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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Experte fordert wegen Trump "Dann müsste man den USA die WM wegnehmen"

Die Klub-WM steht auch im Zeichen der politisch angespannten Situation in den USA. Ein Nordamerika-Experte warnt ein Jahr vor der WM vor tiefgreifenden Problemen.
Seit drei Wochen läuft die Klub-WM in den USA. Mit den Viertelfinalspielen, die am Freitag und Samstag unter anderem mit dem FC Bayern (gegen Paris Saint-Germain) und Borussia Dortmund (gegen Real Madrid) ausgetragen werden, biegt das neue XXL-Turnier der Fifa nun auf die Zielgerade ein. Es ist gleichzeitig die Generalprobe für die Fußball-Weltmeisterschaft 2026, an der auch noch Kanada und Mexiko als Mit-Gastgeber beteiligt sein werden. Und hat auf vielen Ebenen bereits wertvolle Erkenntnisse, aber auch Problemfelder offenbart.
Wo steht der Fußball in den USA nun also ein Jahr vor der WM? Welche Auswirkungen hat die umstrittene und aggressive Politik von US-Präsident Donald Trump darauf? Wird Thomas Müller jetzt in die amerikanische Liga wechseln? Unter anderem darüber hat t-online mit dem Sportjournalisten und Nordamerika-Experten Manuel Feth im Interview gesprochen.
t-online: Herr Dr. Veth, mit der Runde der besten acht Teams startet die Klub-WM in die heiße Phase. Ist die Zeit der leeren Stadien nun vorbei?
Manuel Veth: Dass die Klub-WM es hier schwer hat, konnte man schon am schleppenden Ticketverkauf vor dem Turnier erkennen. Bei den Exotenmannschaften, die dabei waren, ist das auch kein Wunder: Mamelodi Sundowns, Al-Ain, Urawa Red Diamonds, Ulsan Hyundai – das sind alles eher unbekannte Namen. Wenn dann Ulsan in der Vorrunde gegen Mamelodi spielt, wird es eben schwierig, Begeisterung zu erzeugen. Die Fifa hat das wohl überschätzt. Die Duelle der Topteams haben ja einigermaßen funktioniert. Es war aber klar, dass da ziemlich leere Stadien drohen. Deshalb hat die Fifa die Ticketpreise ja auch massiv heruntergesetzt und Pakete angeboten, die mit Tickets für die richtige WM im kommenden Jahr verbunden sind.

Das ist Dr. Manuel Veth
Manuel Veth (40) arbeitet als Area-Manager für den US-Ableger des Portals "Transfermarkt" in Nordamerika sowie als Autor für das Magazin "Forbes". Der Deutsch-Kanadier ist in München aufgewachsen und lebt mittlerweile in Victoria auf Vancouver Island. Seinen Doktortitel in Geschichte machte er am King's College in London.
Wie präsent ist dieses Turnier bei den Leuten in Nordamerika? Oder lag da eher der Fokus auf den Finals der NHL und NBA, die ja noch parallel zur Klub-WM liefen?
Auch die US-Sportligen wie die NBA haben teilweise Probleme mit Zuschauerzahlen. In Kanada lief zuletzt eigentlich nur die NHL richtig gut. Aber ich glaube nicht, dass die NBA und die NHL die Zuschauerzahlen bei der Klub-WM beeinflusst haben. Das Problem liegt woanders.
Wo?
Kaum jemand wusste vorher, dass die Klub-WM überhaupt hier stattfindet. Oder dass die WM 2026 kommt. Es gab null Werbung. Die Leute, mit denen ich mich unterhalten habe, sagen: "Da ist ein Turnier, aber kein Mensch hier weiß etwas davon." Bei der Euro 2024 in Deutschland war ein Jahr vorher alles voll mit Bannern. Hier: gar nichts.
Wie wird der FC Bayern in den USA und Kanada wahrgenommen?
Ich habe die Bayern vor drei Jahren auf ihrer US-Tour begleitet. Als sie damals in Wisconsin gegen Man City gespielt haben, war das Stadion komplett ausverkauft. Auch die Spiele in Miami gegen die Boca Juniors und im Achtelfinale gegen Flamengo waren jetzt wieder gut besucht. Der FC Bayern ist hier sehr populär, besonders im Mittleren Westen und in den Großstädten. Dort findest du in fast jeder Brauerei irgendwo in einer Ecke einen Bayern-Fanclub. Ich mache zusammen mit einem Kollegen einen Bundesliga-Podcast, der "Gegenpressing" heißt. 63 Prozent unserer Hörer sind aus Amerika – und 90 Prozent davon Bayern-Fans. Bayern zieht hier extrem – teils mehr als die Premier-League-Klubs.
Auch in Kanada?
Alphonso Davies spielt für den FC Bayern – deshalb ist der quasi die "Nationalmannschaft" im Ausland. Für das erste Gruppenspiel in Cincinnati gegen Auckland haben sich viele Karten gekauft – nur weil Bayern spielt.
