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FC Barcelona: Wer folgt auf Wundercoach Luis Enrique?


Barças Mister X
Wer folgt auf Wundercoach Luis Enrique?

Von t-online
Aktualisiert am 10.03.2017Lesedauer: 6 Min.
Barcelona-Trainer Luis Enrique beim Champions-League-Spiel gegen Paris.Vergrößern des BildesBarcelona-Trainer Luis Enrique beim Champions-League-Spiel gegen Paris. (Quelle: dpa-bilder)
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Von Florian Haupt

Im Prinzip könnte Barça-Trainer Luis Enrique morgen abtreten, er hat in knapp drei Jahren alles erreicht. Zum Saisonende wird er sich zurückziehen, das hat der 46-Jährige bereits angekündigt. Die Spekulationen um seine Nachfolge sind in vollem Gange: Sampaoli, Valverde, womöglich Tuchel – oder macht es am Ende der Assistent?

Vielleicht hat Enrique nicht den Fußball neu justiert wie sein Vorvorvorgänger Pep Guardiola. Aber doch das zweite Triple in der Geschichte des FC Barcelona gewonnen (2015), als erstes spanisches Team seit 63 Jahren ein nationales Double verteidigt (2016) und nun, durch das irrsinnige 6:1 gegen Paris St. Germain, die größte Aufholjagd der Europacupgeschichte initiiert. Triumph, Konstanz und Epik – was will man mehr? Und ja, beim Heldenstück gegen die Franzosen war Luis Enrique mehr als nur ein privilegierter Beobachter. Mehr auch als ein Trainer. Viel mehr.

Enrique war gewissermaßen der Raison d’être hinter der ganzen Veranstaltung. Der heimliche Regisseur dieses Wunders. Wer die Wochen zwischen dem 0:4 in Paris und dem denkwürdigen Mittwoch in Barcelona verfolgt hat, kommt kaum umhin, alle Strippen bei ihm zusammenlaufen zu sehen.

Alles begann mit der – vom Zeitpunkt her – überraschenden Erklärung seines bevorstehenden Abgangs, exakt eine Woche vor dem Paris-Spiel. Damit setzte er nicht nur einen frischen Impuls, befreite sich selbst von einer Last und die Mannschaft von einem Alibi. In derselben, gut zwei Minuten langen Begründung richtete er auch den Blick auf den PSG und erwähnte erstmals, was aufgrund der mäßigen Leistungen seiner Mannschaft bis dahin als Tabu gegolten hatte: "Ich bin mir sicher, dass wir eine Möglichkeit bekommen, das umzubiegen – wenn die Sterne sich verbünden."

Die Botschaft vertiefte er bis zum Anpfiff immer weiter. Auf der internationalen Pressekonferenz am Vortag des Spiels ging er so weit zu sagen, es bräuchte für diesen Coup kein epochalen Fußball, schon "eine gute Leistung" würde wohl ausreichen. Außerdem appellierte er an das Publikum, für einen nie gesehenen Hexenkessel zu sorgen, prognostizierte die geringere internationale Erfahrung der Franzosen als Vorteil und sprach von sechs Toren, die seine Mannschaft in 90 Minuten zu schießen imstande sei. Luis Enrique lehnte sich weit aus dem Fenster. Doch alles sollte exakt so eintreten.

Tatsächlich erlebten die knapp 100.000 im Camp Nou dann eine Mannschaft nach der Façon ihres kämpferischen Trainers, die ihre Treffer größtenteils mehr über die Linie zwang als spielte. Die Sterne verbündeten sich wirklich für Luis Enrique, alles, was er anfasste, wurde zu Gold. Mit dem Eigengewächs Sergi Roberto avancierte nicht umsonst ein Einwechselspieler zum Siegtorschützen; einer zumal, den er ist seiner Amtszeit als einzigen Nachwuchsprofi wirklich und beständig gefördert hatte.

Nachfolger schon jetzt ein Verlierer?

Als er seinen Auftritt auch noch mit starken Interviews abgerundet hatte ("Dieser Sport ist für Übergeschnappte"), verließ die vermeintliche "lahme Ente" das Camp Nou als sagenumwobener Triumphator. Sofort wurde Klubpräsident Bartomeu gefragt, ob er den Architekten dieses Wunders nicht vielleicht doch zum Rücktritt vom Rücktritt überreden könne. Und so hinterließ der Abend neben den Gästen aus Paris noch einen weiteren möglichen Verlierer: Luis Enriques Nachfolger.

Was nach einer relativ dankbaren Amtsübernahme aussah (talentierte, aber etwas verbrauchte und offenbar auch nicht mehr ganz so erfolgreiche Mannschaft mit Bedarf für neue Ideen), könnte sich noch als titanische Aufgabe erweisen – sollte Luis Enrique womöglich ein zweites Mal die Champions League und wer weiß, eventuell vielleicht gar ein zweites Triple gewinnen. Man sieht ja nicht zuletzt an Guardiolas drei Jahren beim FC Bayern, welch’ großen Schatten die Erfolge eines Vorgängers werfen können. Trotz dreier Meisterschaften wird die Bilanz des Katalanen in München wohl für alle Zeiten die Gemüter spalten; Vorgänger Heynckes hatte eben mehr gewonnen.

In der Trainerbranche werden solche Veränderungen der Jobbedingungen genau beobachtet. Weshalb dieser Tage und Wochen nicht nur der FC Barcelona überlegt, welcher der unzähligen Kandidaten für die Nachfolge es denn sein soll. Sondern auch die Kandidaten grübeln, ob der Zeitpunkt zur Übernahme der grundsätzlich immer reizvollen Anstellung im Camp Nou wirklich ideal ist. Denn abgesehen vom möglichen Vorgängermythos gibt es ja schon noch andere potenzielle Probleme wie das unvermeidliche Altern der Heldengeneration um Messi und Iniesta.

