Zverev allein Down Under: "Es kommt extrem wenig nach"
Zwölf deutsche Starter, elf sind raus: Nach dem Aus von Philipp Kohlschreiber ist Alexander Zverev die einzige deutsche Hoffnung bei den Australian Open. Experten erklÀren, woran die Krise im deutschen Tennis liegt.
Seinen völlig gebrauchten Tag hatte Philipp Kohlschreiber in aller Schonungslosigkeit schnell aufgearbeitet. "Es war heute einfach kompletter Mist", sagte der Routinier nach seinem chancenlosen Auftritt in der zweiten Runde der Australian Open, bei dem er sogar das GefĂŒhl hatte, mit "zwei linken Schuhen" auf dem Court zu stehen. Und genauso schonungslos legte der 38-JĂ€hrige angesichts des schwachen deutschen Abschneidens in Melbourne dann auch den Finger in die Wunde.
Zwölf deutsche Tennisprofis waren gestartet â aber in der dritten Runde der Einzel-Konkurrenzen steht nur Olympiasieger Alexander Zverev . "Sascha ist natĂŒrlich immer der Lichtblick, der alles rausreiĂt", sagte Kohlschreiber nach seinem 1:6, 0:6, 3:6 gegen den Spanier Roberto Bautista Agut. Doch hinter Zverev, der am Freitag (nicht vor 6 Uhr MEZ/Eurosport) gegen Qualifikant Radu Albot (Moldau) ums Achtelfinale kĂ€mpft, sieht es arg mau aus.
"Wenn man es realistisch betrachtet, ist es in der Masse fĂŒr die Anzahl der Menschen, die in Deutschland Tennis spielen, schlecht", monierte Kohlschreiber: "Es kommt extrem wenig nach. Man mĂŒsste einfach auch mal kritisch hinterfragen, warum das so ist." Schon im Vorjahr war Zverev der einzige Deutsche in der dritten Runde von Melbourne.
Schlechtestes Abschneiden in Australien seit 1977
"Es ist ein bisschen zu wenig, ob im Herren- oder im Damentennis", sagte Kohlschreiber. Das Frauen-Trio um Angelique Kerber hatte sich bei den Australian Open schon geschlossen in Runde eins verabschiedet. Es war das schlechteste Abschneiden seit 1977, als Down Under gar keine deutsche Spielerin am Start war.
"Das ist aus deutscher Sicht natĂŒrlich traurig und enttĂ€uschend, klar", sagte Barbara Rittner, Cheftrainerin fĂŒr den Bereich Damen und weiblicher Nachwuchs im Deutschen Tennis Bund (DTB), bei Eurosport. Bei den MĂ€nnern erreichten immerhin fĂŒnf von neun Startern die zweite Runde.
Ob Kohlschreiber auch im kommenden Jahr seinen Beitrag leisten wird, ist fraglich. "Ich bin 38", sagte der Augsburger: "Ich sehe mich gar nicht mehr so, dass ich da in den nĂ€chsten Jahren noch stehen mĂŒsste." Gegen den an Position 15 gesetzten Bautista Agut war er nur hinterhergelaufen und kassierte in lediglich 1:28 Stunden eine Klatsche. "Es hĂ€tte nicht schlimmer laufen können", sagte Kohlschreiber.
Zverev kaschiert die magere deutsche Bilanz
Auch die drei deutschen Starterinnen Kerber, Andrea Petkovic und Tatjana Maria sind schon 34 Jahre alt. "Wir haben einige tolle Talente im U20-Bereich", merkte Rittner an. Doch in naher Zukunft klafft eine LĂŒcke. Umso wichtiger ist, dass Zverev die magere deutsche Bilanz immer wieder kaschiert. "Er gibt denen dahinter Raum und Zeit, sich zu entwickeln", sagte Rittner.
Nach dem erzwungenen Abschied des Weltranglistenersten Novak Djokovic ist der Hamburger heiĂer TitelanwĂ€rter. Dennoch warnte Zverev vor seinem Drittrundengegner Albot. "Er ist jemand, der in Topform ist", sagte der Weltranglistendritte. Beim bislang einzigen Aufeinandertreffen bei den US Open 2019 forderte Albot den deutschen Topspieler ĂŒber fĂŒnf SĂ€tze.
"Ich habe in der Zeit gegen viele Gegner fĂŒnf SĂ€tze gespielt", sagte Zverev lachend: "Es war eines meiner Lieblingsthemen, auf vielleicht unnötige Art und Weise fĂŒnf SĂ€tze zu spielen. Deswegen hoffe ich, dass ich das Match gut zu Ende spielen kann." Und ganz Tennis-Deutschland hofft mit ihm.