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Stefan Kuntz: Die Leistungsdichte im Angriff war früher höher


U21-Trainer zum WM-Kader
Kuntz: Die Leistungsdichte im Angriff war früher höher

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InterviewEin Interview von Alexander Kohne

Aktualisiert am 14.06.2018Lesedauer: 5 Min.
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Erfolgreich in verschiedenen Positionen: Als Trainer holte Stefan Kuntz 2017 mit der deutschen U21 den EM-Titel, als Spieler wurde er Deutscher Meister und zweimal Bundesliga-Torschützenkönig.Vergrößern des Bildes
Erfolgreich in verschiedenen Positionen: Als Trainer holte Stefan Kuntz 2017 mit der deutschen U21 den EM-Titel, als Spieler wurde er Deutscher Meister und zweimal Bundesliga-Torschützenkönig. (Quelle: Hübner/imago-images-bilder)

Ob Klinsmann, Völler oder Riedle: Zur aktiven Zeit von Stefan Kuntz herrschte im deutschen Sturm große Konkurrenz. Mittlerweile sind nur noch zwei echte Angreifer im DFB-Kader. Dafür hat der U21-Trainer unterschiedliche Erklärungsansätze.

Obwohl er bereits Deutscher Meister und Torschützenkönig war, debütierte Stefan Kuntz erst mit über 30 Jahren in der deutschen Nationalmannschaft. Das lag auch daran, dass dort in den 1980er und -90er-Jahren zahlreiche Weltklassestürmer spielten. Bei der gerade gestarteten WM in Russland hat das DFB-Team dagegen nur Timo Werner und Mario Gomez dabei.

Grund genug, sich die aktuelle deutsche Angreifer-Generation genauer anzusehen. Dazu traf t-online.de U21-Trainer Kuntz zum Interview im Anschluss einer Veranstaltung im Hotel Traube Tonbach im Schwarzwald. Dort hatte der Europameister von 1996 leidenschaftlich mit ehemaligen Weggefährten wie Thomas Helmer und t-online.de-Kolumnist Berti Vogts diskutiert. Explizit um den deutschen Sturm ging es dabei allerdings nicht.

t-online.de: Herr Kuntz, ganz spontan: Wer ist aktuell der beste deutsche Stürmer?

Stefan Kuntz: Timo Werner.

Die Start-Aufstellung gegen Saudi-Arabien mit Werner als einziger nomineller Spitze und Mario Gomez als Einwechselspieler entspricht also dem Leistungsniveau?

Klar, aber man muss noch unterscheiden, wie ein Spieler im Verein eingesetzt wird und welche Aufgaben er bei Joachim Löw hat. Sollte Jogi die Vorstellung haben, 50 Flanken pro Spiel in den Strafraum schlagen zu wollen, wäre Gomez sicherlich Stürmer Nummer eins. Aber zu der aktuellen Spielanlage passt Werner mit seiner Schnelligkeit und Beweglichkeit einfach besser.

Ist Werner also besser als Gomez?

Ich würde gar nicht in Kategorien wie besser oder schlechter unterteilen. Man darf sich da nicht nur auf die Startelf – also Plan A – fokussieren, weil es darüber hinaus auch die Frage gibt, was für einen Plan B oder C man hat. Genau da kommt Mario Gomez ins Spiel, der beispielsweise bei einem Rückstand in der Schlussphase mit seiner Robustheit und Kopfballstärke eine wichtige Rolle spielen kann.

Kommen wir zu einem weiteren talentierten Stürmer, Leroy Sané. Sie haben ihn bei der U21 trainiert und kennen ihn gut. Besteht nach so einer Enttäuschung wie der Streichung aus dem WM-Kader die Gefahr, dass ein Karriere-Knick kommt?

Nein, das glaube ich bei Leroy ganz und gar nicht. Er kann solche Sache sehr sehr schnell und gut abhaken. Ich glaube sogar, dass die Entscheidung von Jögi Löw im Gegenteil seinen Ehrgeiz weiter wecken wird, um auch in der Nationalmannschaft die Top-Leistung wie im Klub zu bringen. Leroy wird die Sommerpause nutzen, um sich körperlich optimal auf die nächste Saison vorzubereiten, um dann diese tolle Saison bei Manchester City mit zehn Liga-Toren und 15 Vorlagen zu wiederholen. Alleine das ist schon eine Riesenaufgabe.

Berti Vogts hat Löws Praxis, vier Spieler nach der Hälfte der Vorbereitung aus dem Kader zu streichen, kritisiert, weil diese unnötige Unruhe bringe. Wie stehen Sie dazu?

