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Wimbledon schafft Jubel-Tradition ab


Tennis-Fans sauer
Wimbledon schafft Jubel-Tradition ab

Von t-online
29.06.2014Lesedauer: 3 Min.
Vom Dach der Kommentatorenbox schüttelte Rafael Nadal nach seinem Triumph 2008 dem damaligen Kronprinzen Felipe die Hand.Vergrößern des BildesVom Dach der Kommentatorenbox schüttelte Rafael Nadal nach seinem Triumph 2008 dem damaligen Kronprinzen Felipe die Hand. (Quelle: Reuters-bilder)
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Aus England berichtet Marc L. Merten

An der Church Road in "SW19", im All England Lawn Tennis and Croquet Club, herrschen besondere Spielregeln. Blütenweiße Kleidung, ein exakt auf acht Millimeter getrimmter Rasen, der Knicks beziehungsweise die Verbeugung vor der königlichen Loge – in Wimbledon ticken die Uhren anders. Wenn die besten Tennisspieler nach London reisen, erwartet sie ein außergewöhnliches Spektakel, sportlich wie in Sachen Etikette. Nur in besonderen Momenten wagen es die Besten unter ihnen, aus dieser Welt auszubrechen.

So wie 1987: Nachdem Pat Cash im Finale Ivan Lendl bezwungen hatte, geschah etwas Außergewöhnliches, etwas, das Wimbledon verändern sollte. Der Australier stürmte los. Er kletterte in die Zuschauermenge und die ersten Reihen empor. Dann hielt er inne, sah sich um. Jemand bot ihm Hilfe an, und einen Moment später stand der Mann mit der stylischen Vokuhila-Frisur auf einem äußerst instabil wirkenden Vordach, unter dem die Journalisten saßen und ihrem Job nachgingen.

Cash: "Ich war rebellisch"

Für Cash war dieses Vordach die Schwelle zum Glück. Endlich konnte er seinen Trainer umarmen, seine Familie, seine Freunde, die dort in einer Box standen und jubelten. "Das war mein Weg, ihnen zu danken", sagt er heute. "Ich war rebellisch und mochte es nicht, mich an Regeln zu halten. Als ich gewonnen hatte, sah ich mein Team da oben jubeln und schreien und ich dachte: Das ist einfach nicht richtig."

So begann sein Gipfelsturm auf die Kommentatorenbox. "Ich war besorgt, dass das Dach nicht halten würde. Aber es hielt. Ich umarmte jeden in meiner Box. In der nächsten Box saßen die Royals mit Prinzessin Diana. Aber als ich mich rumdrehte, sah ich, dass der rote Teppich schon ausgerollt war und alle auf mich warteten. Also bin ich wieder runter auf den Platz. Alle haben gejubelt."

Auch Steffi Graf feiert auf dem Dach

Seither jubelten sie alle dort oben, Damen wie Herren. Wer auch immer die "Venus Rosewater Dish" oder den "Challenge Cup" gewann, suchte sich irgendwie einen Weg nach oben, oft mit tatkräftiger Unterstützung von Ordnern oder Fans. Ob Steffi Graf oder Serena Williams, ob Pete Sampras oder Roger Federer.

Als Rafael Nadal 2008 dort oben stand, schüttelte er sogar dem spanischen Kronprinzen in der Nachbarbox die Hand. Wimbledon machte es möglich. Und längst rümpfte niemand mehr die Nase ob dieses unkontrollierten Ausbruchs von Gefühlen im elitären All England Lawn Tennis and Croquet Club.

Murrays Mutter hat Angst um Stabilität

Bis Andy Murray als erster Brite nach 77 Jahren in Wimbledon triumphierte. Ausgerechnet seine Mutter äußerte in einem Fernsehinterview am nächsten Tag ihre Bedenken, ob das Dach die Belastung noch aushalten würde.

Ihre Sorge mag nicht der Auslöser gewesen sein, doch die Veranstalter entschieden sich zu einem radikalen Einschnitt: Die Spieler würden ab dem Jahr 2014 nicht mehr auf der Reporterkabine jubeln. Aus Gründen der Sicherheit. Stattdessen ließ man ein Türchen installieren, das den Spielern den ungehinderten Zugang zu ihren Familien über die Treppe ermöglichen soll: das "Champion’s Gate".

"Sie ruinieren eine Tradition"

Schnell machte das Wort vom "Jubel-Verbot" die Runde. Eine Turniersprecherin widersprach umgehend. Den Spielern sei keinesfalls verboten, auf die Sprecherkabine zu klettern. "Aber es ist eben ein kleines, altes Dach. Wir wollen es nur einfacher für sie machen. Und sicherer."

Im Internet echauffieren sich seitdem Tennis-Fans aus aller Welt. Von der "WimbledonGate-Affäre" ist die Rede. "Sie ruinieren eine Tradition", heißt es, man nehme den Spielern "die Freude dieses besonderen Momentes". Der Tenor ist eindeutig: immer diese Sicherheitsfanatiker mit ihrer Sorge um die Gesundheit der Spieler.

Sicherheitsaspekt interessiert Cash nicht

Auch der Begründer der Tradition, Pat Cash, ist enttäuscht. Der Sicherheitsaspekt interessiert ihn nicht. Für ihn zählt die Herausforderung, überhaupt auf dieses verdammte Dach zu klettern: "Wenn die Spieler fit genug sind, Wimbledon zu gewinnen, sollten sie auch noch diese letzte Hürde nehmen dürfen. Durch das Tor ist es doch jetzt viel zu einfach geworden."

Man darf gespannt sein, welchen Weg Siegerin und Sieger 2014 wählen werden. Vielleicht sieht Wimbledon ja schon bald einen neuen Rebellen, den Pat Cash des 21. Jahrhunderts, der das Champion’s Gate ignoriert. Immerhin geht es in Wimbledon doch vor allem um eines: Tradition.

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