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Frauen-WM | DFB-Star Lena Lattwein über Konkurrenz: "Hat die Nase vorn"


Nationalspielerin vor Gruppen-Endspiel
"Wir sollten das Fass nicht wieder aufmachen"

  • Noah Platschko
InterviewVon Noah Platschko

Aktualisiert am 02.08.2023Lesedauer: 8 Min.
Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

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Lena Lattwein: Die Nationalspielerin peilt einen Stammplatz in der Nationalmannschaft an.Vergrößern des Bildes
Lena Lattwein: Die Nationalspielerin peilt einen Stammplatz in der Nationalmannschaft an. (Quelle: IMAGO/BEAUTIFUL SPORTS/Jones)

Deutschland droht das WM-Aus. Vor dem Gruppenfinale gegen Südkorea spricht Nationalspielerin Lena Lattwein über die Verletzungssorgen im DFB-Team – und einen ganz speziellen Joker.

Aus Sydney berichtet Noah Platschko

Vergangenes Jahr gelang den DFB-Frauen ein Start nach Maß. 4:0 beim EM-Auftakt gegen Dänemark. Eine der Torschützinnen: Lena Lattwein. Die Mittelfeldspielerin vom VfL Wolfsburg wurde in der zweiten Halbzeit eingewechselt und erzielte das wichtige 3:0.

Gut ein Jahr später fast dasselbe Spiel: Beim furiosen WM-Auftakt gegen Marokko (6:0) kam Lattwein ebenfalls im Laufe des Spiels in die Partie – und steuerte eine Vorlage bei. Bei der Pleite gegen Kolumbien sechs Tage später saß sie allerdings 90 Minuten auf der Bank. Und im Gruppenfinale gegen Südkorea?

Video | “Der typische Deutsche spricht sechs Sprachen”
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Quelle: t-online

Ihr Ziel ist klar: ein Stammplatz im DFB-Team. Zurzeit gibt es jedoch kein Vorbeikommen an Sara Däbritz. Vor dem entscheidenden Gruppenspiel der DFB-Frauen hat sich t-online mit der 23-jährigen Lattwein getroffen, über ihre Kritik an Bundeskanzler Olaf Scholz gesprochen und erfahren, die Biografie welches deutschen Weltmeisters von 2014 sie momentan liest.

t-online: Frau Lattwein, Deutschland ist als EM-Finalist nach Australien gereist, nun droht im schlechtesten Fall das erste Vorrundenaus der DFB-Frauen in der WM-Geschichte. Spukt das im Hinterkopf herum?

Lena Lattwein: Wir wissen, was auf dem Spiel steht – und was eine Niederlage bedeuten würde. Wir haben Kolumbien bereits am Montag analysiert und abgehakt, die konkreten Gründe analysiert und den kompletten Fokus auf Südkorea gelegt. Jetzt geht es darum, mit einer überzeugenden Leistung die Gruppe zu beenden.

Was waren denn die konkreten Gründe?

Zum einen ging es um die Positionierung mit Ball im Spielaufbau und den Übergang ins letzte Drittel. Da haben die Verbindungen gefehlt. Ein abgestimmtes Laufverhalten, ein präzises Kurzpassspiel. Wir haben für unsere Verhältnisse sehr viele lange Bälle geschlagen, die oft keine Abnehmerin fanden. Wenn Poppi (Alexandra Popp, Anm. d. Red.) mal einen abfangen konnte, haben die Tiefenläufe gefehlt. Wir haben uns unserer eigenen Stärke, dem schnellen Kombinationsspiel, selbst beraubt und uns zu wenige Torchancen herausgespielt.

Welche positiven Aspekte konnte das Team aus dem Spiel ziehen?

Individuell waren wir präsent, haben physisch gut dagegengehalten. Auch gegen den Ball war das eine gute Leistung, wir haben selbst ja nicht viele Torchancen zugelassen. Aber wir haben so ein bisschen das einfache Fußballspiel vergessen. Dass wir nach dem späten Ausgleich dann noch verlieren, das darf nicht passieren.

Im ersten Spiel gegen Marokko wurden Sie in der 64. Minute für Melanie Leupolz eingewechselt. Was war das für ein Gefühl, Ihr erstes WM-Spiel zu absolvieren?

Ich habe das in dem Moment gar nicht so wahrgenommen, dass es mein WM-Debüt war. Für mich war es ein Fußballspiel wie jedes andere auch. Erst als dann die Gratulanten kamen, habe ich es realisiert und mich sehr gefreut – auch weil wir klar gewinnen konnten.

Auch bei der EM im Sommer 2022 erlebten Sie mit Ihrem Tor gegen Dänemark gleich im ersten Spiel ein Highlight. Das Turnier stand allerdings noch im Zeichen von Corona. Lässt es sich ohne diese Thematik befreiter aufspielen?

Das hatte ich ganz verdrängt. Aber stimmt: Das war schon belastend und akut, weil es neben ein paar Spielerinnen auch einige aus dem Team betroffen hat. Es ist sehr angenehm, dass wir wieder ganz normal gemischt an Tischen sitzen können. Das war in England bei der EM nicht möglich. Im Zimmer isoliert zu sein, teilweise immer nur mit einer anderen Person zu zweit zusammen sein zu können – da ist die Situation jetzt deutlich angenehmer und entspannter.

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Generell gibt es im aktuellen WM-Kader im Vergleich zur letzten EM nur punktuell Veränderungen. Wie sehr unterscheidet sich dennoch die Atmosphäre im Team zum letzten Jahr?

Wir haben intern beschlossen, diese Turniere gar nicht mehr vergleichen zu wollen. Wir spielen eine Weltmeisterschaft und wollen eine neue Erfolgsgeschichte schreiben, ganz unabhängig von dem, was vergangenes Jahr war. Dass das Team im Kern gleich ist, kommt uns entgegen, weil wir die Abläufe kennen. Aber wir befinden uns in einem komplett anderen Umfeld und wollen dementsprechend die WM auch gesondert betrachten.

Während der EM forderte Bundeskanzler Olaf Scholz in einem Tweet "Equal Pay", woraufhin Sie ihn kritisierten. Hat er oder jemand aus der Bundesregierung sich eigentlich noch mal bei Ihnen gemeldet?

Nein, es gab keinen Kontakt mehr. Das Thema kam zwar noch mal auf, als die Prämienzahlungen für die einzelnen Spielerinnen festgelegt wurden, was sehr erfreuliche Summen sind. Aber ansonsten war "Equal Pay" intern kein Thema mehr bei uns. Wir haben es immer gesagt und sagen es auch immer wieder: Wir wollen in erster Linie, dass die Rahmenbedingungen in den Ligen weiter professionalisiert werden. Ich finde, wir sollten dabei bleiben und das Fass nicht wieder aufmachen.

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Sara Doorsoun musste gegen Kolumbien mit einer Muskelverhärtung verletzt raus, fehlt gegen Südkorea nun mit einer muskulären Läsion des Oberschenkels. Wie wichtig ist es in diesem Kontext, dass Abwehrchefin Marina Hegering wieder fit ist?

Marinas Rückkehr hilft uns enorm. Wir hatten in den vergangenen Wochen, gerade was die Abwehrspielerinnen angeht, viel Verletzungspech – wollen uns davon aber nicht beeinflussen lassen. Aber klar ist es ein Thema im Team. Sara hatte bislang zwei tolle Spiele, was es umso bitterer macht, dass sie nun im entscheidenden Spiel gegen Südkorea fehlen wird.

Die Verletzungssorgen in der Abwehr haben schon vor dem Turnier begonnen. Carolin Simon und Giulia Gwinn fehlen mit Kreuzbandrissen.

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Svenja (Huth, Anm. d. Red.) macht das super rechts hinten. Giuli ist eine Spielerin, die im Verein eben Rechtsverteidigerin spielt, das auch bei der EM gemacht hat. Ihr Ausfall schmerzt uns. Aber auch Caro hat eine tolle Vorbereitung gespielt. Bei ihr tut es mir wirklich weh, dass sie so kurzfristig ausgefallen ist. Die Verletzungen ziehen sich leider durch die Defensivpositionen, aber wir kompensieren das, denke ich, ganz gut, lassen wenig zu. Jetzt müssen wir noch gucken, dass wir hinten keinen mehr reinbekommen.

Lena Oberdorf sagte nach dem Kolumbien-Spiel, dass im Training sehr viel Feuer sei und man sich "schon mal gegenseitig ankackt, wenn ein Ball einen Zentimeter ins Aus geht". Wer ist bei den Einheiten der Platzhirsch, der den Ton angibt?

Jede Spielerin übernimmt Verantwortung. Bei dem, was Obi sagt, geht es nicht darum, dass wir uns gegenseitig runtermachen, sondern dass wir hohe Ansprüche an uns selbst und unsere Mitspielerinnen haben. Mit deutlichen Kommandos wollen wir uns selbst besser machen. Wenn ein ungenauer Pass kommt, dann wird die entsprechende Spielerin darauf hingewiesen: "Spiel ihn schärfer oder genauer."

Pl.MannschaftSp.SUNToreDiff.Pkt.Form
1
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Kolumbien
32014:2+26
2
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Marokko
32012:6-46
3
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Deutschland
31118:3+54
4
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Südkorea
30121:4-31

Kurz vor der WM haben Sie in einem Interview gesagt, dass Sie lange lieber bei den Jungs gespielt haben, weil Sie keine Lust auf den "Zickenterror" hatten. Haben Sie den bislang bei der WM vermeiden können?

