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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Werder Bremen hat einen neuen Trainer Die Entscheidung birgt auch ein Risiko

Horst Steffen ist der neue Cheftrainer von Werder Bremen. Der Wechsel an der Seitenlinie könnte auch einen neuen Kurs an der Weser bedeuten.
Als Ole Werner das Traineramt bei Werder Bremen übernahm, hatte Hansi Flick gerade die deutsche Nationalmannschaft übernommen, Julian Nagelsmann war seit wenigen Monaten Trainer des FC Bayern, und Rasenballsport Leipzig hatte noch keinen Pokal in der Vitrine stehen. Das war im November 2021.
Einen Aufstieg, einen Klassenerhalt und zwei Platzierungen in der oberen Bundesliga-Tabellenhälfte später ist das gemeinsame Kapitel Geschichte. Werner war Medienberichten zufolge von der Kaderplanung und der Perspektive an der Weser nicht überzeugt, wollte daher seinen bis 2026 laufenden Vertrag nicht verlängern. Der Klub entschied sich daher, schon jetzt die Reißleine zu ziehen.
Werners Nachfolger steht schon parat. Horst Steffen wird der neue Mann an der Seitenlinie, kostet Werder laut Sky rund 350.000 Euro Ablöse. Steffen kommt von der SV Elversberg, mit der er am späten Montagabend in der Nachspielzeit der Bundesliga-Relegation an Heidenheim gescheitert war. Eine nicht ganz risikofreie Entscheidung, die auch einen Kurswechsel einläuten könnte.
Fast sieben Jahre lang war Horst Steffen Trainer in Elversberg. Im deutschen Profifußball war in der vergangenen Saison nur Frank Schmidt beim 1. FC Heidenheim länger im Amt. Dabei waren Steffens Stationen vor Elversberg nicht von Dauer geprägt. In Münster bekam er zehn Monate, in Chemnitz sechs Monate Zeit. Steffens Karriere hatte nach mehr als ordentlichen Amtszeiten als Jugendtrainer in Duisburg und Mönchengladbach einige Kratzer bekommen.
Regionalligist Elversberg vertraute ihm dennoch im Herbst 2018 die Mannschaft an. In den ersten zwei vollen Saisons im Saarland wurde Steffen jeweils Zweiter in der Regionalliga Südwest, im dritten Anlauf klappte es dann mit dem Aufstieg. 2022 gelang ihm der Sprung in die 3. Liga. Doch nicht nur das, Steffen und Elversberg gelang der Durchmarsch in die 2. Bundesliga, wo sie auf Anhieb Elfte wurden. Und auch wenn mehrere Schlüsselspieler den Klub verließen, wurde Elversberg noch besser. Als Tabellendritter ging es in die Relegation, wo Steffen in der Nachspielzeit nun an Heidenheim scheiterte.
Doch einen großen Verein hat Horst Steffen noch nicht trainiert. Die SV Elversberg hat etwas mehr als 5.000 Mitglieder, kommt aus einem Ort mit rund 13.000 Einwohnern. Der SV Werder hat mehr als 60.000 Mitglieder, die Stadt Bremen 570.000 Einwohner. Die Bundesliga und der mediale Druck sind etwas gänzlich anderes. Auch deshalb geht Werder mit der Trennung von Ole Werner ins Risiko.
Ole Werner und die Jugend
Fußballerisch ist der Wechsel von Ole Werner zu Horst Steffen keine völlige Trendwende. Beide Trainer setzen auf einen proaktiven Spielstil, haben gerne den Ball und gehen dafür auch mal ins Risiko. Zwar ist sowohl die Umsetzung als auch das System der grundlegenden Ausrichtung anders, doch Werder muss nicht den kompletten Kader umkrempeln.
Warum man in Bremen dennoch von einem Kurswechsel sprechen kann: Es geht um die Integration und Entwicklung junger Eigengewächse. Zweifellos hat Ole Werner bei Werder Bremen viele Spieler entwickelt. Niclas Füllkrug und Marvin Ducksch haben dank ihm den Sprung in die Nationalmannschaft geschafft. Jens Stage ist zu einem der besten zentralen Mittelfeldspieler der Bundesliga geworden, und der in Leverkusen aussortierte Mitchell Weiser gehörte plötzlich zu den Top-Spielern auf seiner Position hierzulande.
Jung waren beziehungsweise sind die genannten Akteure aber alle nicht. Immer wieder gab es Kritik daran, dass Werner kaum Talente fördert. Bis auf Romano Schmid hat kaum ein Spieler unter 23 Jahren unter Werner einen großen Entwicklungsschritt gemacht. Viele brauchten erst einen Wechsel, um genau den zu schaffen. Eren Dinkçi kam beispielsweise in Bremen nicht über eine Jokerrolle hinaus, in Heidenheim gelangen ihm 15 Torbeteiligungen in einer Saison. Nick Woltemade schoss bei Werder in 30 Einsätzen, viele davon als Joker, lediglich zwei Treffer in der Spielzeit 2023/24, er wechselte ablösefrei nach Stuttgart, wurde dort mit 20 Torbeteiligungen in 33 Pflichtspielen zur Schlüsselfigur und bekam jüngst den Anruf von Julian Nagelsmann für den DFB-Kader.
