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DFB: Owen Hargreaves über die Nationalmannschaft von Julian Nagelsmann


Musiala als Fixpunkt der Nationalelf
"Wir hätten ihn gerne in unserem Trikot gesehen"

InterviewVon Julian Buhl

Aktualisiert am 11.10.2023Lesedauer: 6 Min.
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Jamal Musiala: Er hat in der vergangenen Saison überzeugt.Vergrößern des Bildes
Jamal Musiala: Er hat in der vergangenen Saison überzeugt. (Quelle: IMAGO/Philippe Ruiz)

Vor Nagelsmanns Debüt analysiert Owen Hargreaves bei t-online die Lage der Nationalelf. Er erklärt, wo der Bundestrainer jetzt ansetzen muss und nennt einen großen Hoffnungsträger.

Die kurze Ära von Hansi Flick als Bundestrainer ist Geschichte. Jetzt soll sein Nachfolger Julian Nagelsmann die Nationalelf knapp acht Monate vor der Heim-EM wieder zurück in die Erfolgsspur bringen.

Sein Debüt als Nationaltrainer wird er im Rahmen der Nordamerika-Reise des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) gegen die USA (14.10.) und Mexiko (18.10.) feiern. Klar, dass das auch die Experten besonders im Blick haben – national genau wie international.

Wie die deutsche Nationalelf momentan im Ausland wahrgenommen wird und wie die Erwartungen an sie dort aussehen? Darüber hat t-online mit dem ehemaligen Bayern-Profi Owen Hargreaves, der mittlerweile als TV-Experte in England arbeitet, gesprochen. Der 42-Jährige hat kanadische, aber auch britische Wurzeln und spielte in seiner Karriere für die englische Nationalmannschaft.

t-online: Herr Hargreaves, Hansi Flick wurde als Bundestrainer entlassen, Julian Nagelsmann startet jetzt im Rahmen der USA-Reise als neuer Nationalcoach. Wo steht die deutsche Nationalmannschaft aus Ihrer Sicht knapp acht Monate vor der Heim-EM?

Owen Hargreaves: Da ist so viel passiert. Deswegen ist das momentan schwer zu sagen. Hansi Flick ist für mich einer der besten Trainer, hat einen unglaublichen Job gemacht bei Bayern. Aber bei der Nationalmannschaft hat es nicht funktioniert. Nach den vielen schlechten Ergebnissen und so wie sein Team gespielt hat, handeln die Verantwortlichen – ob das bei Bayern oder bei der Nationalelf ist – dann eben und es gibt Veränderungen. Das ist schade für Hansi. Aber Julian Nagelsmann ist auch ein Toptrainer, der super zur Nationalmannschaft passen wird. Insgesamt bin ich aber schon überrascht, wie schlecht es momentan mit der deutschen Nationalelf läuft.

Warum genau?

Als ich noch hier in Deutschland gespielt habe, war das Geile an der Nationalelf doch diese Mentalität. Sie waren vielleicht nicht immer die beste Mannschaft, die den besten Fußball gespielt hat. Aber bei den Turnieren und vor allem in den K.-o.-Spielen, wenn es darauf ankam, waren sie immer am besten, mit vielen starken Persönlichkeiten einfach da.

Die Sie jetzt vermissen?

Das geht momentan alles ein bisschen verloren – diese Wettkampfbereitschaft, diese Mentalität. Jetzt versuchen alle, den perfekten Fußball zu spielen mit 70 Prozent Ballbesitz. Aber Fußball ist nicht perfekt. Ab und zu musst du auch mal mit anderen Mitteln gewinnen. Das hat man auch bei Pep Guardiola mit Manchester City gesehen. Im Champions-League-Finale hat er mit vier Innenverteidigern gespielt, hinten dichtgemacht. Weil er wusste, dass sein Team vorne trotzdem schon was machen würde. Die deutsche Mannschaft war bei den letzten Spielen und Turnieren immer so offen. Sie stand dermaßen hoch, hatte 70 Prozent Ballbesitz – und ist dann immer ausgekontert worden.

Was muss sich nun konkret verändern?

Klar, Fußball verändert sich, die deutsche Mannschaft hat sich verändert und versucht, offensiv zu spielen. Ich denke aber, dass es vielleicht besser wäre, etwas tiefer zu stehen, defensiv die Zweikämpfe zu gewinnen. Und dann hast du immer noch Topspieler dabei, die die Spiele entscheiden können. Ich freue mich für Julian. Er ist ein super Trainer und wird jetzt schon das Richtige machen. Die Mannschaft hat schon großes Potenzial und eine EM zu Hause ist einfach etwas ganz Besonderes. Sie können definitiv besser spielen, als sie es zuletzt getan haben.

Sie haben die DFB-Elf, der traditionell ja der Ruf vorauseilt, eine Turniermannschaft zu sein, mit Blick auf die EM 2024 also noch nicht abgeschrieben?

