Zverevs Jagd nach dem ersten Grand Slam Der Widerstand scheint gebrochen

Nach seinem Tief nach dem frühen Wimbledon-Aus wirkt Alexander Zverev aktuell wie ausgewechselt. Grund dafür ist ein Schritt, gegen den er sich vor Kurzem noch gewehrt hat.
"Ich bin einfach nicht gut genug": Alexander Zverev ging hart mit sich ins Gericht. Zverev hatte Ende Januar gerade in seinem dritten Grand-Slam-Finale die dritte Niederlage kassiert – und das deutlich. 3:6, 6:7 (4:7) und 3:6 hatte es gegen Jannik Sinner am Ende aus Sicht Zverevs geheißen.
Der Frust über die erneute Niederlage, den erneut geplatzten Traum vom Grand-Slam-Titel, war Zverev deutlich anzumerken – und spiegelte sich auch in seinen Leistungen in den kommenden Monaten wider. Auf ein Viertelfinal-Aus bei den French Open ließ Zverev eine vollkommen enttäuschende Erstrundenniederlage in Wimbledon folgen. Er offenbarte im Anschluss mentale Probleme. Der Traum vom ersten Grand-Slam-Titel schien plötzlich in weite Ferne gerückt zu sein.
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Doch nach seiner einmonatigen Turnierpause scheint Zverev wie ausgewechselt. Grund könnte eine Maßnahme sein, gegen die er sich vor einigen Wochen noch in aller Deutlichkeit gewehrt hat.
Zverev gesteht Fehler ein
Im Podcast "Nothing Major" seiner ehemaligen Tenniskollegen John Isner, Sam Querrey und Steve Johnson, den Zverev im Rahmen seines Comebacks beim Masters in Toronto aufnahm, geht er nochmals auf sein Tief in den vergangenen Monaten ein. Er nennt es ein "kleines Burn-out". "Ich war nicht sehr motiviert, zu spielen. Ich hatte keine große Lust, zu trainieren. Ich habe meine Zeit auf dem Platz nicht genossen", so Zverev.
Die Entwicklung habe dabei schon unmittelbar nach den Australian Open angefangen. "Ich bin sehr selbstbewusst in das Match gegangen und dann wurde ich fertig gemacht. Er hat alles besser gemacht als ich", erinnert sich Zverev an das Finale gegen Sinner. "Ich hatte mental eine schwierige Zeit nach diesem Match und ich habe einige Fehler gemacht", so der 28-Jährige. Unter anderem habe er sofort wieder ein Turnier gespielt, statt das verlorene Finale zu verarbeiten. "Rückblickend hätte ich das nicht tun sollen", so Zverev.
"Fühle mich frischer im Kopf"
Nach Wimbledon sei aber nun die Wende gekommen. Das Aus in der ersten Runde sei zwar nicht gut für ihn gewesen, aber er habe das Beste daraus gemacht. "Ich habe einige Turniere ausgelassen, habe mir etwas Freizeit genommen und ich fühle mich frischer im Kopf, um wieder wettbewerbsfähig zu sein", sagt Zverev und ließ eine Kampfansage folgen: "Vielleicht spiele ich mein bestes Tennis nicht hier in Kanada, vielleicht spiele ich mein bestes Tennis nicht in Cincinnati, aber ich glaube, wenn es Zeit für die US Open ist, werde ich wieder ein Titelanwärter sein."
Zwischen dieser Kampfansage vor dem letzten Grand Slam der Saison und den Aussagen nach den Australien Open und vor allem Wimbledon liegen Welten. Doch was ist in der Zwischenzeit passiert? Zverev nutzte die Turnierpause nicht nur für Urlaub. Stattdessen stand er auch auf dem Trainingsplatz: nämlich in der Rafael Nadal Academy auf Mallorca.
