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Tony Martin: "Mit dem Reifen ist ein Traum zerplatzt"


Tour de France
"Es ist ein trauriger Tag für mich"

Von t-online
10.07.2012Lesedauer: 5 Min.
Für Tony Martin ist die Tour de France beendet.Vergrößern des BildesFür Tony Martin ist die Tour de France beendet. (Quelle: dpa-bilder)
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Das Interview führte Patrick Rutishauser
Die Tour de France 2012 war für Tony Martin ein bitteres Erlebnis. Ein Unglück jagte das nächste. Schon im Prolog hatte er einen Reifenschaden. Auf der ersten Etappe brach er sich das Kahnbein im Handgelenk. Trotzdem quälte sich der 27-Jährige noch ein Woche bis zum Zeitfahren. Dort platzten mit seinem Hinterrad alle Träume auf den Etappensieg.

Im Interview mit t-online.de spricht der Zeitfahr-Weltmeister über seine Erlebnisse beim härtesten Radrennen der Welt und verrät, was wir bei den Olympischen Spielen von ihm erwarten dürfen.

Tony Martin, wie geht es Ihnen heute?
Tony Martin: Körperlich geht es mir ganz gut, wenn nicht auf dem Rad sitze. Auf dem Rad hatte ich immer Probleme. Besonders, wenn es über schlechte Straßen mit Schlaglöchern ging. Mental ist es ein trauriger Tag für mich. Es ist das erste Mal, dass ich die Tour verlassen muss. Es fühlt sich schon ein bisschen so an, als wenn man das Team im Stich lässt. Aber es ist wahrscheinlich die bessere Entscheidung. Alles andere wäre falscher Ehrgeiz.

Lassen wir Ihre "Tour de Pech" mal Revue passieren: Im Prolog hatten Sie mit einem Reifenschaden das erste Malheur.
Ich habe ein, zwei Sekunden gebraucht, bis ich überhaupt realisiert habe, dass der Reifen geplatzt ist. Auf einmal sind alle Hoffnungen zerstört, denn gerade im Prolog geht es um Zehntelsekunden und mit einem platten Reifen verliert man ganz leicht eine halbe bis eine Minute. Die ganze Anspannung und Motivation war dahin, wie ein zerplatzter Traum. Das war ein sehr übler Moment für mich, und ich war im Ziel total enttäuscht. Es hat schon eine Weile gedauert, mich wieder aufzubauen. Im Nachhinein hat man eine Glasscherbe im Reifen gefunden.

Auf der 1. Etappe stürzten Sie dann und zogen sich den Bruch zu. Wie kam es zu dem Unfall?
Es war eigentlich eine ganz banale Rennsituation. Die Spitzengruppe war weg und das Tempo hatte sich ein wenig beruhigt im Fahrerfeld. Ich bin am Hinterrad von Robby Hunter. Er fährt in einer Linkskurve in ein tiefes Schlagloch rein, was ihn total überrascht. Daraufhin verliert er die Hände vom Lenker und stürzt. Ich konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen, bin mit relativ geringer Geschwindigkeit über ihn gestürzt und komme doof auf das Handgelenk auf. Gerade durch die geringe Geschwindigkeit war es ein relativ schwerer Sturz, weil ich die Geschwindigkeit nicht der Länge nach abgebaut habe, sondern im freien Fall nach unten bin. Normalerweise schüttel ich mich nach einem Sturz und dann geht es weiter. Ich konnte aber nicht mehr richtig am Lenker ziehen. Da war mir schon klar, dass etwas Schlimmeres passiert sein musste.

Haben Sie nach dem Sturz über das Aufgeben nachgedacht?
Auf keinen Fall. Ich bin zwar mit einem schlechten Bauchgefühl über die Ziellinie gefahren, aber ich habe in der Etappe doch noch ein relativ gutes Finale hingelegt und konnte mich auch wieder motivieren. Erst als unser Doktor das Röntgenbild mit dem gebrochenen Kahnbein gezeigt hat, kam das Thema zur Sprache. Ich musste dann auch ziemlich viel Überredungskunst bei unserem Doktor anwenden, damit ich überhaupt weiterfahren darf.

Hat der Arzt Ihnen geraten, aufzuhören?
Er hatte schon gesagt, dass es ein Risiko ist und er nicht denkt, dass ich mit dieser Verletzung weiterfahren sollte. Aber das Risiko war vertretbar. Aufhören konnte ich immer noch. Ich wollte mir zumindest noch eine Etappe die Chance geben und dann auf einem Kontroll-Röntgenbild den Verlauf anschauen. Das war auch vom Doktor vertretbar. Bei einer Verschlechterung wäre ich dann ausgestiegen.

