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Joshua Kimmich im DFB-Team: Er will doch nur spielen


Joshua Kimmich
Die Lage hat sich verändert


26.03.2024Lesedauer: 6 Min.
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Joshua Kimmich: Der Nationalspieler wird hinten rechts in der Abwehr gebraucht.Vergrößern des Bildes
Joshua Kimmich: Der Nationalspieler wird hinten rechts in der Abwehr gebraucht. (Quelle: IMAGO/H. Langer)

Lange war Joshua Kimmich ein zentrales Gesicht der Nationalmannschaft. Aktuell rückt er etwas in den Hintergrund – für den großen Traum.

Von Benjamin Zurmühl, Frankfurt

Joshua Kimmich hat im Vereinsfußball nahezu alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Als Teil der "Sextuple-Bayern" reckte er 2020 und 2021 einen Pokal nach dem anderen in die Luft. Doch "vollendet" fühlt sich der 29-Jährige offenbar noch nicht. Denn mit der Nationalmannschaft hat Kimmich nur 2017 den Confederations Cup, die WM-Generalprobe, gewonnen. Bei der EM 2016 scheiterte er mit der DFB-Auswahl im Halbfinale, 2021 im Achtelfinale. Bei den Weltmeisterschaften in Russland (2018) und Katar (2022) war bereits nach der Gruppenphase Schluss.

Nach dem Aus in Katar sprach Kimmich vom "schwersten Tag seiner Karriere" und der "Angst, in ein Loch zu fallen". Mit Tränen in den Augen führte er aus: "Das ist schon für mich persönlich nicht so einfach zu verkraften, weil ich persönlich mit dem Misserfolg in Verbindung gebracht werde. Das ist nichts, wofür man stehen möchte."

Der Druck, der auf den Schultern des hochtalentierten Nationalspielers lag, war immens. Zum Teil selbstverschuldet, weil die Erwartungshaltung an sich selbst hoch ist. Zum anderen aber auch, weil die Öffentlichkeit große Hoffnung in Kimmich als Frontmann einer erfolgreichen DFB-Elf steckte. Zu viel?

"Ich bin ein Sechser"

Wirklich ruhig wurde es für den 83-fachen Nationalspieler aber auch danach nicht. Wenige Monate nach dem WM-Aus musste Julian Nagelsmann als Cheftrainer des FC Bayern gehen. Im Anschluss sah Kimmich "wenig Liebe, wenig Herz" in der Entscheidung. Und er widersprach der Version, dass Nagelsmann keinen Rückhalt in der Mannschaft gehabt habe. "Ich kann sagen, dass der Trainer nicht die Kabine verloren hat", betonte er.

In den Folgewochen schlossen sich mit dem FC Bayern ein Aus im DFB-Pokal, ein Aus in der Champions League und eine knappe Meisterschaft an, mit der kaum jemand mehr gerechnet hatte.

Im Sommer wünschte sich Trainer Thomas Tuchel eine "Holding Six", einen defensiven Mittelfeldspieler, wie ihn die Bayern in Javi Martínez hatten. Einer, der in erster Linie ans Verteidigen denkt und das Spiel von hinten heraus ordnet. Kimmich sah die "Sechser"-Suche als nicht so dringend. Bei der Trainingslager-Tour in Asien stellte er klar: "Ich bin ein Sechser." Dennoch suchten die Bayern weiter wochenlang eine Verstärkung, ehe sie João Palhinha, zu spät, fanden. Der Transfer kam aus Zeitgründen nicht zustande. Sehr zur Enttäuschung von Thomas Tuchel, der das auch kommunizierte. Die wiederholte Kritik Tuchels am Kader missfiel laut "Sport Bild" damals den Bayern-Bossen – und wahrscheinlich auch einigen betroffenen Spielern wie Kimmich.

Viel besser wurde es aber auch in den Wochen danach nicht. In der Nationalmannschaft musste Kimmich Anfang September seine geliebte Position im defensiven Mittelfeld und die Kapitänsbinde abgeben. Bundestrainer Hansi Flick machte ihn zu einer Art Sündenbock, als er um seinen Job bangen musste. Der Effekt blieb aus. Als Rechtsverteidiger erlebte er das 1:4-Debakel gegen Japan am eigenen Leib mit, das auch das Aus für Bundestrainer Hansi Flick bedeutete. Den anschließenden 2:1-Sieg über Frankreich unter Interimstrainer Rudi Völler verpasste Kimmich verletzt. Gefundenes Fressen für seine Kritiker.

Ex-Profi Thomas Broich verteidigte ihn jedoch, sagte in der BR-Sendung "Blickpunkt Sport": "Ich glaube, dass viel an ihm festgemacht wird. Er ist das Sinnbild des Ganzen und er ist da in einer Sache gefangen, die nicht nur etwas mit seiner sportlichen Leistung zu tun hat."

Ein schwieriger Herbst

Im weiteren Verlauf des Herbsts verpasste Kimmich das Länderspiel-Debüt von Julian Nagelsmann krank. Nach der zweiwöchigen Pause war er wieder gesund und griff neu an. Beim zweiten Spiel nach seiner Genesung folgte dann der nächste Rückschlag. Gegen Darmstadt sah er nach vier Minuten die Rote Karte. Eine Szene, über die sich Kimmich selbst am meisten ärgerte, weil er das Topspiel in Dortmund verpassen sollte. Gegen Drittligist Saarbrücken wenige Tage später durfte er aber ran. Die Partie endete mit einer Niederlage. Kimmichs Heimfahrt nach dem Spiel wurde von feiernden Saarbrücker Fans gefilmt und sofort hochgeladen. Häme und Spott im Netz waren groß.