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Dort ließ sich der Deutsche vom einstigen Erfolgstrainer und Onkel des 22-maligen Grand-Slam-Siegers, Toni Nadal, trainieren. Auch Rafael Nadal nahm an einigen Trainingsessions teil und traf sich mit Zverev zum Abendessen, berichtet der Deutsche bei "Nothing Major".
Eine Erfahrung, die ihn sichtlich begeisterte: "Ich habe die Woche geliebt. Ich habe es sehr genossen", sagt er. "Die Intensität, mit der Rafa gespielt hat, ist die Intensität, mit der er auch coacht", beschreibt Zverev seine Unterhaltungen mit Rafael Nadal. Ihre Abendessen hätten teils bis in die Nacht gedauert und mittendrin sei Nadal aufgestanden, um ihm Vorhandtechniken zu demonstrieren. "Ich war ihm so dankbar", sagt Zverev. "Er muss das nicht machen, er ist Rafael Nadal."
"Er glaubt wirklich, dass ich einen Grand Slam gewinnen kann"
Der wertvollste Rat, den Nadal ihm gegeben habe, sei gewesen, dass er in den entscheidenden Momenten auf dem Platz sein Schicksal in die eigenen Hände nehmen müsse, berichtet Zverev. Seine Passivität in entscheidenden Situationen ist in der Tat ein bereits häufig kritisierter Teil seines Spiels. Entsprechend sagt Zverev: "Ich weiß das auch." Aber diese Analyse von jemandem wie Nadal zu hören, sei besonders gewesen. "Er glaubt wirklich, dass ich einen Grand Slam gewinnen kann. Das hat er mir eine Million Mal gesagt. Aber nur, wenn ich mutiger werde."
Die Begeisterung über die Ratschläge der Tennislegende und seines erfolgreichen Trainer-Onkels ist Zverev in dem Gespräch deutlich anzumerken. Dabei hatte sich der Weltranglistendritte noch vor wenigen Wochen gegen den Ratschlag, sich einen neuen Trainer zu suchen, wortreich gewehrt.
Nach seiner Viertelfinalniederlage bei den French Open gegen Novak Djoković hatte ihm unter anderem Boris Becker nahegelegt, das Team um seinen bisherigen Trainer, Vater Alexander senior, und Bruder Mischa zu ergänzen. "Man hat den Eindruck, dass er gegen die Topspieler im selben Trott spielt und darauf hofft, dass das Ergebnis gut wird", hatte Becker damals gesagt. Zverevs Vater und Bruder hätten gute Arbeit geleistet, "aber für den letzten Schritt war das noch nicht gut genug".
Zverev lehnte Trainerwechsel ab
Zverev reagierte darauf mit Ablehnung: "Ich glaube, wenn es bei mir gut läuft, dann mache ich immer alles richtig. Und wenn es bei mir schlecht läuft, dann sind alle immer sehr, sehr schlau. Da gehört Boris leider dazu", ließ er verlauten.
Doch nach dem Tiefpunkt in Wimbledon scheint bei Zverev ein Umdenken stattgefunden zu haben. Nur wenige Tage Training mit den Nadals scheinen gereicht zu haben, um ihn für eine weitere Zusammenarbeit zu begeistern. Der Widerstand gegen einen neuen Trainer scheint gebrochen. In diesem Jahr werde daraus aber wohl nichts mehr, ließ Zverev wissen. Toni Nadal habe viele Termine und große Verantwortung mit der Akademie. Aber, so Zverev: "Ich denke, nächstes Jahr könntet ihr ihn viel mehr sehen."
Der Macher hinter einem der besten Tennisspieler aller Zeiten an der Seite von Zverev? Es könnte ein entscheidender Schritt sein, um sich den Traum vom ersten Grand-Slam-Titel doch noch zu erfüllen. Zumindest den Glauben daran scheint Zverev jetzt schon zurückgewonnen zu haben.
- Eigene Beobachtungen
- youtube.com: "Alexander Zverev Joins the Pod, Dinners with Rafa & Chasing Grand Slam Glory | EP 89" (Englisch)
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa