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FC Bayern: Horrorstart für Tuchel, befürchtet bei Nagelsmann


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Tuchels Horrorstart
Diesen Luxus kann sich Bayern nicht mehr leisten

Von Julian Buhl

Aktualisiert am 12.04.2023Lesedauer: 4 Min.
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Thomas Tuchel: Der 49-Jährige erlebte einen durchwachsenen Start als Chefcoach des FC Bayer (Quelle: Jason Cairnduff/Reuters)

Der Horrorstart für Tuchel beim FC Bayern ist perfekt. Was bei Vorgänger Nagelsmann befürchtet wurde, ist jetzt eingetreten; Der zweite Titel ist beinahe verspielt.

Aus Manchester berichtet Julian Buhl

Thomas Tuchel hatte keine Zeit zu verlieren. Noch auf dem Mitternachtsbankett des FC Bayern im noblen Kimpton Clocktower Hotel begann der Cheftrainer mit der Analyse der bitteren 0:3-Niederlage, die er mit seiner Mannschaft im Viertelfinalhinspiel der Champions League bei Manchester City kassiert hatte.

Tuchel saß am Tisch im Zentrum des Ballrooms des Viersterne-Etablissements und unterhielt sich dort angeregt mit Vorstandsboss Oliver Kahn und Sportvorstand Hasan Salihamidzic, die rechts neben ihm saßen. Auch sein linker Sitznachbar, Präsident Herbert Hainer, hörte interessiert zu.

Wer Tuchel dabei zusah, konnte von Enttäuschung oder Resignation nichts erkennen, stattdessen vermittelte der 49-Jährige glaubhaft den Eindruck, weiter positiv und voller Tatendrang zu sein.

Damit war Tuchel allerdings so ziemlich der einzige im Raum. Das festliche Ambiente passte nämlich so gar nicht zur Stimmungslage. Statt Feierlaune herrschte Katerstimmung bei Bayern. Am exquisiten Buffet – unter anderem mit Austern und Beef Wellington sowie Crème Anglaise – bedienten sich die anwesenden Edelfans und Sponsoren zwar. Die Beats der Partymusik wirkten allerdings fehl am Platz. Auch am Vorstandstisch wurde der Frust mit Rot- und Weißwein heruntergespült.

Ernüchterung nach Nagelsmanns Entlassung

Denn fast drei Wochen nach der Entlassung von Julian Nagelsmann und der Verpflichtung von Tuchel als neuem Coach hat beim FC Bayern Ernüchterung Einzug gehalten. Der erhoffte Trainereffekt ist trotz eines vielversprechenden 4:2-Sieges in der Bundesliga zum Start gegen Dortmund verpufft.

Bei seiner Vorstellung hatte Tuchel noch erklärt, dass es in einer solchen Saisonphase mit diesem Kader beim Rekordmeister darum gehe, um alle Titel zu spielen. Innerhalb einer Woche hat er mit seinem Team nach dem Pokal-Aus gegen Freiburg nun allerdings bereits den zweiten so gut wie verspielt.

Genau das, was man unter Nagelsmann befürchtet hatte, ist nun unter Tuchel eingetreten: Zwei von drei Titelmöglichkeiten sind (fast) weg, nur noch die Meisterschaft bleibt als realistisches Ziel übrig. Der negative Trend, den die Bosse erkannt haben wollten, hat sich – was die wechselhaften Ergebnisse betrifft – sogar noch verstärkt.

"Ich glaube trotzdem, dass wir vom neuen Trainer noch sehr profitieren werden", sagte Joshua Kimmich, als er mit einem Veilchen am rechten Auge sichtlich angeknockt in den Katakomben des Etihad Stadions stand. Thomas Müller wollte sich an gleicher Stelle auf dieses Thema nicht einlassen und sagte: "Da könnt ihr Hasan fragen, da werde ich mich nicht zu äußern, weil die Debatte birgt natürlich Zündstoff."

Salihamidzic antwortete dann folgendermaßen: "Wir brauchen ein bisschen Zeit, auch die Mannschaft mit dem neuen Trainer." Sich Zeit zu nehmen ist allerdings ein Luxus, den sich Bayern in dieser Saisonphase nicht erlauben kann.

Tuchel: "Ich bin schockverliebt in meine Mannschaft"

Er habe schon das volle Programm bekommen, sagte Tuchel über seinen überaus komplizierten Start in München, "aber heute bin ich schockverliebt in meine Mannschaft". Denn der Auftritt seiner Mannschaft hatte ihm trotz der hohen Niederlage gefallen. "Ich weigere mich, da irgendwie die Leistung schlechtzureden", so Tuchel: "Ich habe eine sehr, sehr gute Leistung gesehen bis zur 70. Minute. Ich bin hochzufrieden."

Wäre da nicht dieses Ergebnis, von dem Tuchel behauptete: "Da war absolut mehr drin, wir hätten viel mehr verdient." Tuchel hatte über 90 Minuten leidenschaftlich an der Seitenlinie mitgecoacht und mitgelitten. Beim 0:1 hatte er das drohende Unheil schon kommen sehen und Leon Goretzka, der sich in dieser Szene raus aus dem Zentrum auf die Außenbahn ziehen ließ, unüberhörbar zugerufen: "Nicht so weit, Leon."

Sekunden später traf Rodri per Traumtor zur Führung (27.). Jamal Musiala, der unmittelbar zuvor die beste Bayern-Chance aus guter Position vergeben hatte, sah dabei alles andere als gut aus. Und auch den Treffern von Bernado Silva (70.) und Erling Haaland (77.) zum 2:0 und 3:0 waren individuelle Fehler, speziell des völlig neben sich stehenden Dayot Upamecano, vorangegangen.

Kahn richtet Appell an die Mannschaft

Und so schlurften Tuchels Spieler mit hängenden Köpfen und enttäuschten Gesichtern im Kimpton Clocktower Hotel an die Nachbartische, wo sie Kahn bei dessen Bankettrede zuhörten. "Wir sind natürlich enttäuscht. Wir haben uns das anders vorgestellt", sagte der 53-Jährige, der City als "Weltklassemannschaft, wenn nicht im Moment die absolute Topmannschaft in Europa" bezeichnete.

"Auf diesem Niveau gegen so eine Mannschaft darfst du dir nichts erlauben, keinen Fehler, weil der sofort gnadenlos bestraft wird – wie es uns passiert ist." Kahn sprach langsam, mit ruhiger Stimme und wog dabei jedes seiner Worte genau ab. Lesen Sie seine Rede hier im Wortlaut. Es bringe jetzt nichts, zu lamentieren und alles negativ zu sehen.

"Ja, es sieht nicht so gut aus", sagte er und presste seine Lippen dabei zu einem fast schon trotzigen Gesichtsausdruck zusammen, "aber ich habe im Fußball schon Unglaubliches erlebt." Seine ihm eigene "Weiter, immer weiter"-Mentalität hatte der einstige Torwart-Titan schon als Spieler gelebt wie kein anderer.

"Wir haben die Pflicht, in diesem Rückspiel noch mal alles, was möglich ist, reinzuwerfen, alles zu versuchen", sagte er also, "zu zeigen, dass wir nicht zu enttäuscht sind und aufgeben." Als Kapitulationserklärung wollte Kahn seine Rede also auf keinen Fall verstanden wissen, sondern vielmehr als Appell – dennoch wirkte sie mehr wie eine Durchhalteparole.

Viel Feuer konnte er damit auch bei der Mannschaft nicht entfachen, die kurz danach gegen 0:10 Uhr Ortszeit das Bankett auch schon wieder verließ.

Thomas Müller, den man als einen der wenigen zumindest ab und zu auch ein bisschen lächeln sah, sagte zum Abschied: "Schönen Abend. Lasst ihn euch nicht versauen." Doch dafür war es für die anwesenden Partygäste längst zu spät.

Tuchel verließ den Saal gemeinsam mit seinen Spielern und ließ die Klubbosse mit ihren Gedanken allein zurück. Auch der vor zweieinhalb Wochen vollzogene Trainerwechsel und die damit eigentlich verbundenen Hoffnungen dürften sie dabei zwangsläufig eingeholt haben.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen vor Ort in Manchester
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