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Formel-3-Talent Sophia Flörsch: "In fünf Jahren sehe ich mich in der Formel 1"


"In fünf Jahren sehe ich mich in der Formel 1"

Von David Digili, Robert Hiersemann

21.06.2019Lesedauer: 9 Min.
Interview
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Volle Konzentration: Sophia Flörsch vor einem Rennen im Oktober 2018.Vergrößern des Bildes
Volle Konzentration: Sophia Flörsch vor einem Rennen im Oktober 2018. (Quelle: HochZwei/Suer/imago-images-bilder)

Die 18-jährige Formel-3-Fahrerin spricht über große Ziele, die Schwierigkeiten für Frauen im Rennsport, die Auswirkungen ihres schweren Unfalls – und erinnert sich an eine besondere Begegnung mit Michael Schumacher.

Wenn es um den deutschen Rennsport-Nachwuchs geht, bestimmt Formel-2-Pilot Mick Schumacher die Schlagzeilen – dabei fährt auch eine Klasse darunter eines der spannendsten Talente im Rennzirkus: Sophia Flörsch ist eine der noch immer rar gesäten Fahrerinnen im Motorsport, gilt als hoch veranlagt. Die Münchnerin beeindruckt mit unbekümmertem Fahrstil, tritt nach ihrem Formel-4-Debüt 2016 mittlerweile bereits in der Formel 3 an – und träumt von der Königsklasse des Motorsports.

Der rasante Aufstieg erhielt im letzten Jahr einen Dämpfer: Am 18. November 2018 hatte Flörsch bei Tempo 276 einen schweren Unfall beim Grand Prix in Macau. Mehrere Personen wurden verletzt, Flörsch selbst sofort in ein nahegelegenes Krankenhaus gebracht. Diagnose: Wirbelsäulenfraktur. Nach einer stundenlangen OP am nächsten Tag musste das Talent eine lange Reha durchmachen. Erst im April 2019 saß Flörsch wieder im Cockpit, bei ihrem Comeback-Rennwochenende im Rahmen der Formel 3 Regional European Championship im französischen Le Castellet fuhr sie auf die Plätze neun, acht und fünf. Beim darauffolgenden Rennen in Vallelunga (Italien) stand am Ende ebenfalls Platz fünf.

Vor dem dritten Saisontermin in Budapest (7. Juli) nahm sich die Pilotin von "Van Amersfoort Racing" Zeit für ein ausführliches Interview mit t-online.de – über Vorurteile gegenüber Fahrerinnen, Unterstützung durch die Familie, Vorbilder – und ihr großes Ziel.

t-online.de: Frau Flörsch, mit 18 Jahren fahren Sie in der Formel 3...

Sophia Flörsch: Aber eigentlich sollte ich ja Skifahrerin werden (lacht).

Sollte oder wollte?

Sollte. Mit zwei Jahren habe ich mit Skifahren angefangen und bin dann die ersten Rennen gefahren. Meine Eltern dachten eben, vielleicht könnte da was draus werden. Dann wurde ich mit fünf Jahren eingeschult, dadurch konnten wir aus München nicht mehr so oft in die Berge fahren. Da erkundigten sich meine Eltern nach einem Ausgleichssport für den Sommer. So kam ich zum Motocross – von wegen Gleichgewicht und Geschwindigkeit. Das hielt dann aber nur drei Monate (lacht), und dann kam ich zum Kartsport. Das war nur 40 Minuten von unserem Zuhause weg und hat einfach Spaß gemacht.

Dabei darf man ja nicht vergessen, dass Sie im Rennsport eigentlich in jedem Rennen mit Ihrem Leben spielen. Waren Sie sich dessen damals schon bewusst?

Im Kartsport ist das ja nicht so. Natürlich kann es manchmal kritisch ausgehen, besonders, wenn man sich überschlägt, da der Nacken ja nicht geschützt ist. Aber trotzdem gibt es dort nicht diese hohen Geschwindigkeiten. Und auch im Formel-Rennsport – die Autos sind so sicher geworden. Seit dem Senna-Unfall (1994, Anm. d. Red.) hat sich so viel getan.

Einer der berüchtigsten Unfälle der Renngeschichte ist 1976 dem großen Niki Lauda passiert. Vor wenigen Wochen ist er gestorben – und Sie haben sich mit einem emotionalen Instagram-Post von ihm verabschiedet...

Ich hätte Niki wirklich gerne kennengelernt, er ist einfach eine Legende. Niemand kann nachvollziehen, was er alles durchgemacht hat. Der Unfall und die vielen OPs danach – ich habe drei Monate gebraucht, um zurückzukommen, aber seine Verletzungen damals waren viel schlimmer, und er stieg trotzdem schon nach wenigen Wochen wieder ins Auto, weil er Weltmeister werden wollte. Das zeigt doch, wie groß seine Leidenschaft war. Er kam aus einer vermögenden Familie, die ihn aber nicht unterstützt hat, und hat sich trotzdem mit nichts nach oben gearbeitet.

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Nach so einem Unfall schon. Aus solchen Beispielen schöpft man Kraft. Für mich war auch Lindsay Vonn (Ski-Alpin-Legende, Anm. d. Red.) immer ein großes Vorbild und eine riesige Motivation, weil sie trotz ihrer vielen Verletzungen und OPs immer wieder zurückgekommen ist. Da habe ich unheimlich viel positive Energie rausgezogen. Diesen Kämpferinstinkt muss man einfach haben.

Wann haben Sie diesen Kämpferinstinkt bei sich selbst das erste Mal bemerkt?

Schon beim allerersten Rennen (lacht). Ich bin mit sieben, acht Jahren mein erstes Rennen gefahren – da lernst du normalerweise gerade erst, die Uhr zu lesen (lacht). Das Verständnis für Zeit fehlt noch komplett, wenn dir dein Papa da also sagt: "Du liegst gerade drei Zehntel zurück", dann hast du keine Ahnung, worum es gerade geht. Aber wenn du dann nach dem Rennen begreifst, dass du gerade Erster – oder Letzter – geworden bist, dann entwickelst du den richtigen Kampfgeist.


Andere haben in diesem Alter noch auf Bolzplätzen Fußball gespielt ...

Genau das ist es. Du bist eben noch ein Kind und machst das, worauf du gerade Lust hast. Und bei mir war es eben der Rennsport. Mit elf Jahren saß ich das erste Mal in einem Formel-Auto, mit 14 bin ich mein erstes Rennjahr gefahren – und das war noch mal etwas komplett anderes. Da habe ich mich wirklich in den Rennsport verliebt.

Die Perspektive ändert sich?

Ja. Ab diesem Moment wirkt dann alles zum Greifen nahe, auch der Traum von der Formel 1. Im Kartsport schaust du auf den Formel-Sport und staunst: "Boah, die fahren schon in solchen Autos!" Es wirkt noch mega weit weg. Aber wenn du dann selbst ins Auto umgestiegen bist, realisierst du: So weit weg ist das alles gar nicht mehr!

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Als eine der wenigen Frauen polarisieren Sie sicherlich schon in der alten Testosterondomäne Rennsport ...

Ich habe es eher im Jugendbereich, auch noch im Kartsport erlebt. Die Fahrer meinen das aber immer mehr als Witz: "Weißt Du eigentlich, wie schlimm das ist, von einer Frau überholt zu werden?" Es sind eher die Väter oder die Sponsoren, die das nicht so cool finden, dass ihre Jungs plötzlich von einem kleinen blonden Mädchen überholt werden (lacht). Aber je höher man aufsteigt, desto seltener kommt das vor. In der Formel 3 gibt es da nur Respekt.

Trotzdem sollten wir in unserer Zeit weiter sein ...

So ist es leider. Es gibt nicht nur Fürsprecher, sondern immer auch irgendjemanden, der dir sagt: "Du schaffst es eh nicht, weil Du eine Frau bist." Mit zwölf, 13 Jahren versteht man das noch nicht. Später zieht man aber nur zusätzliche Motivation daraus.

Glauben Sie, dass es mittlerweile einfacher geworden ist für Fahrerinnen?

Nein, denn es hängt nicht vom Goodwill oder Vorurteilen ab, sondern ausschließlich von der Frage, ob man die gleichen Chancen bekommt. Und das bedeutet in unserem Sport Ausbildungskilometer bzw. Geld. Erst wenn Frauen das gleiche Sponsoring bekommen, agieren wir auf Augenhöhe! Aber es hat sich schon generell etwas getan: Die Initiative "Dare to be Different" beispielsweise...

... deren Botschafterin Sie sind ...

Genau. Die möchte ganz junge Mädchen erreichen und begeistern – denn man kann ja nicht erst mit 15 Jahren anfangen, auch als Junge nicht. Dazu gibt es jetzt ja die Frauen-Serie "Formel W", von der ich aber kein Fan bin.

Das müssen Sie erklären.

Natürlich ist die Grundidee gut. Sie wollen Frauen, die gar kein Budget haben, den Rennsport ermöglichen. Für mich wäre das aber nichts. Sportlich würde es keinen Sinn machen, weil ich schon letztes Jahr ein schnelleres Auto gefahren habe. Und generell ist das Niveau im Vergleich zu den Rennserien, die ich schon gefahren bin, sehr viel niedriger – einfach, weil die Fahrerinnen gar nicht die Möglichkeiten hatten.

Die Voraussetzungen sind also ganz andere.

Für mich wäre das eher ein Rückschritt. Ich nehme lieber in Kauf, in der Formel 3 auch mal zu verlieren, dafür aber auch viel zu lernen und mich zu entwickeln. Und außerdem wird mit einer reinen Frauen-Rennserie ja angedeutet, dass wir mit den Männern sowieso nicht mithalten könnten, und das ist das genaue Gegenteil davon, was die ganze Welt gerade erreichen will. Wir haben "Me Too" und Debatten um Gleichberechtigung, und dann machen die so etwas. Ich verstehe das einfach nicht.

Man merkt Ihnen Ihre Begeisterung für den Rennsport an. Hatten Sie eigentlich trotzdem auch mal andere Pläne?

Ich glaube, jedes Mädchen möchte irgendwann mal Tierärztin werden (lacht). Ich hatte auch an anderen Schmarrn gedacht, Hundesitterin zum Beispiel (lacht). Mit zehn Jahren träumst du noch viel, aber wenig später erkennst du, was du wirklich willst.

Wie sah denn der Moment aus, als auch Ihrer Familie klar wurde: Sophia meint es endgültig ernst mit dem Rennsport?

In jedem Sport ist es total wichtig, dass die ganze Familie hinter dir steht. Ich hatte das Glück, dass meine Eltern und auch meine Schwester mich immer unterstützt haben und weiter unterstützen. Mein Papa war und ist immer bei den Rennen dabei, meine Mama kümmert sich im Hintergrund um das Finanzielle, meine kleine Schwester geht noch zur Schule – es ist ein Gemeinschaftsprojekt (lacht).

Wie haben Ihre Eltern denn auf Ihren Unfall reagiert?

Mein Papa war vor Ort. Für ihn war es nicht ganz so schlimm, weil er zuerst mich sah und wusste, dass es mir gut geht. Erst danach hat er das Schock-Video vom Unfall gesehen. Durch diese Reihenfolge hat er eine andere Perspektive darauf. Bei meiner Mama und meiner Schwester war das etwas anders, die beiden saßen zuhause und schauten das Rennen live. Dort wurde der Unfall aber nicht gezeigt. Durch Social Media bekam meine Schwester aber sofort raus, dass ich in einen Unfall verwickelt war, das ging unheimlich schnell viral.

Das müssen für beide bange Momente gewesen sein...

