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Gladbach-Kapitän Stindl im Interview: "Sollten Fußball so lassen, wie er ist"


Stindl über Regeländerungen
"Wir sollten den Fußball so lassen, wie er ist“

  • T-Online
InterviewVon Alexander Kohne

Aktualisiert am 28.07.2019Lesedauer: 7 Min.
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Feste Größe: Lars Stindl spielt seit 2015 in Mönchengladbach und führt das Team seit drei Jahren als Kapitän aufs Feld.Vergrößern des Bildes
Feste Größe: Lars Stindl spielt seit 2015 in Mönchengladbach und führt das Team seit drei Jahren als Kapitän aufs Feld. (Quelle: imago-images-bilder)

Gladbach-Kapitän Lars Stindl hat einen ganz eigenen Blick auf den Fußball – und gewisse Anstoßzeiten sind für ihn unverrückbar. Im Interview spricht er darüber, den Fußball wieder fannäher zu machen, über die Konkurrenzfähigkeit der Bundesliga und den

Seit nunmehr vier Jahren spielt Lars Stindl bei Borussia Mönchengladbach. Als Kapitän hat er sich bei Mitspielern und Fans ein besonderes Standing erarbeitet. Doch aktuell verfolgt er die Trainingseinheiten der Kollegen größtenteils vom Spielfeldrand, wo er nach seinem Schienbeinbruch im März für das Comeback schuftet. Den Fragen von t-online.de stellte sich der elfmalige Nationalspieler trotzdem.

t-online.de: Herr Stindl, Sie gehen in Ihr fünftes Jahr in Gladbach, waren vorher fünf Jahre in Hannover und zehn beim KSC. Vereinswechsel sind nicht unbedingt Ihr Ding, oder?

Lars Stindl: Nein, eher nicht. Der Wohlfühlfaktor hat für mich immer eine große Rolle gespielt. Natürlich habe ich mir des Öfteren Gedanken gemacht, etwas Neues auszuprobieren – und mich dann aber doch entschlossen, zu bleiben. Das war in Hannover so und ist jetzt auch so.

Sie mögen eine gewisse Art von Verein, haben einmal gesagt: „Es ist mir wichtig, dass Tradition im Klub zu spüren ist“ …

… und die spürt man hier in Gladbach absolut.

Warum ist Ihnen das so wichtig?

Das hat vielleicht ein bisschen mit meinem Blick auf den Fußball zu tun. Auch als ich noch nicht in Gladbach war, haben mich der Klub und das Stadion immer fasziniert – und die Atmosphäre. Hier in der Region hat Borussia einfach einen außergewöhnlichen Stellenwert.

Ein Wechsel zu Klubs wie RB Leipzig oder 1899 Hoffenheim ist für Sie also ausgeschlossen?

Ausschließen kann man im Fußball generell nichts. Denn diese Vereine leisten gute Arbeit.

… sind im Vergleich zu Gladbach oder 96 allerdings nicht unbedingt klassische Traditionsvereine.

Das stimmt wohl. Und darüber kann man natürlich diskutieren – oder über die Ursprünge der Vereine. Aber grundsätzlich sind das auch Klubs, die durch gutes Arbeiten ihre Berechtigung verdienen und schon einiges geleistet haben. Das muss man neidlos anerkennen.


Noch mal zurück zu Vereinswechseln: Jonathas von Ihrem Ex-Klub Hannover ist wie Sie 30 Jahre alt, hat aber bereits bei 14 verschiedenen Klubs gespielt. Wie stehen Sie zu so vielen Wechseln?

Das ist legitim. Ich verurteile niemanden, der einen anderen Weg eingeschlagen hat. Meine Idee von einer Profi-Karriere ist das aber nicht. Für mich wäre das nichts.

Sie haben gerade davon gesprochen, eine „bestimmte Vorstellung von Fußball“ zu haben. Mittlerweile brauchen Fans Abonnements bei zahlreichen Sendern, um alle Spiele gucken zu können. Zuletzt übernahm DAZN die Rechte von Eurosport. Was halten Sie davon?

Grundsätzlich war es schon ganz cool, als alles noch bei einem Sender lief. Aber die Streamingdienste sind ja nicht nur im Fußball, sondern in allen Bereichen auf dem Vormarsch. Von daher ist das ein Phänomen der Zeit.

Sie haben oft betont, als Kind selbst mit der Sportschau aufgewachsen zu sein. Würde es Sie als Fan aktuell nicht nerven, drei oder vier unterschiedliche Abonnements abschließen zu müssen, um alle nationalen und internationalen Partien Ihres Klubs sehen zu können?

Das ist ein schmaler Grat: Auf der einen Seite beschweren wir uns, wenn die deutschen Klubs im internationalen Geschäft keinen Erfolg haben, auf der anderen Seite beharren wir in vielen Bereichen auf der Einfachheit des Fußballs. Es geht darum, einen gesunden Mittelweg zu finden. Gewisse Besonderheiten der Bundesliga sollte man einfach respektieren, wie den Spieltermin am Samstagnachmittag um 15.30 Uhr …

… der ist für Sie unverrückbar?

Absolut. Den finde ich wirklich toll und da hat auch ganz Deutschland über Jahrzehnte Gefallen dran gefunden. Trotzdem müssen wir akzeptieren, dass das eine oder andere Spiel zu einer Unzeit kommt, und dass es nicht jedem Fan gerecht wird. Weil so in der Bundesliga aber mehr Geld generiert wird, sind wir international konkurrenzfähig.

Zu der beschrieben „Unzeit“ gehören für viele Fans Spiele am Montagabend. In Spanien hat der Verband versprochen, diese abzuschaffen. In der Bundesliga wird das ab 2021 der Fall sein. Sind das Zeichen für ein generelles Umdenken?

Das sind auf jeden Fall positive Signale an alle Fans. Es scheint schon das eine oder andere Umdenken stattzufinden. Auch in der Bundesliga. Da gehen wir den richtigen Weg auf die Fans zu. Natürlich gibt es immer Dinge, über die man diskutieren kann – aber das sind kleine Schritte, um den Fußball wieder fannäher zu machen.

Wenn Sie entscheiden könnten: Welche weiteren Schritte würden Sie diesbezüglich einleiten?

Zum Glück muss ich das nicht entscheiden (lacht).

Ein weiteres Thema, das vielen Fans unter den Nägeln brennt, sind Regeländerungen. Ab der neuen Saison dürfen bei einem Freistoß beispielsweise nur verteidigende Spieler in der Mauer stehen. Erst bei mehr als drei Spielern können sich gegnerische Akteure dazwischen mischen. Wie sehen Sie als Stürmer das?

Das ist für uns nicht so relevant, denn in den letzten Jahren haben wir sehr, sehr wenige direkte Freistöße verwandelt. Von daher kann es für uns eigentlich nur positiv sein.

Eine neue Regel gibt es auch bei Elfmetern, bei denen der Keeper vor dem Schuss mit mindestens einem Bein auf der Linie stehen muss. Bei der Frauen-WM hat das für zahlreiche wiederholte Strafstöße gesorgt – und viel Ärger. Reicht es irgendwann mit den Regeländerungen?

Grundsätzlich sollten wir den Fußball so lassen, wie er ist. Das wäre uns sicherlich allen am liebsten. In den vergangenen Jahren wurde allerdings immer wieder etwas geändert. Vielleicht ist das in der öffentlichen Wahrnehmung etwas untergegangen – was sicherlich auch mit dem Video-Schiedsrichter zusammenhängt, durch dessen Einführung sich das Interesse an diesen Themen erhöht hat.

Im Zuge dessen bekommt man das Gefühl, dass Schiedsrichter immer unsicherer auftreten. Wie hat sich das Verhältnis zu den Unparteiischen verändert? Wird heute mehr diskutiert?

Das Verhältnis ist immer noch genauso gut wie in meinen ersten Profijahren. Auch damals wurde schon diskutiert und man hat sich beschwert. Aber vielleicht hat die Häufigkeit der Beschwerden zugenommen. Man verliert durch die mediale Aufmachung insgesamt ein bisschen den Fokus für das Spiel.

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Im März haben Sie sich das Schienbein gebrochen, trainieren momentan individuell und schuften für Ihr Comeback. Wie füllt man eine Führungsposition aus, wenn man nicht selbst mitwirken kann?

