Bundestrainer muss Entscheidungen treffen Nächster Rückschlag: DFB-Frauen vor Herausforderung
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Die nächste Leistungsträgerin hat ihren DFB-Rücktritt verkündet. Auf den neuen Bundestrainer wartet direkt eine Herausforderung.
Wenn im Oktober die deutsche Frauennationalmannschaft wieder zusammenkommt, wird mindestens ein neues Gesicht darunter sein: Christian Wück ist erstmals in seiner neuen Rolle tätig und steht mit den DFB-Frauen vor seiner Premiere als Bundestrainer. In Wembley kommt es dabei zur Neuauflage des EM-Finals 2022.
Der 51-Jährige steht nicht nur vor der Herausforderung des starken Gegners England. Wück muss ein Team zusammenstellen, das aktuell noch von einer großen Lücke behaftet ist. Denn am Freitag verkündete Abwehrchefin Marina Hegering ihren Rücktritt aus der Nationalmannschaft. Die 34-Jährige zählt 42 Länderspiele, feierte zuletzt den Vize-Europameistertitel (2022) und den Bronzeerfolg bei den Olympischen Spielen in Paris.
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Neben der Leistungsträgerin fallen zwei weitere namhafte Spielerinnen weg, die über Jahre hinweg das Team ausgemacht haben: Merle Frohms, die jahrelang als Nummer eins das Tor hütete, beendete ihre Karriere in der Nationalmannschaft vollkommen überraschend vor wenigen Wochen (mehr dazu lesen Sie hier). Flügelflitzerin Svenja Huth entschied sich bereits vor Olympia für den Rücktritt.
Während mit Ann-Kathrin Berger und Jule Brand die Positionen Tor und Flügel bereits nachbesetzt sind, wird sich Wück aber vor allem um die Abwehr Gedanken machen müssen. Denn Hegerings Wegfall bedeutet, dass der Platz neben Innenverteidigerin Kathrin Hendrich zu besetzen ist – und viele Alternativen gibt es nicht.
Ein Mix aus Erfahrung und Frische
Vorgänger Horst Hrubesch hat seinem Nachfolger Wück ein gutes Fundament hinterlassen: eine funktionierende Mannschaft mit namhaften Spielerinnen, die als Team zusammengewachsen sind. Einzig die Konstanz war immer wieder ein Problem. "Da wird mein Nachfolger noch Spaß dran haben", sagte Hrubesch nach dem glücklichen Comeback-Sieg (3:2) in Österreich.
So wird es für Wück zur Aufgabe, Konstanz in die Mannschaft zu bekommen und zusätzlich eine Nachfolgerin für Hegering zu finden, die sich schnell in der Innenverteidigung festspielt.
In der Vergangenheit war Sara Doorsoun von Eintracht Frankfurt die Alternative für Hegering und Hendrich. Bei den Olympischen Spielen kam sie jedoch nur zu Kurzeinsätzen, in der EM-Qualifikation schwankten ihre Leistungen von Partie zu Partie. Mit 56 Länderspielen auf dem Konto zählt sie allerdings zu den erfahreneren Spielerinnen im Team.
Neben Doorsoun kann Wück auch auf Bibiane Schulze Solano zurückgreifen. Vorgänger Horst Hrubesch hatte sie seit Jahren beobachtet, ehe sie im März erstmals für das DFB-Team nominiert wurde. "Sie bringt alles mit: Sie hat eine gute Körpergröße, sie spielt körperbetont und hat ein gutes Passspiel – was jetzt nicht verwundert in Spanien", sagte Hrubesch vor Monaten über die 1,74 Meter große Spielerin von Athletic Bilbao.
Inzwischen bestritt sie sieben Spiele im Deutschland-Dress. Ihr Debüt feierte sie beim 3:2-Sieg gegen Österreich im April, als sie eingewechselt wurde. Nur vier Tage später gab sie ihr Startelfdebüt gegen Island (3:1). Schulze Solano spielte auch bei Olympia eine zentrale Rolle und wurde Doorsoun vorgezogen.
Die 25-Jährige wurde in Bad Soden am Taunus geboren und sportlich in der Jugend des 1. FFC Frankfurt groß. 2019 wechselte sie zu Bilbao und bekam nach viel Überzeugungsarbeit ihrer Mutter die doppelte Staatsbürgerschaft. So wurde sie Anfang 2023 auch ins spanische Nationalteam berufen. Verletzungen bremsten sie aber aus. Unter Wück könnte sie eine neue Chance erhalten und mit ihren 25 Jahren künftig zur Abwehrchefin reifen.
Mehr Innenverteidigerinnen stehen Wück aus dem Olympia-Kader aktuell nicht zur Verfügung. In seiner ersten Amtshandlung als Bundestrainer wird er neue Spielerinnen einladen müssen, sollte er weitere Alternativen im Kader haben wollen.
"Es gibt Schlimmeres"
Die größte Baustelle bei den DFB-Frauen bleibt auf Sicht also die Abwehr, die bislang von seinen erfahrenen Verteidigerinnen profitierte. Aus der jungen Generation hat sich noch keine Hoffnungsträgerin aufgedrängt, Talente wie Brand (21 Jahre) vom VfL Wolfsburg spielen in der Offensive.
"Es gibt Schlimmeres, als in Wembley sein Debüt zu geben", sagte Wück noch vor ein paar Wochen: "Wir wollen uns mit den Besten messen." Spannend bleibt, wer die Nachfolge Hegerings antritt und wie Wück sein Team perspektivisch auf die anstehende Europameisterschaft in der Schweiz im kommenden Sommer vorbereitet.
Dass er gewinnen und junge Spieler entwickeln kann, stellte er bereits als Trainer der männlichen U17-Mannschaft klar, als er das Team im Dezember 2023 zum WM-Titel geführt hatte. "Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen sind gar nicht so groß. Alle stehen auf dem Platz, die Positionen sind ähnlich", erklärte Wück.
Aber: "Es wäre auch ein Fehler, Männer- und Frauenfußball miteinander zu vergleichen." Seine Erfahrungen im Jugendbereich werden ihm aber womöglich dabei helfen, junge Spielerinnen einzuladen und weiterzuentwickeln.
- Eigene Beobachtungen
- dfb.de: Profil von Sara Doorsoun und Bibiane Schulze Solano