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Hany Ramzy: "Mo Salah ist ein Glücksfall für uns alle"


Co-Trainer Hany Ramzy
Die Vorwürfe gegenüber Ägypten sind nicht fair

InterviewVon Dominic Jung und Patrick Hoffmann

20.06.2019Lesedauer: 5 Min.
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Hany Ramzy: Hofft auf Wiedergutmachung mit Ägypten beim Afrika-Cup.Vergrößern des Bildes
Hany Ramzy: Hofft auf Wiedergutmachung mit Ägypten beim Afrika-Cup. (Quelle: Belga/imago-images-bilder)

Bei Werder Bremen war er Publikumsliebling, nun ist Hany Ramzy Co-Trainer der Ägypter. Vor dem Start des Afrika-Cups erklärt er im Interview mit t-online.de, warum Liverpool-Star Mo Salah fürs Team so wichtig ist und was Ägypten zum Titel-Favoriten macht.

In Ägypten haben die Fußballfans vor einem Jahr sehr gelitten: Bei der WM in Russland schied die Mannschaft überraschend in der Vorrunde aus. Jetzt soll alles anders werden, beim Afrika-Cup im eigenen Land will man sich für die Schmach bei den Fans revanchieren. Hany Ramzy, früher Spieler bei Werder Bremen und Kaiserslautern, ist heute Co-Trainer der ägyptischen Auswahl. Im t-online.de-Interview erklärt er, warum Fußball für die Ägypter so wichtig ist und warum sich die Mannschaft im Turnier vom Trubel abschirmen muss.

t-online.de: Herr Ramzy, am 21. Juni startet der Afrika-Cup in Ägypten. Das Land gilt als fußballverrückt. Wie groß ist die Vorfreude?

Hany Ramzy: Die Vorfreude ist riesig. Ich werde seit Wochen auf der Straße angesprochen und gefragt, ob wir den Titel holen.

Und, werden Sie den Titel holen?

(lacht) Das weiß ich nicht. Wir sind 2017 im Finale des Afrika-Cups gewesen, haben diesmal die Fans im Rücken. Natürlich sind wir der Favorit. Aber es wird kein Selbstläufer werden. Es gibt viele starke Mannschaften bei diesem Turnier. Senegal zum Beispiel. Oder Marokko, Kamerun, Nigeria und Tunesien. Wir müssen uns auf jedes Spiel perfekt vorbereiten. Und wir müssen es schaffen, den gigantischen Erwartungsdruck von unserer Mannschaft fernzuhalten.

Wie wollen Sie das schaffen?

Indem wir unsere Mannschaft abschirmen. Die Spieler bekommen ja auch mit, was im Land los ist. Sie wissen, dass ganz Ägypten den Titel erwartet. Deshalb ist es unsere Aufgabe als Trainerteam, eine positive, lockere Atmosphäre zu schaffen. Wir haben uns ganz bewusst in einem Vorort von Alexandria auf das Turnier vorbereitet, nicht in Kairo. Wir haben alles dicht gemacht und niemanden auf das Trainingsgelände gelassen, auch nicht die Medien.

Ist das eine Konsequenz aus der enttäuschenden Weltmeisterschaft 2018? Auch da waren die Erwartungen in Ägypten hoch, am Ende folgte das Aus in der Vorrunde.

Wir haben einige Schlüsse aus unserem WM-Abschneiden im vergangenen Jahr gezogen. Die Vorbereitung auf das Turnier in Russland war schlecht, die Spiele auch. Aber das ist abgehakt.

Bei der WM im vergangenen Jahr war Mohamed Salah nach einer Schulterverletzung angeschlagen, das ist diesmal anders. Wie wichtig ist er für den Erfolg der ägyptischen Nationalmannschaft?

Mohamed Salah ist sehr wichtig. Er ist einer der besten Spieler der Welt, und für die jungen Spieler im Team wird es eine besondere Motivation sein, an seiner Seite zu spielen. Aber: Wir sind mehr als Salah. Er kann den Titel nicht allein gewinnen. Das geht nur als Mannschaft.

Hany Ramzy ist Co-Trainer der ägyptischen Fußball-Nationalmannschaft und Rekordspieler seines Landes beim Afrika-Cup. Als Profi machte der heute 50-Jährige zwischen 1994 und 2005 insgesamt 228 Bundesligaspiele für Werder Bremen und den 1. FC Kaiserslautern. Ramzy ist Vater eines Sohnes und lebt heute in Kairo.

Mohamed Salah ist längst mehr als nur ein Fußballspieler. Das "Time Magazine" hat ihn kürzlich auf die Liste der 100 einflussreichsten Menschen der Welt gesetzt. Salah wird in der gesamten arabischen Welt verehrt. Woher kommt diese Begeisterung?

Gegenfrage: Wie viele arabische Weltstars kennen Sie? Für viele Araber ist es lange Zeit unvorstellbar gewesen, dass einer von ihnen mal so ein erfolgreicher und weltweit anerkannter Fußballspieler werden würde. Salah ist ein Vorbild für Millionen von Jugendlichen in der Region und der lebende Beweis dafür, dass sie es trotz aller Probleme zu etwas bringen können. Salah gibt denen eine Hoffnung, die zuvor keine hatten. Er ist ein Glücksfall für uns alle.

Welche Rolle spielt Fußball generell in Ägypten?

Fußball ist sehr, sehr wichtig für die Menschen in Ägypten. Der Fußball lässt sie die vielen sozialen und wirtschaftlichen Probleme vergessen, die sie im Alltag haben, zumindest für 90 Minuten. Das ist schon früher so gewesen, zu meiner aktiven Zeit. Viele Ägypter, vor allem die ärmeren, suchen in schweren Zeiten Idole, zu denen sie hinaufblicken können, und die finden sie vor allem im Fußball.

Sie sprechen die vielen Probleme im Land an. Dazu gehört auch die Sicherheitslage. Es kommt immer wieder zu Terroranschlägen in Ägypten, auch in Kairo. Im Mai wurden 16 Touristen bei einem Bombenattentat nahe der Pyramiden von Gizeh verletzt.

Diese Anschläge hat es gegeben, ja. Das ist schrecklich. Aber es hat zuletzt überall auf der Welt Anschläge gegeben, auch in Frankreich, Belgien, Großbritannien und Deutschland. Glauben Sie mir: Die Besucher werden sicher sein in Ägypten. Die Regierung wird alles dafür tun.

Und wie ist es mit der Sicherheit in den Stadien? Seit der Katastrophe von Port Said am 1. Februar 2012, bei der 72 Fans getötet wurden, spielt die ägyptische Liga vor leeren Rängen. Haben Sie keine Sorge, dass es nun zu Ausschreitungen kommen könnte, wenn Zehntausende Zuschauer zurück in die Stadien gelassen werden?

Nein. Die Ausschreitungen hat es bei Spielen zwischen rivalisierenden Klubs gegeben. Bei Spielen der Nationalmannschaft passiert so etwas nicht. Außerdem hat die Regierung zahlreiche Sicherheitsmaßnahmen getroffen. Fans können zum Beispiel nur mit personalisierten Tickets ins Stadion, alles wird genau kontrolliert.

Vor der Revolution 2011 war Ägypten das Maß der Dinge im afrikanischen Fußball, gewann 2006, 2008 und 2010 den Afrika-Cup. Nach der Revolution erlebte das Land auch sportlich eine Krise, verpasste sogar dreimal in Folge die Qualifikation für den Afrika-Cup. Wo steht der ägyptische Fußball heute?

Wir haben uns gut erholt und befinden uns auf dem richtigen Weg. Die Teilnahme an der Weltmeisterschaft 2018 ist ein Riesenerfolg für uns gewesen und hat uns weit nach vorn gebracht. Wir haben begonnen, ein junges Team aufzubauen und wollen zurück an die Spitze Afrikas. Die Regierung in Kairo sagt, dass sie ein neues, modernes Ägypten bauen will. Etwas Ähnliches planen wir auch im Fußball. (lacht)

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Dieses neue, moderne Ägypten ist jedoch nicht unumstritten. Menschenrechtsorganisationen berichten von Folter in den Gefängnissen, von Willkür und fehlender Pressefreiheit.

Ich kenne diese Berichte. Und ja, wir haben ein paar Probleme. Aber ich finde, dass die Vorwürfe nicht ganz fair sind. Wir befinden uns in einer ganz anderen Situation als die Deutschen. Wir haben eine Revolution gehabt, es braucht Zeit, ein ganzes Land auf den richtigen Weg zu bringen. Und wenn ich die Lebensumstände heute mit denen von 2011 vergleiche, muss ich sagen: Wir haben große Fortschritte gemacht. Das Leben ist wieder sicherer geworden. Und das ist für uns Ägypter das Wichtigste.

Sie gehören der koptischen Minderheit im Land an. Etwa jeder zehnte Ägypter ist ein koptischer Christ, aber kein einziger spielt aktuell in der Nationalmannschaft. Wie kann das sein?

Diese Frage beschäftigt mich seit vielen Jahren. Mein Verdacht ist, dass es an einigen Nachwuchsakademien Trainer gibt, die den koptischen Talenten keine faire Chance geben. Anders kann ich mir das nicht erklären. Denn wir haben viele koptische Fußballtalente, aber leider schaffen sie es nicht zu den Topklubs – und somit auch nicht in die Nationalmannschaft. Das ist ziemlich traurig, und das muss sich ändern.


Haben Sie als Jugendlicher ähnliche Erfahrungen mit Diskriminierung auf dem Fußballfeld gemacht?

Nein, ich habe Glück gehabt. Ich bin mit zehn Jahren in die Akademie von Al Ahly gewechselt, einem Topklub aus Kairo. Dort habe ich es ziemlich schnell in die Junioren-Nationalmannschaft geschafft – und später nach Europa. Was mir aber all die Jahre auffiel, war, dass ich in der ägyptischen Mannschaft immer der einzige Kopte war. Das hat mich damals schon nachdenklich gemacht.

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