Auch wenn ich das Video sehe, muss ich sagen: Da glaubt man ja gar nicht, dass jemand das überleben kann, oder wenn, dann nur mit schweren Beeinträchtigungen. Als dann mit der OP alles gut lief und ich wieder zuhause war, waren alle glücklich. Aber trotzdem hat niemals irgendjemand aus der Familie oder meinem Freundeskreis jemals gesagt: "Sophia, lass das lieber" – auch, weil alle wissen, dass das mein Leben ist.

Wir sprechen gerade über den Unfall – aber nervt es vielleicht auch manchmal, darauf angesprochen zu werden?

Nein. Ich würde sogar sagen, dass es mir Anfang des Jahres sogar sehr dabei geholfen hat, das alles zu verarbeiten. Aber das letzte, das ich bleiben will, ist, das Mädchen mit dem Unfall zu sein. Ich will Sophia Flörsch, die erfolgreiche Rennfahrerin sein.

Ein ebenfalls erfolgreiches Talent ist Mick Schumacher. Verfolgen Sie auch seinen Weg?

Ich kenne Mick schon mehrere Jahre, auch aus dem Kartsport. Es war immer klar, dass er irgendwann der nächste "Schumacher" werden würde. Das ist auch ganz normal, weil ganz Deutschland Schumacher-Fan war und Michael einfach eine Legende ist. Natürlich schauen dann auch alle auf Mick. Für mich ist er aber einfach auch ein Konkurrent, den ich schlagen will. Hoffentlich treffen wir uns ganz oben wieder.

Ist Schumi auch eines Ihrer Vorbilder? Zu wem haben Sie aufgeschaut?

Michael war sehr erfolgreich, als ich noch sehr jung war. Natürlich habe ich damals schon die Formel-1-Rennen angeschaut, aber das nicht wirklich begriffen (lacht). Ich schaue daher eher zu Lewis Hamilton auf. Aber Michael ist die Legende überhaupt, nicht nur durch seine sieben Weltmeistertitel. Es hat aber einen anderen Grund, warum ich kein Schumi-Fangirl bin...

Ja?

Ich kannte ihn nun mal bereits durch den Kartsport, durch Mick. Ich bin ja auch für sein Team gefahren, für KSM. Für mich ist er da immer als normaler Mensch aufgetreten, als Papa, der seinen Sohn in den Kartsport bringt, und nicht als Formel-1-Weltmeister. Super bodenständig, er hat immer alle gegrüßt. Eines werde ich nie vergessen...


Bitte erzählen Sie.

Ich hatte ein Rennen in Italien und wurde Dritte oder Vierte. Ein gutes Rennen also. Danach bin ich aus dem Kart ausgestiegen, ging durch den Tunnel, wo keine Fans stehen dürfen – und draußen stand Michael mit seinem Fahrrad und wartete auf Mick. Da kam er zu mir, hat mich umarmt und sagte: "Sophia, das war ein gutes Rennen." Das werde ich nie vergessen.

Gibt es auch eine Frau, die Sie inspiriert hat?

Ellen Lohr (erste Frau, die ein DTM-Rennen gewinnen konnte, Anm. d. Red.), auf jeden Fall. Sie ist für mich wie ein Coach, gibt mir Ratschläge, das weiß ich sehr zu schätzen.

Und was war ihr letzter Ratschlag?

Wir sind im April die "Mille Miglia" (legendäres Straßenrennen, Anm. d. Red.) in Italien zusammen gefahren. Da muss man etwas aggressiver fahren, und sie sagte mir danach: "Sophia, fahr so auf keinen Fall zuhause auf der Straße!" (lacht).

Wenn Sie aber auf der Rennstrecke so aggressiv weiterfahren wo sehen Sie sich in fünf Jahren?

In fünf Jahren sehe ich mich in der Formel 1. Natürlich kann man das nicht planen – auch dieses Jahr ist durch den Unfall nicht so gelaufen, wie ich es mir vorgestellt habe. Eigentlich hätte ich jetzt schon die internationale Formel 3 fahren können. Das passiert eben. Mir ist nur wichtig, dass ich es als ausgebildete Rennfahrerin in die Formel 1 schaffe.

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