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WM-Geschichte: Die sieben Platzverweise für Deutschland


Von Berthold bis Wörns
Die sieben WM-Platzverweise für Deutschland

Von Udo Muras

11.06.2018Lesedauer: 6 Min.
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Christian Wörns (r.) kann es nicht fassen: Schiedsrichter Rune Petersen zeigt ihm im WM-Viertelfinale 1998 gegen Kroatien Rot. Deutschland verliert daraufhin mit 0:3 und scheidet aus dem Turnier aus.Vergrößern des Bildes
Christian Wörns (r.) kann es nicht fassen: Schiedsrichter Rune Petersen zeigt ihm im WM-Viertelfinale 1998 gegen Kroatien Rot. Deutschland verliert daraufhin mit 0:3 und scheidet aus dem Turnier aus. (Quelle: WEREK/imago-images-bilder)

Nur sieben Platzverweise kassierten deutsche Nationalspieler bei einer Weltmeisterschaft. Die taten meist weh – manche halfen allerdings kurioserweise.

Jede Mannschaft fürchtet Platzverweise, in Unterzahl ist man eben auch schnell unterlegen. In der Nationalmannschaft waren sie ausgesprochen selten, den ersten gab es 1928 im 66. Länderspiel für Nürnbergs Hans Kalb gegen Uruguay (bei Olympia). Deutschland hat auch weit mehr WM-Endrunden gespielt als Platzverweise erhalten. Hier schildern wir die nicht ganz so glorreichen sieben Ausnahmen.

► Johann Pesser 1938

Bei der zweiten WM-Teilnahme musste Reichstrainer Sepp Herberger nach dem Anschluss Österreichs auch dessen Spieler berücksichtigen und pro Partie fünf Wiener aufstellen. Einer von ihnen: Linksaußen Johann Pesser (Rapid Wien). Und der flog gleich in seinem zweiten Länderspiel am 4. Juni 1938 in Paris vom Platz.

Das Achtelfinale gegen die Schweiz ging in die Verlängerung, die Stimmung war anti-deutsch aufgrund der politischen Lage am Vorabend des Krieges. Als sich Pesser bei Gegenspieler Severino Minelli für eine Serie von Fouls mit einem Tritt ans Schienbein revanchierte (113.), wurde er – damals noch per Handzeichen – des Feldes verwiesen.

Pesser wurde beim Verlassen des Platzes mit Obst, Gemüse und Steinen beworfen und vom Verbandschef Felix Linnemann sofort suspendiert. Der DFB (damals Reichsfachamt für Fußball) sperrte ihn für zwei Monate.

► Erich Juskowiak (1958)

Im hitzigen Halbfinale der WM in Schweden kippte die Partie gegen die Gastgeber. Und daran gab sich der Sünder bis zum Lebensende die Schuld. Die Rede ist vom Düsseldorfer Verteidiger Erich Juskowiak, Spitzname „Hammer“, der sich vom fintenreichen Knut Hamrin hatte provozieren lassen. Sein Revanchefoul, er trat Hamrin von hinten in die Beine, wurde vom ungarischen Schiedsrichter István Zsolt zu Recht geahndet.

Es war der Anfang vom Ende des Traums von der Titelverteidigung, noch stand es 1:1. Juskowiak schlich weinend vom Platz, er wusste, was er getan hatte: „Wir haben den Titel durch meine Schuld verloren.“ Denn in Unterzahl verloren sie noch 1:3.

Das Schlimmste war, dass ihm das niemand sagte. Am Abend wurde ausgerechnet er geehrt, denn Juskowiak erhielt für sein 25. Länderspiel vom DFB eine silberne Nadel, in äußerst eisiger Stimmung: „Es war wie ein Begräbnis, als ließen sie meinen Sarg runter, langsam, Stück für Stück“, erinnerte er sich.

Sepp Herberger schwieg zwei Tage, dann kam Juskowiak zu ihm, entschuldigte sich in aller Form und fand Gnade: „Wir ziehen einen Strich unter die Sache und wir sprechen nie mehr darüber bis an unser Lebensende.“ So blieb es und „auch von meinen Kameraden kam kein Wort des Vorwurfes“, bedankte er sich nach der Rückkehr öffentlich.

„Aber dafür habe ich mir selbst oft genug den Kopf zermartert.“ Bis ans Lebensende, wie Uwe Seeler einmal erzählte: „Er ist nie ganz darüber hinweg gekommen“. Im April 1982, ein Jahr vor seinem Tod, reiste er gar nach Göteborg und söhnte sich auch mit Hamrin aus.

► Thomas Berthold (1986)

28 Jahre lang ging die deutsche Elf immer geschlossen vom Platz. Dann ging es wieder gegen einen Gastgeber – im Viertelfinale von Monterrey gegen Mexiko. Erstmals hatte ein WM-Platzverweis nun sein Gutes. 65 Minuten standen die Deutschen mit dem Rücken zur Wand gegen die von ihren Fans angeheizten Mexikaner, dann entstand durch Bertholds Tätlichkeit ein Solidarisierungs-Effekt. Auch weil man den Platzverweis anders sehen konnte.

Was war geschehen? Berthold wurde von Quirarte an der Seitenlinie gefoult und traf den Täter beim Aufstehen mit dem Arm am Kopf. Da er an dem rechten Arm eine Manschette trug, verstärkte das die Wirkung. „Ein Reflex“, beteuerte Berthold, doch der schützte vor Strafe nicht – Rot! Berthold wütend: „Am liebsten wäre ich dem Schiedsrichter an die Gurgel gegangen. Das war doch höchstens eine Gelbe Karte, aber niemals eine Rote. Und wenn, dann hätte der Quirarte gleich mit vom Platz gemusst.“

Wahrnehmungen eines 20-Jährigen, die sich mit denen des Schiedsrichters und des Publikums, wie so oft, nicht deckten. In Unterzahl retteten sich die nun für Berthold mit rennenden Deutschen bis ins Elfmeterschießen (4:1) und über die bis zuletzt spielerisch dünne Leistung wurde der Mantel der Nächstenliebe gedeckt. Hatten sie doch wieder den Mythos der Turniermannschaft genährt und einen Sieg erkämpft.

► Rudi Völler 1990

Dieser Fall war sicher der tragischste, Publikumsliebling Rudi Völler wurde im Achtelfinale gegen die Holländer Opfer einer krassen Fehlentscheidung.

Nach einer Rangelei mit Frank Rijkaard, der ihn vorher schon angespuckt hatte und ihn in der 22. Minute an den Ohren zog, stellte der argentinische Schiedsrichter Juan Carlos Lousteau beide Unruhestifter vom Platz. Obwohl Völler keine Tat nachgewiesen werden konnte, wurde er auch noch ein Spiel gesperrt. Erst im Kabinengang setzte er sich zu Wehr, unter Ausschluss der Öffentlichkeit flogen die Fäuste.

Für das Spiel war das Doppel-Rot ein Segen, es war mehr Platz auf dem Feld, den besonders Jürgen Klinsmann nutzte. Er widmete sein Tor zum 1:0 Völler. Franz Beckenbauer hatte schon in der Halbzeit gesagt: „Er hat 70 Länderspiele für euch gekämpft. Jetzt kämpft ihr für den Rudi.“ Sie gewannen 2:1 und Völler jubelte auf der Tribüne mit.

► Christian Wörns (1998)

Bei der WM in Frankreich war Deutschland nur mühsam in Schwung gekommen. Erst im Viertelfinale von Lyon gegen die Kroaten stimmte die Leistung und die Führung lag in der Luft. Da nahm das Unheil nach einem zu kurzen Rückpass von Lothar Matthäus auf Christian Wörns fünf Meter vor der Mittellinie seinen Lauf.

Davor Suker, Kroatiens Superstar in Diensten von Real Madrid, spritzte dazwischen, Wörns kam zu spät, Suker hob ab und krümmte sich am Boden. Es war kein heimtückisches Foul von hinten, für das die Fifa eigens zu dieser WM Rot angeordnet hatte. Es war auch viel zu weit weg vom Tor, um von einer Notbremse zu sprechen. Aber Schiedsrichter Rune Pedersen zückte Rot.

Für Wörns „ein schlechter Witz, ich habe ihn nur leicht touchiert. Es kommt doch mal vor, dass man bei einem Zweikampf zu spät kommt.“ Nun ging er viel zu früh vom Platz – nach 40 Minuten. Fünf Minuten später gingen die Kroaten in Führung, die sie bis zum Abpfiff auf 3:0 ausbauten.

Bundestrainer Berti Vogts entwarf hinterher aufgrund des Platzverweises groteske Verschwörungs-Theorien: „Es sind sehr seltsame Entscheidungen gegen uns getroffen worden. Möglicherweise hat es irgendwelche Anordnungen gegeben. Vielleicht ist der deutsche Fußball zu erfolgreich gewesen und soll jetzt bestraft werden. Andere dürfen kratzen, spucken, beißen, ohne dass etwas passiert. Gegen uns werden schnell die Gelben Karten gezogen. Wenn es einen Schuldigen gibt, dann ist er nicht bei meinen Spielern zu suchen.“

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► Carsten Ramelow 2002

Im letzten Vorrundenspiel in Südkorea ging es für Kamerun um alles oder nichts. Ein Punkt hätte dem Team von Rudi Völler gereicht, die vom Deutschen Winfried Schäfer trainierten Afrikaner brauchten einen Sieg. Dem waren sie vor der Pause näher, Oliver Kahn verhinderte Schlimmeres.

Dann wurde es heikel: Abwehrchef Carsten Ramelow, bereits verwarnt, konnte den wieselflinken Samuel Eto’o nur mit einem Foul bremsen und wurde nach 40 Minuten vom Platz gestellt. Diesmal nahmen sie es sportlich. Ramelow: „Die Rote Karte muss man so hinnehmen. Allerdings hat sich mein Gegenspieler den Ball sehr weit vorgelegt und sich dann fallen lassen. Wenn wir wieder so auftreten wie heute, können wir auch ins Viertelfinale kommen.“

Das konnte er sagen, weil die Kollegen in Unterzahl durch Marco Bode in Führung gingen und nach einem Platzverweis für Kamerun durch Miro Klose auf 2:0 erhöhten. „So werden große Mannschaften geboren“, jubelte Völler. Sie kamen bis ins Endspiel.

► Miroslav Klose 2010

Der Sünder war fassungslos. „Fußball ist immer noch ein Kampfsport. Man muss doch unterscheiden, ob es ein böses Foul war oder eben nicht“, sagte Klose nach dem zweiten Gruppenspiel gegen Serbien (0:1), das sein Team ab der 37. Minute in Unterzahl bestreiten musste.

Da hatte der einzige nominelle deutsche Stürmer auf dem Feld ungeachtet seiner Verwarnung im Mittelfeld ein dummes Foul begangen, das zumindest dieser Schiedsrichter als gelbwürdig erachtete. Und das hatte sich bereits abgezeichnet: Senor Alberto Undiano aus Pamplona hatte bereits zu diesem Zeitpunkt vier von am Ende acht Karten gezückt und seine kleinliche Linie mehr als deutlich gemacht.

Dennoch ging Routinier Klose das Risiko ein und wurde deshalb vollkommen zu Recht als siebter Deutscher bei einer WM vom Platz gestellt. Bereits eine Minute später fiel das Tor des Tages. Franz Beckenbauer grollte im Fernsehstudio: „Der Schiri ist für sein kleinliches Pfeifen bekannt. Das muss man wissen und dann darf man da nicht so hingehen.“

Auch dieser Platzverweis führte zu einem Trotzeffekt, aber der wurde nicht belohnt. Sami Khedira traf die Latte, Lukas Podolski verschoss sogar einen Elfmeter und Jogi Löw warf nach Abpfiff mit einer Wasserflasche.

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