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EM 2024: Effenberg über DFB-Sieg gegen Schottland – "Das hatten sie auf keinen Fall erwartet"


Schottland geht gegen DFB-Elf unter
Das war einer EM nicht würdig

MeinungEine Kolumne von Stefan Effenberg

Aktualisiert am 15.06.2024Lesedauer: 4 Min.
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Berauschender Auftakt: Florian Wirtz (li.) feiert im Spiel gegen Schottland mit Teamkollege Joshua Kimmich.Vergrößern des Bildes
Berauschender Auftakt: Florian Wirtz (li.) feiert im Spiel gegen Schottland mit Teamkollege Joshua Kimmich. (Quelle: IMAGO/Jan Huebner/imago-images-bilder)

Das EM-Eröffnungsspiel wurde für die DFB-Elf zum Fußballfest. t-online-Kolumnist Stefan Effenberg erklärt, worauf Bundestrainer Julian Nagelsmann nun unbedingt achten muss – und was noch für Spannung sorgen könnte.

Ich habe schon vor Wochen gesagt: Das EM-Auftaktspiel gegen Schottland ist für uns optimal – und im Nachhinein hat sich das durch das 5:1 bewahrheitet. Zum Start direkt gegen Ungarn oder gegen die Schweiz zu spielen, wäre sicherlich weitaus unangenehmer für die deutsche Mannschaft geworden.

Jetzt haben sie aber fünf Tore und drei Punkte auf der Haben-Seite. Das tut gut. Wenn ich das Spiel vom Freitag in wenigen Worten zusammenfassen müsste, würde ich sagen: Tolles Ergebnis, gutes Spiel – aber auch ein extrem schwacher Gegner. Und ich muss es so sagen: Das war auch einer Fußball-Europameisterschaft nicht würdig.

Denn auch wenn die deutsche Mannschaft die absolute Kontrolle hatte, waren die Schotten einfach zu harmlos. Sie haben nichts von dem gezeigt, was sie angekündigt hatten und was sie eigentlich ausmacht: Zweikampfstärke, Robustheit – da war gar nichts. Denn aus dem Spiel heraus sind sie sowieso unterlegen. Wenn aber noch nicht einmal deine eigenen Stärken zutage kommen – dann wirst du vorgeführt.

Uns hat das natürlich voll in die Karten gespielt. Die DFB-Elf hat das einfach sehr gut gemacht, hat den Gegner laufen lassen, die Lücken immer wieder genutzt, das vertikale Spiel hat funktioniert – und fünf Stück zum Start können sich sehen lassen. Wenn du so ins Turnier startest, ist das immer wunderbar, das letzte Länderspiel mit fünf deutschen Toren ist dazu schon exakt zwei Jahre her gewesen (beim 5:2 im Test gegen Italien, Anm. d. Red.).

Mir hat besonders gut die Aufteilung im Mittelfeld gefallen: Toni Kroos in der Defensive, İlkay Gündoğan im letzten Drittel – das hat sehr gut geklappt. Ich konnte die Diskussion, die um Gündoğan geführt wurde, sowieso nie nachvollziehen. Er ist ein herausragender Spieler, erst bei Manchester City, jetzt beim FC Barcelona – und hat gestern auch endlich im deutschen Trikot gezeigt, was er für Fähigkeiten hat.

Sehr gefreut hat mich auch, dass die drei Offensiven alle ihr Tor gemacht haben – das ist gut für das Gefühl, für das Selbstvertrauen. Erst Florian Wirtz, dann Jamal Musiala, dann Kai Havertz – und dann kommt auch noch Niclas Füllkrug rein und trifft direkt. Das ist enorm wichtig.

Ich glaube aber auch, dass die deutschen Spieler überrascht waren, dass sie überhaupt nicht gefordert wurden. Das hatten sie so auf keinen Fall erwartet. Vor dem Spiel hätte jeder ein 5:1 unterschrieben. Dass es ihnen aber letztlich dann so leicht gemacht wurde, das müssen alle erkennen. Aber das wird die Mannschaft tun, das wird auch Bundestrainer Julian Nagelsmann tun – und da wird ganz bestimmt DFB-Sportdirektor Rudi Völler mit seiner Erfahrung eine wichtige Rolle spielen. Er wird den Jungs sagen, wie man so ein Resultat einzuschätzen hat. Das ist ganz entscheidend. Kroos hat es schon am Freitagabend gesagt: Er wisse nicht, "ob man nach so einem Spiel schon im Flow ist". Und er hat Recht: Dieses 5:1 dürfen sie jetzt nicht zu hoch hängen. Das wäre ein großer Fehler.

Deutschland muss dieses Spiel stattdessen so schnell wie möglich abhaken, die Euphorie mitnehmen. Trainerteam und Spieler sollten sich jetzt nicht an großen Analysen versuchen – denn da gab es nicht viel. Dafür war der Qualitätsunterschied einfach zu extrem.

Jetzt warten in der Gruppe andere Gegner – nach dem Eindruck des Spiels zwischen Ungarn und der Schweiz am Samstag sage ich aber: Die DFB-Elf sollte diese Aufgaben zwar mit Respekt angehen – aber keinesfalls Angst haben. Das 1:3 aus Sicht der Ungarn war völlig verdient – und könnte nun für Spannung sorgen.

Denn am Mittwoch gegen Deutschland dürfen sie sich keine weitere Niederlage erlauben. Das ist für die Ungarn jetzt schon ein K.-o.-Spiel. Wenn du nach zwei Partien null Punkte hast, dann reicht das nicht mal mehr für Platz drei in der Gruppe, um weiterzukommen. Da müssen sie sich enorm steigern. Gegen die Schweiz hat Ungarn zwar Ansätze gezeigt, aber das reicht bei einem großen Turnier nicht aus. Die erste Halbzeit war einfach schlecht – so schlecht, dass sich sogar ungarische Freunde bei mir gemeldet haben und sagten: So einen schwachen Auftritt ihrer Mannschaft hätten sie lange nicht mehr gesehen. Dem schließe ich mich an.

Ich erinnere an die letzten Turniere: Da waren sie immer extrem kompakt und diszipliniert, sowohl nach vorne als auch in der Defensive im Spiel gegen den Ball. Die deutsche Mannschaft muss nun zumindest damit rechnen, dass diese Härte, die sie eigentlich schon von den Schotten erwartet hatten, am Mittwoch mit voller Wucht kommt.

Trotzdem: Auch beim Blick auf den Auftritt der Schweiz hat sich bei mir der Eindruck verfestigt, dass wir die Vorrunde als Gruppensieger beenden und von Platz eins ins Achtelfinale gehen. Wir haben eine höhere Qualität, ein höheres Niveau, wir haben die Fans im Rücken. Da bin ich sehr, sehr guter Dinge.

Nagelsmann sollte nun vor dem nächsten Spiel auch nichts an seiner Aufstellung verändern, wenn es keine Verletzten gibt – warum auch? Er hat keinen Grund, irgendetwas umzustellen. In dieser Formation und mit diesem Personal hatte man auch im Vorfeld gespielt, und genau so sollte es auch weitergehen.

Worauf sich die Mannschaft mindestens zu Beginn jeder Partie verlassen kann, ist die Unterstützung der Fans. Gegen Schottland entstand durch den Spielverlauf fast ein kleiner kollektiver Rausch, der die DFB-Elf auch getragen hat. Jetzt liegt es an den Spielern, diesen Rückhalt so aufrechtzuerhalten. Dafür sind sie selbst verantwortlich.

Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
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