French Open Grand-Slam-Titel in weiter Ferne: Zverev läuft Zeit davon

Der Weg zum ersehnten Grand-Slam-Turniersieg wird für Alexander Zverev immer weiter. Es fehlt an Entwicklung, neue Impulse wären nötig. Die Topstars enteilen.
Mit geröteten Augen und tief frustriert trat Alexander Zverev nach seinem desillusionierenden Viertelfinal-Aus bei den French Open vor die Presse. "Ich gehe Golf spielen. Ich habe sowas von keinen Bock auf Tennis gerade", sagte der Weltranglisten-Dritte nach dem nächsten geplatzten Grand-Slam-Traum in einer enttäuschenden Pariser Nacht auf die Frage, wie es jetzt für ihn weitergehe.
Auf kurze Sicht hatte er die Frage damit beantwortet. Zverev wird ein paar Tage brauchen, um seinen am Ende chancenlosen Auftritt gegen einen starken Novak Djokovic abzuschütteln. Mittel- und langfristig bleiben aber einige Fragen offen. Vor allem: Wie will Zverev doch noch Grand-Slam-Titel holen? Ist er gewillt, Änderungen vorzunehmen? Oder soll es im alten Trott mit Vater als Trainer, Bruder als Manager und gutem Kumpel als Berater weitergehen?
Becker fordert Analyse
"Da ist Manöverkritik nötig, da muss sich die Familie zusammentun und offen ansprechen: Warum läuft es momentan nicht mehr so gut", forderte Tennis-Ikone Boris Becker als Experte bei Eurosport. Becker hatte Zverev wie die meisten Experten vor der Partie als Favorit gesehen, doch dann bekam der 28-Jährige vom zehn Jahre älteren Serben eine Lehrstunde erteilt.
Djokovic hatte sich bestens auf das Duell vorbereitet, hatte einen klaren Plan, wie er Zverev besiegen wollte. 35 Stopps spielte Djokovic und versuchte so, zu lang werdende Ballwechsel zu verkürzen. Zudem spielte die langjährige Nummer eins aggressiv und variantenreich, ging immer mal wieder ans Netz und antizipierte Zverevs Schläge gut.
Deutschlands bester Tennisspieler machte ihm die Sache aber auch nicht besonders schwer. Zverev spielte Tennis, wie er immer Tennis spielt. Die einzige Taktik, die er sich mit seinem Team zurechtgelegt hatte, schien darin zu bestehen, die Ballwechsel lang zu halten und darauf zu hoffen, dass Djokovic müde wird.
Zverev tappt in Falle
Doch damit tappte er dem Rekord-Grand-Slam-Champion in die Falle. Zwar musste Djokovic früh in der Partie nach langen Ballwechseln durchpusten, stöhnte manchmal bei Schlägen wie ein alter Mann. Doch auch mit 38 Jahren schafft es Djokovic immer noch, sich bestens zu regenerieren und bei den Höhepunkten der Saison voll da zu sein.
Der Serbe verliert jetzt zwar auch immer öfter mal in frühen Runden. Wenn es darauf ankommt, ist Djokovic aber da. Halbfinale bei den Australian Open, wo ihn erst eine Verletzung gegen Zverev stoppte, jetzt Halbfinale in Paris - Djokovic darf man nicht abschreiben.
"Einen der besten Spieler der Welt auf einer der größten Bühnen zu schlagen ist etwas, wofür ich definitiv noch arbeite und mich auch in diesem Alter noch täglich pushe", sagte der von den Fans gefeierte Djokovic. An diesem Freitag bekommt er es im Halbfinale mit dem italienischen Weltranglisten-Ersten Jannik Sinner zu tun.
Topstars stärker als Zverev
Dabei dürfte Djokovic deutlich mehr gefordert werden als von Zverev. Und das ist eine der Lehren aus diesen French Open, die Zverev beunruhigen sollten. Denn Sinner und der spanische Paris-Titelverteidiger Carlos Alcaraz sind ihm inzwischen enteilt, Spieler wie Lorenzo Musetti oder Jack Draper drängen nach vorn. Es wird immer enger für Zverev mit einem Grand-Slam-Titel. Kein anderer Top-Ten-Spieler hat bei Grand Slams eine so niedrige Gewinnquote gegen andere Top-Ten-Spieler wie Zverev (25 Prozent).
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"Der Traum vom Grand-Slam-Titel ist nicht ausgeträumt, aber mit jeder vertanen Chance wird es schwieriger. Das Problem ist, dass die Jüngeren besser werden", sagte Becker.
Zverev schiebt Aus auf Bedingungen
Dass Zverev sich nach dem erstmaligen Verpassen des Halbfinales bei seinem Lieblings-Grand-Slam seit fünf Jahren wenig selbstkritisch zeigte und fast ausschließlich die Bedingungen als Grund anführte, war kein gutes Zeichen. "Es war sehr kalt, deshalb war die Geschwindigkeit bei meinem Aufschlag nicht besonders hoch", sagte Zverev. "Ab einem gewissen Punkt hatte ich das Gefühl, dass ich nicht mehr wusste, wie ich gegen ihn einen Punkt von der Grundlinie machen soll."
Input von seinem Team auf der Tribüne gab es kaum. Einen Weg, mit den für ihn ungünstigen, aber vorhersehbaren Bedingungen zurechtzukommen, fand Zverev nicht. Sein bestes Tennis der Karriere spielte der 28-Jährige bislang 2022 bei den French Open in Paris, als ihn erst die schwere Fußverletzung im Halbfinale gegen Rafael Nadal stoppte - zu seinem Trainerteam gehörte damals der Spanier Sergi Bruguera.
- Nachrichtenagentur dpa