Welche Bayern-Spieler kennt man abgesehen von Davies noch in Nordamerika?
Harry Kane, Jamal Musiala, Manuel Neuer, Thomas Müller und Michael Olise als ausstrebender Star, die sind alle sehr bekannt. Was die Bayern-Spieler gut machen: Sie sind mit US-Sportstars vernetzt und teilweise gut befreundet, gerade die jüngere Generation um Davies und Musiala, aber auch Serge Gnabry. Auf der US-Tour haben sie sich nach dem Spiel mit ihnen in der Kabine getroffen und Trikots getauscht. Solche Dinge werden dann auch hier auf dem Markt wahrgenommen.
Thomas Müller wird mit einem Wechsel in die amerikanische Major League Soccer (MLS) in Verbindung gebracht. Ein Engagement beim LAFC, Partnerklub des FC Bayern, gilt in München als wahrscheinlich. In den USA auch?
Ich habe mit Leuten von LAFC gesprochen – und die waren sehr überrascht über die Berichte aus Deutschland und haben gesagt, dass es nicht so heiß ist, wie es in Deutschland berichtet wird. Es ist noch nichts konkret. Ich bin nicht sicher, ob Müller wirklich in die MLS geht. Ich kann mir auch vorstellen, dass er nach Italien geht oder aufhört. Es sind schon einige US-Klubs an ihm interessiert. Aber bei LAFC glaube ich eigentlich nicht, dass Müller da in die Kaderplanung passt.
Warum?
Eigentlich sucht LA nach einem schnellen, dynamischen Spieler für die Offensive. Dafür steht Müller nicht gerade. Die Verbindung mit Bayern als Partnerklub ist zwar da – aktuell halte ich es aber für eher unwahrscheinlich, dass Müller tatsächlich nach LA wechseln wird. Wobei sich das jetzt vielleicht ändert, nachdem Olivier Giroud den Klub verlassen hat. Cheftrainer Steven Cherundolo, der den Klub am Ende der Saison verlässt, hat sehr offensiv über Müller gesprochen. Dieses Interview kam nicht bei allen LAFC-Verantwortlichen gut an. Ich habe so ein bisschen den Eindruck, dass die Bayern da vielleicht Einfluss nehmen könnten.
Wäre Müller eine ähnliche Attraktion für die Liga wie Lionel Messi bei Inter Miami?
Sicher – er ist ein Weltmeister. Aber: Messi kam mit Mega-Verträgen. Müller wäre nicht ganz auf dem Level und würde wohl keinen solchen Deal bekommen. Sein Camp verlangt wohl zwischen 8 und 10 Millionen Dollar. Marco Reus bekommt zum Beispiel 1,7 Mio. Dollar Gehalt plus Sponsoring über LA Galaxy. Bei Müller müsste man sehen, wer ihn als Marke sponsern würde – er ist ja ein spezieller Typ. Aber klar: In den USA wäre er ein großer Star, ein größerer als Reus. Auch Bastian Schweinsteiger wurde in Chicago damals auf der Straße in Chicago erkannt. Es wäre spannend zu sehen, wie Müller hier aufgenommen würde.
Viertelfinale
Freitag, 04.07.
Welche Bedeutung hatte und hat die Klub-WM und der Vergleich mit den europäischen Teams für die US-Klubs? Miami schaffte es mit Messi bis ins Achtelfinale.
Die Klub-WM ist schon wichtig. Und für MLS-Klubs ist das auch finanziell relevant – allein schon die etwa 9,5 Millionen Dollar Startprämie. Die MLS hat sich im kontinentalen Vergleich oft schwergetan, Vancouver hat im Concacaf-Finale zum Beispiel deutlich gegen Cruz Azul aus Mexiko verloren. Jetzt waren die MLS-Teams mitten in der Saison, standen also voll im Saft. Für die MLS war das ein Standorttest. Dass die Klubs mit den Top-Fünf-Teams aus Europa nicht mithalten kann, war klar. Aber mit den Ligen in Südamerika würde sich die MLS schon gerne auf Augenhöhe sehen. Das war bei der Klub-WM – abgesehen von Miami – aber größtenteils auch nicht der Fall. Wobei Seattle sich gegen Atlético Madrid, PSG und Botafogo trotz der Niederlagen sehr gut gehalten hat. Am meisten enttäuscht hat wohl LAFC.
Wo steht der Fußball insgesamt in den USA und Kanada – auch im Vergleich mit den anderen großen US-Sportarten?
Die NFL steht über allem und stellt – ähnlich wie in Deutschland der Fußball – alles andere in den Schatten. Bei einem NFL-Spiel schalten 25 bis 30 Millionen TV-Zuschauer ein. Bei einem MLS Finale vielleicht 800.000. Aber die Stadien sind trotzdem voll – oft deutlich mehr als bei der MLB oder der NHL. Fußball ist hier eher ein Live-Erlebnis-Sport. Die Leute gehen ins Stadion, weil das als Event ganz cool ist. Aber die würden sich jetzt nicht unbedingt deswegen den Fernseher anschalten.