Was waren Ihre Beweggründe, weiterzufahren?
Es ist einfach eine tolle Sache, bei der Tour an den Start zu gehen. Wenn man es bis dahin geschafft hat, gibt man nicht so einfach auf. Das Zeitfahren war ein tolles Ziel für mich, wofür ich mir auch viel ausgerechnet hatte. Das einfach nach der 1. Etappe sausen zu lassen, wäre mir schon sehr, sehr schwer gefallen.

Wie sehr haben Sie auf den nächsten Etappen gelitten?
Es hat schon sehr weh getan. Mit einer Schiene zu fahren, war schon eine Umstellung. Die Beweglichkeit ist stark eingeschränkt. Mit jeder schlechten Straße und jedem Schlagloch hat das Handgelenk mehr weh getan. Es war ein großer Kampf. Ich hatte einfach das Ziel, das Zeitfahren zu erreichen und dort gut zu fahren. Das hat mich die Schmerzen ertragen lassen.

Sie sind viel mit Luis Leon Sanchez zusammengefahren, der auch am Handgelenk verletzt ist. Hat es Ihnen geholfen, einen Leidensgenossen zu haben?
Getreu dem Motto "Geteiltes Leid ist halbes Leid" haben wir zusammengefunden und uns gegenseitig Moral gegeben. Er hatte ähnliche Probleme wie ich. Er durfte auch kein Schlagloch oder Unebenheiten der Straße erwischen. Wenn einer ein Hindernis gesehen hat, haben wir uns das auch gegenseitig angezeigt. Das war schon eine Partnerschaft und hat uns beiden sehr gut getan.

Beim Zeitfahren wurden sie zum dritten Mal vom Pech heimgesucht. Was haben Sie da gedacht?
Nach 5,8 Kilometern hörte ich einen lauten Knall und hatte große Probleme, mein Rad unter Kontrolle zu halten. Ich habe schnell registriert, dass mein Hinterreifen geplatzt ist. Mit einem Mal ist der ganze Kampfgeist und die Moral zerstört, die man wieder von Neuem aufgebaut hat. Mit einer kleinen Explosion. Der Wettkampf war ab diesem Zeitpunkt für mich gelaufen. Ich habe noch versucht, mich zu motivieren und hintenraus mein Bestes gegeben. Aber bei einem Zeitfahren muss man in der Lage sein, auch 110 Prozent zu leisten. Mit diesem erneuten Rückschlag war das einfach nicht mehr möglich.

War da die Frustgrenze erreicht?
Normalerweise sagt man: "Jetzt hat man das Pech aufgebraucht, jetzt muss es bergauf gehen." Immer und immer wieder irgendwelche neuen Vorkommnisse lassen ein schon hadern.

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Wissen Sie, warum der Reifen geplatzt ist?
Das Laufrad wurde unserem Reifenspezialisten mitgegeben und der untersucht es momentan noch.

Haben Sie mal hochgerechnet, wie die Zeit gewesen wäre?
Ich möchte gar nicht wissen, was es mich gekostet hat und was hätte rauskommen können. Ich möchte das so schnell wie möglich abhaken.

Wären Sie weitergefahren, wenn nicht die Olympischen Spiele in London anständen?
Ich hätte es sicherlich weiter versucht. Aber das Risiko, Olympia zu gefährden, war einfach zu groß. Deshalb haben wir uns zum Ausstieg entschieden.

Kann die Verletzung bis dahin ausheilen?
Das weiß ich nicht. Man sagt, ein Bruch braucht sechs Wochen, um zu heilen. Eine Woche ist um, drei sind es bis Olympia. Ich sollte bis dahin ein Level erreicht haben, bei dem der Bruch zwar noch nicht ganz verheilt ist, aber eine Belastbarkeit nahe der 100-Prozent-Grenze gegeben ist.

Wie sind Ihre Ziele für London?
Die Olympia-Medaille war das Ziel. Die Hoffnungen sind noch da und die positive Denkweise ebenfalls.

Tony Martin berichtet während der Tour de France für t-online.de von seinen Erlebnissen bei der größten Rundfahrt der Welt. Mehr zu Tony Martin unter www.tonymartin.de

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