Auch in den weiteren Wochen blieb die Trendwende aus. Mit der DFB-Elf verlor Kimmich gegen die Türkei und Österreich, Anfang Dezember kassierte der FC Bayern eine 1:5-Klatsche in Frankfurt.

Im neuen Jahr ging die "Holding Six"-Suche der Bayern wieder von vorne los. Und die sportliche Krise in München nahm weiter ihren Lauf. Plötzlich wurden sogar Wechselgerüchte um Kimmich konkreter. Der 2025 auslaufende Vertrag wurde noch immer nicht verlängert. Der Mann, der eigentlich ein Eckpfeiler der Bayern-Zukunft sein sollte, war offenbar gar nicht mehr so gesetzt in den Planungen des Rekordmeisters. Und der Rekordmeister auch nicht mehr unbedingt in den Planungen Kimmichs.

Als im März dann Thomas Tuchels Aus im Sommer beschlossen wurde, kündigte der scheidende Trainer an, "etwas rücksichtsloser" zu sein, weil ihn langfristige Entwicklungen nicht mehr beträfen. Kimmich spielte seitdem nicht mehr auf seiner eigentlichen Wunschposition im Mittelfeld, wo er mit seinen Qualitäten das Spiel stärker beeinflussen kann, sondern rechts in der Abwehr. Zunächst lag das am Personalmangel. Aber auch nach der Rückkehr einiger Alternativen blieb Kimmich in der Verteidigung.

Ein "sehr guter" Job bei der Herkulesaufgabe

Er selbst beschwerte sich nie darüber, stellte sich in den Dienst der Mannschaft. Als er nach dem 8:1-Sieg gegen Mainz 05 nach seiner Lieblingsposition gefragt wurde, antwortete er: "Ihr kennt doch die Antwort. Ist das noch eine Schlagzeile wert? Ich spiele überall sehr gerne und sehe mich da, wo der Trainer mich aufstellt."

Seinen Job in der Abwehr machte Kimmich mit der Zeit besser und bestätigte diese Form nun auch in der Nationalelf. Gegen Frankreich hatte er am Samstag eine der schwersten Aufgaben: Er musste Kylian Mbappé als Gegenspieler verteidigen. Doch Kimmich machte seine Sache gut, fing drei Bälle ab und eroberte ebenso viele Male den Ball zurück. Aus fünf seiner sieben Zweikämpfe ging er als Sieger hervor und machte auch im Spiel nach vorne einen guten Job.

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Dafür gab es auch am Montag in der Pressekonferenz von Julian Nagelsmann ein Extralob: "Er hat sehr gut gespielt, offensiv wie defensiv. (...) Er hat natürlich Tempodefizite gehabt gegen Kylian, aber hat das super gut gelöst, sehr clever, total wachsam im Raum verteidigt in vielen Situationen."

Der Bundestrainer unterstützte Kimmich auch in einem anderen Punkt: "Ich glaube, ihn stört es ein bisschen, dass man ihm immer nachsagt: Er will auf der Position nicht spielen. Generell ist er sehr offen. Für ihn ist das Bedeutende, dass er spielt und der Mannschaft helfen kann."

"Mir ist bewusst, dass ich manchmal anecke"

Die meist schwierige Zeit seit der WM in Katar hat Kimmichs Ehrgeiz aber keinen Abbruch getan. Der 29-Jährige will auch heute noch auf keinen Fall verlieren. Auch deshalb ist er für Julian Nagelsmann im Hinblick auf die Heim-EM im Sommer unverzichtbar: "Josh ist ein sehr wichtiger Spieler für uns, weil er viel von dem verkörpert, was man manchmal bei jungen Spielern, die neu zu den Profis kommen, ein bisschen vermisst. Dieses unbedingte Gewinnen-wollen in jeder Situation. Da geht er dem einen oder anderen mit dieser Art auch mal auf die Nerven."

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Ein Punkt, der auch für Kimmich selbst nicht neu ist. Im Interview mit der "Welt" sagte er kürzlich: "Ich möchte den Menschen nicht gefallen durch eine Art, die nicht meine ist. Ich will so sein, wie ich bin. Mir ist bewusst, dass ich manchmal vielleicht anecke, aber das ist es mir nicht wert, mich deshalb zu verstellen."

Kimmich wird weiter mit geballter Faust Tore bejubeln, weiter lautstark vorangehen und weiter alles für den Sieg tun. Besonders in der Nationalelf, mit der er noch keinen großen Titel gewinnen konnte. Eine große Chance dazu hat er bei der Heim-EM im Sommer. Kimmich ist dabei fest als Rechtsverteidiger eingeplant. Dem Spieler selbst ist das recht. Hauptsache ist, dass er spielt. Im Testspiel gegen die Niederlande an diesem Dienstagabend (ab 20.45 Uhr im Liveticker bei t-online) wird er das tun. Nagelsmann am Montag: "Es sind alle fit. Geplant ist die gleiche erste Elf."

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
  • Mixed Zone nach dem DFB-Länderspiel gegen Costa Rica im November 2022
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