(Lacht) Stimmt, das habe ich so formuliert. Wir sind jetzt tatsächlich schon mehr als fünf Wochen zusammen und ich bin schon auch ein Typ, der seine Ruhephase und Zeit für sich braucht. Jemand, der allein unterwegs ist und bewusst ins Zimmer geht und sich zurückzieht, um dem Trubel zu entfliehen. Aber dieser Freiraum ist uns gegeben und von daher ist man nie gezwungen, die ganze Zeit in der Gruppe unterwegs zu sein. Den "Zickenterror" kann ich also ausschließen. Aber nicht falsch verstehen: Ich genieße die Zeit in der Gruppe, gemeinsam die Spiele zu schauen oder an der Siebträgermaschine zu quatschen. Klara (Bühl, Anm. d. Red.) hat jetzt sogar einen Häkelkurs angeboten.

Ist Warus Geschwisterchen etwa schon in der Mache?

(Lacht) Nee, noch nicht.

Nicht, dass Klara Bühl noch eine weitere Abwehrspielerin häkeln muss. Kann Waru eigentlich verteidigen?

Waru ist Allrounder, der kann alles. Auf der Sechs als Abräumer, im Tor, im Sturm, Vorlagen, Tore – aber auf der Bank ist er auch sehr herzlich willkommen. Das war wirklich eine sehr schöne Idee von Klara und das Häkeln ist auch eine gute Beschäftigung zum Abschalten, auch wenn ich selbst gar nicht mitmache.

Warum nicht?

Ich weiß gar nicht so genau. Ich glaube, in der wenigen Freizeit, die ich habe, greife ich dann doch lieber zum Buch und lese.

Bleibt auch noch Zeit für die Uni?

Das auch, aber ich meine mit dem Lesen gar nicht unbedingt Fachliteratur. Ich lese gerade die Biografie von Miroslav Klose. Ein sehr cooles Buch, ich bin fast schon durch. Ich mochte ihn als Typen schon immer. Sehr zurückhaltend, sehr bescheiden – so kam er zumindest immer rüber und dieser Eindruck hat sich in der Biografie jetzt auch bestätigt. Sein Auftreten und seine Interessen imponieren mir.

Video | Wer würde eher? Ex-Nationalspielerin Kemme antwortet
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Quelle: t-online

Was zum Beispiel?

Ich wusste gar nicht, wie medizinisch interessiert er ist. Er hat aus reinem Interesse sehr viel Zeit mit und bei den Physiotherapeuten verbracht und hat ein Faible für den menschlichen Körper. Aber auch sein Verhalten auf dem Platz als Spieler. Er war immer wissbegierig, lernfähig – ein guter Beobachter. Leider habe ich ihn persönlich noch nicht kennenlernen dürfen.

Womit vertreiben Sie sich sonst Ihre freie Zeit im Camp?

Ich höre aktuell ein spannendes Hörbuch, das mir Jan-Ingwer Callsen-Bracker (Teil der Sportlichen Leitung des DFB-Teams, Anm. d. Red.) empfohlen hat. Es heißt "Achtsam morden". Ich bin total begeistert. Ich höre es wirklich bei jeder Busfahrt oder jedem Flug. Ein Roman mit viel Ironie, aber auch mit vielen Dingen, die man fürs Leben mitnehmen kann.

Callsen-Bracker ist schon seit 2019 Teil der DFB-Akademie und beschäftigt sich da insbesondere mit neurogenem Training. Ist das eine Richtung, die Sie auch interessiert?

Für viele Spielerinnen und Spieler ist das ein wenig Zauberei, was er da macht. Weil man zu ihm geht und er Dinge macht, von denen man überhaupt nicht denkt, dass sie mit den eigenen Schmerzen zu tun haben. Doch dann ist der Schmerz weg und ich frage mich: Wie funktioniert das eigentlich? Ich tausche mich gerne und viel mit Jan aus.

Apropos Zauberei: Warum haben Sie die Harry-Potter-Bücher eigentlich nach Teil 3 abgebrochen? Das sagen Sie zumindest in einem Vereinsvideo des VfL Wolfsburg.

Ich habe zunächst die Filme gesehen und dann haben mir alle gesagt, ich solle doch mal die Bücher anfangen, was ich dann auch gemacht habe. Ich war da 14, 15 Jahre alt – und es war eigentlich auch ganz gut geschrieben. Aber ich springe immer zwischen der Literatur. Mal Fantasy, mal Sachbuch, dann wieder eher eine Biografie oder ein Buch zur Persönlichkeitsentwicklung. Vermutlich haben mich nach "Askaban" einfach andere Dinge mehr interessiert.

Zum Abschluss: Was für persönliche Ziele haben Sie sich für die WM und danach gesetzt?

Natürlich ist es mein absolutes Ziel, Stammkraft bei der Nationalmannschaft zu werden. Ich hatte bei der EM viele Einsätze und hoffe, dass es jetzt bei der Weltmeisterschaft ähnlich laufen wird. Aktuell ist die Rollenverteilung aber klar. Ich bin der Back-up beziehungsweise die Konkurrentin von Sara Däbritz auf der Achterposition, da hat sie im Moment noch die Nase vorne. Aber ich werde weiter alles geben und mich zeigen – am liebsten bis zum Finale. Es ist unser großer Traum, das zu erreichen und dafür geben wir jeden Tag alles.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Lena Lattwein im Trainingsquartier der DFB-Frauen
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