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Werder Bremen: Die fetten Jahre sind vorbei


2. Bundesliga
Die fetten Jahre für Werder Bremen sind vorbei

Von t-online
Aktualisiert am 10.04.2012Lesedauer: 4 Min.
Marko Marin (re.) und Mehmet Ekici stehen sinnbildlich für Werders sportliche Stagnation.Vergrößern des BildesMarko Marin (re.) und Mehmet Ekici stehen sinnbildlich für Werders sportliche Stagnation. (Quelle: imago-images-bilder)
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Eine Kolumne von Jonny Giovanni

Fans von Werder Bremen kommen momentan nur schwer ohne nostalgische Gefühle aus. Zum Beispiel vorigen Donnerstag: Da gastierte Diego unweit der Weser, in Hannover – in jenem Stadion, wo er am ersten Spieltag der Saison 2006/07 bei einem 4:2 der Bremer mit einem Tor und zwei Vorlagen fulminant seine Bundesliga-Karriere begonnen hatte. Auch jetzt lieferte der Brasilianer einen großen Auftritt, seine gestreichelten Pässe leiteten zwei Tore ein und beförderten seine Mannschaft ins Halbfinale der Europa League. Doch seine Mannschaft heißt inzwischen Atletico Madrid.

Werder hingegen wird man so bald wohl nicht mehr spät in der Saison auf europäischer Bühne sehen. Dabei war das bis vor kurzem noch fast Standard. 2007 etwa stand Bremen im Halbfinale der Europa League, 2009 sogar im Finale. Diego verpasste das Endspiel gegen Donezk damals wegen einer zweifelhaften Gelbsperre, und aus heutiger Sicht lässt sich sagen: Diese Tragik ist symptomatisch für eine Werder-Ära, die groß war, aber noch größer hätte sein können. Und die vor allem schon so weit weg scheint.

Goldene Dekade unter Schaaf

Zur Erinnerung: In den 00er-Jahren war Bremen das spannendste, spielstärkste und beliebteste Team Deutschlands. Der offensivste Fußball, das meiste Spektakel. Auch wenn unter der Ägide von zunächst Micoud, dann Diego an harter Silberware nur Meisterschaft und Pokal 2004 sowie der Pokal 2009 heraussprangen. Oder gerade deshalb: Werder wurde von allen geliebt, für die Fußball mehr ist als das nackte Ergebnis. Popularitätsumfragen sahen Grün-Weiß noch vor den Bayern, die Mitgliederzahl explodierte von 3000 auf 40.000 und wenn die Truppe von Thomas Schaaf ein wichtiges Spiel hatte, waren im ganzen Land die Kneipen voll.

Was ist davon geblieben? Am Dienstag spielt Bremen gegen Borussia Mönchengladbach, einen Verein, der in den 1970ern eine Art Prototyp von Werder war und der sich gerade anschickt, wieder diese Rolle einzunehmen. Den Gladbachern ist trotz ihrer verlorenen Form die Qualifikation zur Champions League kaum noch zu nehmen. Werder derweil, zwischen 2004 und 2010 sechsmal in der Königsklasse aktiv, hat nur zwei seiner letzten dreizehn Spiele gewonnen, eine negative Tordifferenz, ist laut Aussage von Verteidiger Sokratis "keine Mannschaft" und ringt gerade noch um einen Platz in der Europa League. Prognose angesichts des schweren Restprogramms: unwahrscheinlich.

Parallel verabschieden sich die letzten Gladiatoren der großen Zeit. Diego, Özil, Frings und Mertesacker sind längst Vergangenheit. Vor ein paar Tagen kündigte nun Tim Wiese seinen Abschied an. Claudio Pizarro scheint zum FC Bayern zu tendieren, sogar der treue Naldo flirtet mit dem Abschied. Werder wirkt wie eine Resterampe, deren letzte Teile gerade abgeholt werden. Wenn dann schon ein so limitierter Fußballer wie Clemens Fritz zum Hoffnungsträger wird, um "die Korsettstangen nicht komplett zu verlieren" (Schaaf), dann zeigt das deutlich, wohin die Reise in den nächsten Jahren gehen dürfte – Richtung mittleres oder sogar unteres Tabellendrittel.

Keine rosige Zukunft

Die verbleibende Substanz des Kaders dürfte kaum zu mehr reichen. Finanzielle Rücklagen aus der Champions-League-Zeit hat der Verein auch nicht mehr. Zwar verschlang der Stadionausbau viele Ressourcen, dennoch ist es insgesamt schon erstaunlich, dass ausgerechnet der vermeintliche Musterklub Werder Bremen so wenig Nachhaltiges geschaffen hat. Besorgniserregend beim Blick auf die Zukunft ist dazu, dass die Grundlagen des einstigen Erfolgs nicht mehr gegeben sind. Manager Klaus Allofs hat sein Händchen bei Transfers verloren. Und Trainer Schaaf gelingt es nicht mehr, das Beste aus denjenigen heraus zu holen, die trotzdem bei ihm landen.

Ob als Sprungbrett für Youngster oder als Rehabilitationszentrum für Karrieren in der Midlife-Crisis – es gab eine Zeit, da konnte ein Spieler mit einem Wechsel zu Werder gar nichts falsch machen. In der Branche haben die Bremer diesen exzellenten Ruf jedoch schon seit einiger Zeit verloren. So entschieden sich beispielsweise die Bender-Zwillinge bereits 2009 für Borussia Dortmund bzw. Bayer Leverkusen anstatt für das ebenfalls interessierte Werder. Im Nachhinein machten sie damit wohl alles richtig.

Jedenfalls entwickelten sie sich besser als Marko Marin oder Mehmet Ekici. Aus Bremer Sicht hat sich keiner von diesem Duo als der für die Statik des Schaafschen Fußballs so wichtige Zehner herausgestellt, als der neue Micoud oder der neue Diego. Aus persönlicher Sicht wurde Bremen für die beiden Spieler bislang zur Karrierefalle. Vor allem die Stagnation des so hoch begabten Marin verstört.

Die triste Gegenwart verschönern

Wiese, dessen Vertrag der Klub zu den üppigen Bezügen aus der Champions-League-Zeit allerdings nicht verlängert hätte, flüchtet nun vor diesem Stillstand. Auch seine Jahre in Bremen werden nicht zuletzt für einen dieser tragischen Was-wäre-wenn-Momente in Erinnerung bleiben: als er 2006 in der Champions League bei Juventus Turin in letzter Minute den Ball fallen ließ und die Mannschaft so das Viertelfinale verpasste. Näher sollte Werder der Runde der letzten Acht nie mehr kommen.

Ruhmreiche und herzzerreißende Erinnerungen, immerhin, sie werden immer bleiben aus der zweiten Bremer Glanzzeit nach der Ära Otto Rehhagel. Schwelgen in der Vergangenheit dient ja oft dazu, eine triste Gegenwart zu verschönern. Bei Werder könnte es dafür in den nächsten Jahren viel Bedarf geben.

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