Kann die WM 2026 einen Fußball-Boom in den USA auslösen?
Der Boom ist schon da – nur betrifft er nicht unbedingt die Einheimischen. Die Premier League und die Champions League werden hier viel geschaut. Die Frage ist, ob der Fußballboom auch irgendwann die MLS erfasst? Die wurde ja 1994 nach der letzten Fußball-WM in den USA gegründet. Jetzt – 32 Jahre später – ist der Moment für den nächsten Schritt der Evolution gekommen. Zu zeigen: Kann Fußball zur fünften großen Sportart in den USA werden? Und darum geht's eigentlich. Es ist halt die Frage, ob das funktionieren wird.
US-Präsident Donald Trump ist bereits bei der Klub-WM sehr präsent. Welche Ziele verfolgt er damit und vor allem auch mit der Fußball-WM im kommenden Jahr?
Na ja, er hat mittags ein Ziel und abends schon wieder ein ganz anderes. Momentan sind Kanada, die USA und Mexiko nicht gut aufeinander zu sprechen. Viele Kanadier boykottieren USA-Reisen wegen der von Trump verhängten Strafzölle. Auch US-amerikanische Produkte werden boykottiert. Wenn man von Kanada in die USA fährt, muss man an der US-Grenze normalerweise immer eine Stunde warten. Da war aber kein einziges Auto, als ich zuletzt über die Grenze wollte. Der Boykott ist real. Bei der WM wird es ein Riesenthema, dass die drei Gastgeberländer überhaupt nicht miteinander können. Im Moment ist es schwer vorstellbar, wie das funktionieren soll.
Passt Trumps aggressive Politik überhaupt zu so einem globalen Turnier wie der WM?
Überhaupt nicht – aber Katar und Russland haben da auch nicht gepasst. Wenn man die gleichen Standards nimmt, müsste man eigentlich darüber reden, den USA das Turnier wegzunehmen.
Warum?
Weil Menschen in den USA auf der Straße verhaftet und in Abschiebelager verfrachtet werden – darüber müsste berichtet werden, und ob die WM da überhaupt stattfinden kann. Aber das passiert nicht. Die USA sind auch kein geeintes Land.
Wie meinen Sie das genau?
In den demokratischen Staaten wie Kalifornien oder Washington State erlebt man ein ganz anderes Land als zum Beispiel in dem von den Republikanern dominierten Texas. Wenn ICE (die Einwanderungs- und Zollbehörde; Anm. d. Red) versucht, in San Diego jemanden zu verhaften, wehren sich die Menschen aktiv dagegen und scheuchen die Beamten von der Straße. Irgendwo im mittleren Westen wird das einfach zugelassen und sogar unterstützt. Diese Spaltung gehört zur Realität. Amerika ist nicht gleich Amerika. Trump hat die USA mit seiner Politik gespalten.
Bei der WM 2006 lautete das Motto: "Die Welt zu Gast bei Freunden." Jetzt sagte Trumps Vize JD Vance sinngemäß: Alle sind willkommen, aber bitte auch sofort nach dem Turnier wieder gehen. Sonst gibt es Ärger.
Das passt nicht zu so einem Turnier. Aber Gianni Infantino (Fifa-Präsident; Anm. d. Red.) ist das egal. Er will einfach nur finanziell das Maximum rausholen – egal wie und mit wem. Er geht nur noch ums Geschäft. Dafür will er mit allen Mitteln in den größten Markt reinstoßen.
Trump ermöglicht ihm das. Wie sehen Sie dieses Gespann, das er und Infantino bilden?
Die beiden passen gut zusammen. Die Frage ist: Wer ist Trump und wer Mini-Trump? Der Klub-WM-Pokal stand ja auch im Oval Office. Beide nehmen sich selbst schon sehr wichtig. Infantino hat jetzt ja sogar sein Bild ins Panini-Album der Klub-WM aufnehmen lassen.
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Trump spricht vom größten Sportevent der Geschichte, Infantino von drei Super Bowls pro Tag. Kann die WM 2026 nach den ernüchternden Zuschauerzahlen bei der Klub-WM trotzdem ein solches Turnier der Superlative werden?
Die Stadien werden voll sein und im Fernsehen wird es gut aussehen. Aber das Flair wie zum Beispiel 2006 in Deutschland wird fehlen.
Warum?
Die Distanzen sind einfach zu groß. Da können nicht einfach mal 40.000 Niederländer in den Campingvan steigen und schnell zu einem Spiel herüberfahren. Diese Spontanität fehlt komplett. Das war in Russland und Katar ähnlich, obwohl die Stadien 2022 sehr nah beieinander lagen. Die WM in den USA wird ein gut organisiertes Event, aber kein echtes Fußballfest wie in Europa.
- Telefonisches Interview mit Dr. Manuel Veth