Das ist schon nicht so einfach, wenn ich den Jungs nur vom Spielfeldrand zugucken kann und da meine Übungen machen muss. Natürlich würde ich ihnen gerne auf dem Platz helfen ...

… wobei Sie außerhalb schon deutlich Einfluss nehmen, wie bei der Kabinenansprache am 33. Spieltag der Vorsaison.

Ich habe mich vor dem Spiel mit Yann Sommer ausgetauscht und wir hatten das Gefühl, einige Dinge ansprechen und dafür sensibilisieren zu müssen. Und das haben wir ein paar Tage vor dem Spiel gemeinsam getan. Am Wochenende hat das dann auch gleich gezündet (und Gladbach hat 4:0 gewonnen, Anm. d. Red.).

Sie gelten als eher leiser Kapitän. Wie setzt man seinen Einfluss auf und neben dem Platz durch, wenn man von Hause aus nicht unbedingt ein Lautsprecher ist?

Da gibt es verschiedene Möglichkeiten (hält inne). Auf dem Platz natürlich mit Leistung. Darum geht’s in erster Linie. Darüber hinaus gibt es Situationen, in denen man sich als Spieler, der schon das eine oder andere erlebt hat, in besonderer Weise einfühlen und dann einwirken kann. Das versuche ich zu tun – aber in einer sehr, sehr vernünftigen Art und Weise.

Was heißt das?

Ich muss nicht groß rumschreien. Wenn ich Sachen anspreche, muss das immer authentisch sein. Natürlich bin ich dabei auch mal emotionaler, meistens aber eher sachlich.

Also stellen Sie sich nicht in die Kabinenmitte und schreien: „Los jetzt, Männer! Nochmal alles geben!“?

Das kommt immer auf die Situation an. Grundsätzlich bin ich ein sehr sachlicher Typ. Aber es gibt eben auch Momente, in denen es emotionaler zur Sache geht.

Kommen wir zur neuen Saison: Thorgan Hazard hat das Team gen Dortmund verlassen, Stefan Lainer und Breel Embolo sind neu dazugekommen. Ist Borussia stärker oder schwächer als zuvor?

Das kann man nicht vergleichen. Natürlich haben wir mit Thorgan einen exzellenten Fußballer und Typen verloren, aber dafür haben wir mit Stefan und Breel auch interessante, neue Leute dazubekommen. Ich habe für die neue Saison auf jeden Fall ein sehr gutes Gefühl.

Hazard hat in der Vorsaison in der Bundesliga zehn Tore und zwölf Vorlagen beigesteuert. Wer könnte ihn ersetzen?

Es wird nicht eine einzige Person geben, die ihn ersetzt. Jeder hat dafür bestimmte Qualitäten. Es hat sich auch in der Struktur ein bisschen was verändert.

Apropos: Sie haben mit Marco Rose einen neuen Trainer. Wie ist Ihr Eindruck von ihm?

Sehr positiv. Direkt am ersten Tag hat er kommuniziert, was er mit uns vorhat. Er bringt viel Neues mit, lässt ein bisschen anders spielen – und die Jungs setzten das bisher sehr gut um.

Rose hat eine besondere Spielphilosophie. Wie würden Sie den neuen Stil der Borussia in drei Kernpunkten beschreiben?

Es geht um aktiven Fußball, Pressing und schnelles Vertikalspiel. Wir wollen aktiv gegen den Ball arbeiten, hoch pressen, den Ball in der gegnerischen Hälfte gewinnen, dann schnell nach vorne spielen und kurze Wege zum Tor haben.


Das sind nicht unbedingt die Schlagworte, die man mit Roses Vorgänger Dieter Hecking verbindet. Wird der bisherige Gladbach-Stil nun komplett über den Haufen geworfen?

Nein, da wurde bisher in der medialen Darstellung auch viel übertrieben. Marco Rose hat seine Ideen und Vorstellungen, aber er weiß natürlich, dass in bestimmten Situationen auch andere Dinge gefragt sind: Dass man auch mal Ballbesitz hat, Ruhe ins Spiel bringt und dann den Umschaltmoment findet. Beide Stile zusammenzubringen, wird die große Kunst sein.

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