Ich sehe das anders als Berti – unter anderem, weil ich es 2017 vor der U21-Europameisterschaft selber so gemacht habe wie Jogi jetzt. Die Frage ist immer, was intern kommuniziert wird: Bei mir war es so, dass ich den entsprechenden Kandidaten klipp und klar gesagt habe: „Wenn Spieler X fit wird, nehme ich ihn mit. Sonst nehme ich Dich mit.“ Dort mit offenen Karten zu spielen, macht die Entscheidung zwar nicht einfacher, aber zumindest erträglicher. Ein wichtiger Aspekt sind auch unerwartete Verletzungen. Die kann ich besser kompensieren, wenn die nachrückenden Spieler die Abläufe und die taktische Ausrichtung kennen. Und das geht nur, wenn sie in der Vorbereitung mit dabei sind. Das ist übrigens auch in puncto Teamgeist sehr wichtig.

Neben dem EM-Titel als Trainer mit der U21 sind Sie auch als Spieler Europameister geworden – 1996 in England. Wären Sie mit Ihrem Spielstil und Ihren Fähigkeiten auch heute Nationalspieler?

(lacht) Nein, ich hätte heute keine Chance.

Würde es zumindest für den erweiterten Kader reichen?

Nein, ich bin so schon erst mit über 30 Jahren Nationalspieler geworden,…

… hatten zu diesem Zeitpunkt aber schon die Bundesliga-Torjägerkanone und die Wahl zu Deutschlands Fußballer des Jahres gewonnen.

Das stimmt natürlich. Aber mit Jürgen Klinsmann, Kalle Riedle, Rudi Völler und Ulf Kirsten gab es zu der Zeit einige andere Stürmer, die auch nicht ganz schlecht waren. (lacht) Deshalb habe ich mir da auch keinen großen Kopf drum gemacht – und mich umso mehr gefreut, als es im gehobenen Fußballer-Alter noch mit der Nationalmannschaft geklappt hat. Heutzutage ist – ganz unabhängig von Schnelligkeit und Athletik – die Kunst vor allem, die Konzentration hoch zu halten, um wirklich beim kleinsten Fehler des Gegners da zu sein. Dazu kommt der Riecher für Tore, den beispielsweise Mario Gomez hat, oder das Gefühl für Räume, wie Timo Werner es hat. Und natürlich auch das ständige Attackieren des Gegners, das Miro Klose zur Perfektion gebracht hat. Das alles muss man haben, um heute ein Top-Stürmer zu sein.

Die Leistungsdichte im Sturm scheint damals trotzdem höher gewesen zu sein als heute.

Ja, das stimmt. Und das liegt natürlich auch an der Nachwuchsförderung. Als Spanien den europäischen Fußball durch die EM-Titel 2008 und 2012 und den WM-Sieg 2010 diktiert hat, haben wir deren Stil vielleicht ein bisschen zu sehr nachgemacht. Da hat man vorne im 16-Meter-Raum extrem viel gepasst und zum Schluss nur noch den Ball reingeschoben – mit vielen offensiv ausgerichteten Mittelfeldspielern aber oft ohne klassischem Stürmer. Aktuell gibt es vor allem in der Champions League aber die Tendenz, wieder mehr auf Flanken und Distanzschüsse zu setzen. Da ändert sich gerade etwas Grundsätzliches. Wir müssen schauen, nicht nur einem Trend hinterherzulaufen, sondern den Nachwuchsspielern eine Basisausbildung mitzugeben und dann erst später zu spezialisieren.

Welches Team hat denn aktuell den besten Sturm bei der WM?

Ich kann leider nicht über alle Nationen optimal urteilen, so tief bin ich da – ganz ehrlich – nicht überall drin. Was ich aber verraten kann, ist, dass wir beim DFB die Spanier sehr genau analysiert haben. Die setzen mit Diego Costa seit längerer Zeit wieder auf einen sehr großen Mittelstürmer, ...

… der auf den ersten Blick nicht optimal zum Rest des vergleichsweise eher klein gewachsenen und auf Flachpässe setzenden Teams zu passen scheint.

Genau. (lacht) Das sieht allerdings nur auf den ersten Blick so aus. Wenn man genauer hinschaut, fällt auf, dass das doch sehr gut passt, weil er für seine Statur eine extrem interessante Spielart hat. Er legt geschickt ab und schafft immer wieder raffiniert Räume für seine Mitspieler. Das funktioniert wirklich gut. Ich würde mich also für den spanischen Sturm entscheiden.

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