Was das Zueinanderfinden außerdem nicht erleichtert: Alle halbwegs ernsthaften Anwärter stehen derzeit noch anderswo unter Vertrag. Und nur bei wenigen läuft der Kontrakt so entspannt im Sommer aus wie bei Ernesto Valverde.

Der 53-Jährige von Athletic Bilbao gilt aktuell als Favorit. Schon bei der Verpflichtung von Luis Enriques Vorgängern Tata Martino und Tito Vilanova wurde sein Name hoch gehandelt; einmal fiel die Wahl nicht auf ihn, einmal sagte er selbst ab. Valverde wäre eine Sicherheitslösung. Er kennt sowohl die spanische Liga als auch den Klub – als Profi spielte er unter Johan Cruyff – und Barças Fußballidee; auch wenn er sie ähnlich wie Luis Enrique eher pragmatisch interpretiert. Gegen den ehemaligen Coach von Espanyol, Villarreal oder Valencia spricht, dass er noch nie einen Klub der Dimension Barças trainiert hat. Unter dem Strich hätte die Wahl seiner Person kaum Gegner. Sie würde aber auch nicht wirklich auf Begeisterungsstürme stoßen.

Messis Meinung nicht ganz unerheblich

Anders wäre das sicher bei einem Mann wie Jorge Sampaoli. Der Argentinier vom Sevilla FC beeindruckt während seiner ersten Saison in Europa die Experten und Anhänger gleichermaßen. Die Nationalmannschaft von Chile führte Sampaoli 2015 bei der Südamerikameisterschaft zu ihrem ersten großen Turniersieg überhaupt. Im Finale wurde damals Lionel Messis Argentinien bezwungen. Seitdem wird Barças Superstar eine gewisse Bewunderung für seinen Landsmann nachgesagt, und da er selbst seinen 2018 auslaufenden Vertrag noch verlängern muss, gilt Messis Meinung bei vielen Insidern als nicht ganz unerheblich bei der Trainersuche.

Sampaoli wird zur Schule der "Bielsistas" gezählt, der Anhänger des argentinischen Trainerguru Marcelo Bielsa, der einen intensiven, hochtourigen Offensivfußball mit Mann-gegen-Mann-Verteidigung und überfallartigen Kollektivangriffen predigt. Zu Bielsas Verehren zählt auch Guardiola, der ihn erst kürzlich als "besten Trainer der Welt bezeichnete". Guardiola setzte Teile der Konzepte während seiner Zeit im Klub um, eine radikale Anwendung durch Sampaoli oder einen anderen Bielsista wie Eduardo Berizzo (Celta Vigo) oder Mauricio Pochettino (Tottenham) wäre jedoch sicher eine reizvolles Experiment. Sampaoli hat immerhin schon mal eine Ausstiegsklausel in Sevilla.

Und sonst? So ziemlich jeder Spitzentrainer, der nicht Guardiola heißt ("Meine Zeit als Barça-Trainer ist für immer vorbei") oder nicht zu deutlich mit dem Erzfeind Real Madrid in Verbindung steht (Mourinho, Ancelotti). Auch zwei deutsche Kandidaten tauchen immer mal wieder auf. Wobei einer weniger Sinn macht: Jürgen Klopp hat seine Präferenz für "Heavy-Metal"-Fußball gegenüber der katalanischen Filigranschule mehrfach kundgetan. Der andere dafür umso mehr: Thomas Tuchel ist bekennender Bewunderer von Guardiola und äußerte sich gerade erst nach dem Coup gegen Paris auch als einer des ganzen Klubs ("Ich liebe Barça"). Seine Liebe zu kultiviertem Passfußball und taktischer Innovation würde in Barcelona mit offenen Armen empfangen werden – wenn man ihn denn im Klub überhaupt studiert.

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Denn das ist letztlich die entscheidende Frage: Was sind überhaupt die Kriterien? Wie weit geht der Blick? Angesichts eines Vereins, der seit dem Rauswurf von Sportdirektor Andoni Zubizarreta vor zwei Jahren über keinen profilierten Fachmann auf der Führungsebene mehr verfügt, sind sich da selbst Insider oft nicht sicher. Der aktuelle Posteninhaber Robert Fernández gilt eher als Manager und verfügt auch nicht über das entscheidende Wort. Kürzlich ließ er sich aber schon mal eine Bemerkung entlocken, die eher in andere Richtung deutet als in die eines Tuchels. "Es wäre natürlich sehr gut, wenn er das Haus kennt", sagte er über Barças Mister X.

Eine Lösung sollte daher auf keinen Fall ausgeschlossen werden: die naheliegende. Assistent Juan Carlos Unzué hat unter Cruyff gespielt und schon unter Frank Rijkaard und Pep Guardiola trainiert (die Torhüter), bevor er bei Luis Enrique zur Nummer Zwei avancierte. Zwar beschränkt sich seine Chefcoach-Erfahrung auf ein Jahr beim Zweitligisten Numancia, doch in der Mannschaft gilt er als beliebt und dieselbe Lösung wurde schon am Ende der Ära Guardiola praktiziert, als dessen Vize Tito Vilanova aufrückte. Unzué gehört auf jeden Fall zu den Profiteuren des Wunders von Barcelona: Mit jedem Triumph von Luis Enrique steigen seine Aktien.

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