Andere junge Spieler im Werder-Kader, wie Skelly Alvero oder Leon Opitz, galten für das Klubmanagement als Hoffnungsträger für die Zukunft, für Alvero zahlte Werder sogar knapp fünf Millionen Euro. Doch eine Rolle spielten beide kaum in der abgelaufenen Saison. Aus Sicht von Ole Werner hatten sie womöglich schlichtweg nicht die nötige Qualität für regelmäßige Einsätze in der Bundesliga.
Horst Steffen, der Entwickler
Bremens Durchschnittsalter pro Spiel lag laut dem Portal "transfermarkt.de" in der abgelaufenen Saison bei 27,0. Nur der FC Bayern und der VfL Bochum waren im Schnitt älter. Die SV Elversberg war in der 2. Bundesliga im Schnitt 25,1 Jahre alt – Platz zwei hinter dem 1. FC Nürnberg (23,9).
Trainer Horst Steffen setzt gerne auf junge Spieler – und hat einige in den vergangenen Jahren entwickelt. Besagter Nick Woltemade spielte beispielsweise in Elversberg eine Schlüsselrolle in der einen Drittliga-Saison. Der fast zwei Meter große Hüne erzielte unter Steffen zehn Tore und legte neun weitere vor.
Eine Saison später kam ein gewisser Paul Wanner ins Saarland. Der damals 17-Jährige wurde Stammspieler und trug mit neun Torbeteiligungen zum Klassenerhalt Elversbergs in der 2. Bundesliga bei. Im Sommer 2024 bekam Horst Steffen dann gleich drei Leihspieler: Fisnik Asllani und Muhammed Damar aus Hoffenheim sowie Elias Baum aus Frankfurt. Das Trio schaffte den Sprung in die Stammelf, Asllani wurde zum Top-Scorer der gesamten Liga, Damar erhielt in Hoffenheim direkt einen neuen Vertrag, und Elias Baum schaffte es in den vorläufigen DFB-Kader zur U21-EM.
Die Liste mit jungen Spielern, die sich unter Horst Steffen in Elversberg entwickelt haben, ist noch länger – und wohl ein ausschlaggebendes Argument in Bremen. Steffens Erfahrung aus der Zeit als Jugendtrainer in Duisburg und Mönchengladbach hilft ihm dabei.
Heilpraktiker statt Trainer?
Die Begeisterung für den Fußball bekam Horst Steffen in die Wiege gelegt. Sein Vater Bernhard spielte zehn Jahre für Fortuna Düsseldorf, stand sogar zweimal für die deutsche A-Nationalmannschaft auf dem Rasen. Steffen junior lief "nur" für die U21 auf, sammelte aber mehr als 200 Einsätze in der Bundesliga für Uerdingen, Gladbach und Duisburg. Eine durchaus erfolgreiche Karriere.
Doch der heute 56-Jährige hatte auch einen Plan B. "Ich habe Sozialversicherungsfachangestellter und Heilpraktiker gelernt. Ich denke, es wäre eher in die Richtung Heilpraktiker gegangen. Mich interessieren Menschen und auch ihr Verhalten und die Gedanken", sagte er im Januar der "Saarbrücker Zeitung".
Das Zwischenmenschliche zählt in jedem Fall zu seinen Stärken, so heben aktive und ehemalige Spieler Steffens in Elversberg immer wieder seinen Charakter hervor. Fisnik Asllani sprach nach dem Relegations-Rückspiel bei Sky vom besten Jahr seiner Karriere. Es war gleichzeitig das letzte Spiel des jungen Kosovaren für Elversberg – und auch für Horst Steffen.
Für den Trainer beginnt in Bremen ein neues Kapitel – und für Werder womöglich eine neue Ära. Der Klub setzt auf einen Trainer, der für Entwicklung steht, für mutigen Fußball, aber auch für Empathie und Geduld. Eigenschaften, die in Elversberg zum Erfolg führten – und die nun in der Bundesliga bestehen müssen. In einem Umfeld, das größer, lauter und ungeduldiger ist.
Die Herausforderung ist klar: Aus einem Traditionsklub mit hohen Erwartungen soll ein Team wachsen, das nachhaltig überzeugt. Horst Steffen bekommt nun die Chance, das in Bremen zu beweisen.
- deichstube.de: "Werder Bremen: Trainer-Suche beendet – Er wird neuer Chefcoach des SVW"
- bild.de: "Werder Bremen: Werner-Nachfolger steht fest – So lange unterschreibt Steffen" (kostenpflichtig)
- transfermarkt.de: "Horst Steffen - Profil"
- saarbruecker-zeitung.de: "SV Elversberg-Trainer Horst Steffen verrät sein Erfolgsgeheimnis"
- bild.de: "Elversberg-Coach Steffen: Preußens Durchmarsch hat mich gefreut" (kostenpflichtig)