Wenn sie so weiterspielen wie bisher, wird es mit Sicherheit sehr eng für sie, da eine gute Rolle zu spielen. Aber wenn sie jetzt die richtigen Dinge tun, dann kann Deutschland das Turnier vielleicht sogar auch gewinnen. Warum nicht? Aber dafür müssen sie schon einige Dinge ändern. Ich bin sicher, dass Julian das auch tun wird. Diese Turniermannschaft war man früher, aber man kann nicht mehr sagen, dass es immer noch so ist. Denn bei den letzten Turnieren war die deutsche Nationalelf alles andere als erfolgreich. Vielleicht sollte man sich wieder auf das besinnen, was die deutschen Teams früher ausgezeichnet hat. Deutschland war immer unheimlich schwer zu spielen. Wenn man sich jetzt die vergangenen Spiele anschaut – ob gegen Japan oder Costa Rica –, waren sie einfach immer viel zu offen. Das macht es natürlich leichter, gegen Deutschland zu spielen.

Viel Zeit bleibt Nagelsmann allerdings nicht mehr, um diese Fehler abzustellen.

Ich gehe trotzdem davon aus, dass sie bei der Nationalmannschaft jetzt ein bisschen zurück auf null gehen. Ein bisschen defensiver stehen, den Fokus mehr auf die Zweikämpfe. Sie können und sollen immer noch Fußball spielen in den entscheidenden Momenten. Aber vielleicht ein bisschen mehr in den Umschaltmomenten oder Kontersituationen. Sie haben so viele geile Spieler und einen super Trainer. Sie müssen nur einen Plan finden, um auch Erfolg zu haben.

53. Spieltag

Welche Rolle kann Jamal Musiala dabei einnehmen? Als erst 20-Jähriger schon die des Anführers dieser Mannschaft?

Das muss er aufgrund seiner Fähigkeiten eigentlich sein. In dieser Richtung darf man von jungen Menschen aber auch nicht zu schnell zu viel erwarten. Jamal ist noch ein superjunger Spieler. Sein Talent ist Wahnsinn und Weltklasse. Er muss weiter dazulernen, jedes Jahr ein bisschen mehr Verantwortung übernehmen. Harry Kane war auch nicht schon mit 20 der entscheidende Spieler der Nationalelf. Von daher ist Jamal auf einem guten Weg. Den Job, Leader des Teams zu sein, müssen aber hauptsächlich die erfahreneren Führungsspieler wie Joshua Kimmich oder İlkay Gündoğan erledigen. Das wird entscheidend sein und von diesen Spielern kann er noch viel lernen. Aber eins ist klar: Wenn Nagelsmann einen Plan mit der Nationalelf entwickelt, muss Jamal das Herzstück davon sein.

Wie sehen Sie Musialas fußballerische Entwicklung und wo kann die ihn noch hinführen?

Auch er ist ein geiler Kicker, ich mag ihn wirklich sehr. Ich habe schon vor Jahren zu Rio Ferdinand gesagt, dass er mich an Kaká damals beim AC Milan erinnert. Er hat jetzt auch noch mal einen Schritt gemacht und macht es insgesamt unheimlich gut. Er ist sehr flexibel einsetzbar, kann auf vielen Positionen spielen. Ein toller Spieler. Er ist jetzt schon auf allerhöchstem Niveau entscheidend bei Bayern. Und für mich war er auch Deutschlands bester Spieler bei der WM. Jamal ist ein Ausnahmetalent. Ich bin gespannt, wie weit er es in seiner Karriere bringen wird. Er hat das Talent, um wirklich einer der besten Fußballer der Welt zu werden.

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Aber definitiv kein englischer Nationalspieler mehr. Bedauern Sie es ein wenig, dass Musiala, der in London aufgewachsen ist, sich gegen die englische und für die deutsche Elf entschieden hat?

Schade. Bei dieser Entscheidung hat er sicher auch berücksichtigt, welche Spieler da auf seiner Position spielen – in England sind das unter anderem Foden und Rashford. Er hat beide Nationalitäten in sich. Ich kenne das gut und stand damals vor der Wahl zwischen Kanada und England. Es ist eine persönliche Entscheidung, die ich aber komplett nachvollziehen kann. Natürlich hätten wir ihn gerne im Trikot der englischen Nationalelf gesehen. Aber in dem der deutschen ist er schon auch gut aufgehoben.

England hat den Titel im Finale der EM 2021 im Wembley-Stadion nur knapp verpasst. Das Team ist unter anderem mit Jude Bellingham und Harry Kane weiterhin sehr stark besetzt. Ist diese Mannschaft auf dem Weg zum Titel jetzt überhaupt noch mal aufzuhalten?

Das könnte schon schwierig werden. Das englische Team ist wirklich super. Marcus Rashford, Phil Foden, James Maddison, Bukayo Saka – das sind alles tolle Spieler. Es gewinnt aber nicht immer auch die beste Mannschaft. Es sind die kleinen Details, die in den entscheidenden Momenten darüber entscheiden. Auch Argentinien war bei der WM nicht die beste Mannschaft, aber sie haben den Titel trotzdem gewonnen. Sie haben als Team zusammengespielt und waren so in den wichtigen Momenten da. England hat das Talent im Team, um Europameister zu werden, und ist mit Sicherheit einer der Favoriten. Aber es gibt noch viele andere, wirklich gute Teams.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Interview mit Owen Hargreaves
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