir wünschen, dass diesen Leuten auf die Schliche gekommen wird und die Sanktionen als hartes Schwert funktionieren.

Zur Person: Thomas Tomaschek ist Sprecher des Grünen-Ortsverbandes Tegernseer Tal, Fraktionsvorsitzender im Kreisrat Miesbach und Gemeinderat in Rottach-Egern. Gemeinsam mit anderen Initiatoren organisierte er zuletzt eine Demonstration gegen Putin-Freund Alischer Usmanow, die bundesweit Aufsehen brachte.

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