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Weshalb gerade jetzt? Hansi Flick spricht über DFB-Krise


Jammernder Bundestrainer
Kein Gespür

  • David Digili
MeinungVon David Digili

Aktualisiert am 01.08.2023Lesedauer: 4 Min.
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Hansi Flick: Der Bundestrainer sah sich zuletzt starkem Gegenwind ausgesetzt. (Quelle: Markus Gilliar/GES Sportfoto/getty-images-bilder)

Hansi Flick meldet sich zu Wort und beklagt sich, beschwert sich, rechtfertigt sich. Warum gerade jetzt?

"Und das kommt jetzt?", fragte Thomas Müller. Gerade hatte sich der FC Bayern in einem denkwürdigen Saisonfinale seine elfte Meisterschaft in Folge gesichert, da wurde der noch freudetrunkene Angreifer von Sky-Moderator Sebastian Hellmann nichtsahnend mit der Meldung überfallen, dass sich die Münchner vom Führungsduo Oliver Kahn und Hasan Salihamidžić trennen. Der an Irrsinn kaum zu überbietende letzte Bundesligaspieltag war für den Sportboulevard auf einen Schlag komplett nebensächlich.

Und genauso möchte man Bundestrainer Hansi Flick nun fragen: "Und das kommt jetzt?"
Denn der 58-Jährige hat mit Timing und Inhalt seiner letzten Äußerungen nicht nur das Feingefühl eines Presslufthammers bewiesen. Mehr noch: Flick will Sicherheit und Kontrolle demonstrieren – und demonstriert dabei alles, nur nicht Sicherheit und Kontrolle.
"Jetzt beginnt die EM-Vorbereitung", sagte Flick an diesem Montag dem "Kicker". Er habe "keinen Bock mehr darauf, Spiele zu verlieren, es kotzt mich an". Und: "Ab jetzt gilt's!", kündigte er an, als würden die Nationalspieler qua bundestrainerlichem Diktat denn plötzlich den berauschenden Sonntagsfußball spielen, der seit Jahren vermisst wird.

"Du musst was tun"

Bei nur noch wenigen verbliebenen Länderspielen bis zur Heim-Europameisterschaft 2024 drängt sich außerdem die Frage auf, ob die vom Bundestrainer vielfach beschworene "Testphase" in den fünf vorangegangenen Partien nicht etwas zu großzügig bemessen war. Diese Frage wird für Flick spätestens dann zum großen Thema, wenn die EM ähnlich vereselt wird wie die vergangenen beiden Weltmeisterschaften.

Schon in der vergangenen Woche wagte der grundsätzlich besonnene, aber zuletzt auch zunehmend dünnhäutige Flick eine unvermittelte Breitseite gegen die Medien, zumal mitten in der Sommerpause. Eine "Unverschämtheit" und eine "Dreistigkeit" seien Unterstellungen, in der Nationalmannschaft würde nicht nach Leistung aufgestellt, postulierte Flick mit einer offenbar ungebrochenen Hybris auf dem 65. Internationalen Trainer-Kongress des Bundes Deutscher Fußball-Lehrer vergangene Woche. Und verschwendete offenbar keinen Gedanken daran, warum solche Vermutungen denn schon seit Jahren immer wieder aufkommen. Stattdessen könnten sich selbst Manuel Neuer und Thomas Müller ihrer Nominierungen fortan nicht mehr sicher sein, verkündete er.

Ein bisschen wirkte es, als wäre Flicks neuerliche Volte von findigen PR-Leuten orchestriert worden. "Du musst was tun." Ähnlich wie bei Thomas Gottschalk, wenn der Entertainer mal wieder gedanklich mehr in Malibu war, denn in Mainz oder den Titel von Armin Rohdes neuem Film verbaselt hatte und beim nächsten "Wetten, dass?" dann demonstrativ informiert tat.

So unbeweglich wie die "Ever Given" im Suezkanal

Kein Wunder, hatte sich Flick den zuletzt arg bräsigen Auftritten seiner Mannschaft doch in TV-Interviews angepasst, wirkte in seinen Ausführungen schwerfällig, ideenlos, ohne Esprit. Bis auf den gebetsmühlenartigen Verweis auf die Bedeutung der kommenden Länderspiele im September und Oktober und die Deklarierung der vorangegangenen Partien zur Testphase hatte Deutschlands Auswahltrainer nicht viel zu bieten.

So aber hat Flick nicht nur sich, sondern auch dem deutschen Fußball keinen Gefallen getan. Denn natürlich werden derart deutliche Wortmeldungen des wichtigsten DFB-Trainers von der Öffentlichkeit dankbar aufgeschnappt – und lenken ab vom aktuellen Geschehen, dem eigentlich die ganze Aufmerksamkeit gehören sollte.
Flicks erste Äußerungen drangen am vergangenen Montag in die Presse – am Tag des WM-Auftakts der DFB-Frauen, deren 6:0-Turnierstart gegen Marokko durchaus als gelungen bezeichnet werden darf. Endlich mal wieder optimistische, inspirierende Nachrichten vom deutschen Fußball, der zuletzt so träge und unbeweglich wirkte wie die "Ever Given" im Suezkanal.

Und dann kam Flick, als wäre er der Hausmeister, der der Mittelstufenparty in der Schulaula um 22 Uhr gefühllos den Saft abdreht, und erinnerte daran, was in den vergangenen Jahren rund um den DFB eben so überhaupt keinen Spaß gemacht hat.

Flick hat die Fieldreporter verursacht

Mal abgesehen davon: Großes Risiko liegt in den Äußerungen auch nicht: Was hat Flick schon gesagt? Dass selbst Neuer und Müller wackeln? Wann Neuer auf den Platz zurückkehrt, ist noch unsicher, der Torwart erlitt unlängst einen Rückschlag in der Reha. Und wenn Müller so spielt, wie Müller normalerweise spielt, dann wird er wiederum um eine Nominierung gar nicht herumkommen. Beiden Spielern hat er damit übrigens auch jetzt schon wieder das endlose Gebohre von eifrigen Fieldreportern aufgehalst, die bei jeder Gelegenheit wieder fragen werden, ob und wie und warum und wann denn, bis Neuer oder Müller zumindest mal eine Augenbraue hochziehen.

Flicks Gespür für den richtigen Moment ist aktuell ähnlich falsch kalibriert wie das seines Vorgängers, neben dem er wohlgemerkt acht Jahre als Co-Trainer auf der Bank saß. Auch Joachim Löw wurden mitunter Schwächen in der Kommunikation vorgeworfen. Nicht erst, seit er nach der verkorksten WM 2018 eine Erklärung für das Aus lieferte, die keine Erklärung war, und Monate später im März 2019 unvermittelt am Trainingsgelände des FC Bayern vorfuhr, um Müller, Mats Hummels und Jérôme Boateng quasi im Vorbeifahren aus der Limousine ihre vorübergehende Ausbootung zuzurufen.

Flick müsste es also besser wissen. Stattdessen versteigt er sich zum falschen Zeitpunkt zu Kraftansagen und verbalem Machtgewurschtel.

Um es mit Thomas Müller zu sagen: "Und das kommt jetzt?"

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