Du willst es doch auch Mariella Ahrens' Aufblas-Flamingo

Passionierte Pool-Posierer müssen sich bitte ein anderes Lieblingsmotiv für ihre quietschvergnügten Sommerselfies suchen: Mit diesem Foto von Schauspielerin Mariella Ahrens auf einem Bade-Flamingo ist dieser Trend offiziell vorbei. Keine Diskussion!
Manchmal ist es wirklich schwierig, ganz exakt den Zeitpunkt zu bestimmen, an dem ein Trend vorbei ist: Kann man noch kohlgrün tragen? Darf man mit der ananasbestickten Bomberjacke wenigstens noch den Müll rausbringen? Ist es höchste Zeit, die hipstermäßig in pfauenpetrol gestrichene Zimmerwand endlich auch im dezentbeigen Farbton "Elefantenatem" zu streichen? Als ewige Faustregel bei der Überprüfung des Trend-Haltbarkeitsdatums eines bestimmten Dings: Wenn sich Mariella Ahrens bei einer Benefiz-Veranstaltung draufsetzt, ist es vermutlich over. Zumal es sich hierbei auch noch um eine traurige Trockenveranstaltung handelte.
Also bitte rasch mal alle überdimensionalen, aufblasbaren Flamingos und sonstigen kleinwagengroßen Schwimmvögel von den Instagram-Accounts räumen, liebe Influencer, wenn ihr euch nicht komplett unmöglich machen und weiterhin eure gratis Fitpülverchen-Zuwendungen von windigen Superfoodmörsern bekommen wollt: Es ist vorbei! Und immerhin ja auch schon drei Jahre her, dass Taylor Swift ein Foto von sich samt Liebchen bei Instagram postete auf dem die beiden auf einem gigantischen aufblasbaren Schwan durch einen Pool dümpelten. Sie gehöre jetzt zum "swan squad", hatte sie in diesem Sommer 2015 vermeldet und damit das offizielle Geschmacks-Go dafür gegeben, dass außer Kindern mit Schwimmflügeln und Wassertrete-Senioren mit Poolnudeln nun auch ganz normale erwachsene Menschen mit aufblasbaren Treibhilfen ins Wasser dürfen. (Taylor Swift hat dieses Foto übrigens längst wieder gelöscht, sie hat den imagemäßigen Absturz des Blaseschwans wohl bereits geahnt, denn sie ist sehr schlau.)
Nach ihrem Post setzte erst in den USA, dann in der Restwelt der altbekannte Swift-Effekt ein: Die Googlesuchen nach Schwimmtieren verdoppelten sich, Berühmtheitskollegin wie Supermodel Alessandra Ambrosio ließ sich kurz darauf mit einem aufblasbaren Pegasus zu Wasser, Justin Bieber paddelte auf einem riesigen Luftdonut. Und die beliebteste Wirtschaftgeschichte des Sommers war die Erfolgsgeschichte der Firma Swimline, die endlich im großen Stil ihren überdimensionalen Aufblaskram für Preise bis zu 399 Dollar verschachern konnte, den fünf Jahre lang kein Mensch kaufen wollte.
Ganz vage erinnerten sich all die Schwan- und Flamingokäufer vielleicht an Bilder aus den Siebziger- und Achtzigerjahren, auf denen das Jetset-Personal der damaligen Zeit auf erstaunlich mondän aussehenden Luftmatratzen ihre Urlaubspools in Acapulco oder an der Côte d'Azur durchquerten. Wer seine Ferien auf und mit einem Aufblastier verbringt, sagt damit symbolisch: Seht her, keine Sorge auf der Welt kann mein makelloses, durch und durch herrliches Leben trüben. Noch ein eisgekühltes Glas Rosé, bitte!
Alles nur heiße Luft, klar. Aber eben auch endlich mal wieder ein Promi-Trend, den man mit wenig Aufwand zuhause nachspielen konnte, zumal die Aufblastiere schon im nächsten Sommer deutlich günstiger zu haben waren. Sie sind ein schönes Beispiel, wenn schwerst frustrierte Kulturwissenschaftsprofessoren ihren desinteressierten Stumpfstudenten Hans Naumanns Theorie vom "gesunkenen Kulturgut" erklären wollen: Der Volkskundler hatte die Beobachtung gemacht, dass Kultur- und Konsumgüter oft in den Oberschichten erfunden werden und dann, zeitlich etwas verzögert, von den nicht sehr erfindungsfreudigen Unterschichten übernommen werden. Für solche Sickervorgänge sind Gummischwäne natürlich ideal: Man kann sich vielleicht nicht den hundertwöchigen Urlaub im Luxus-Ressort leisten, den Superstar Taylor Swift da gerade genießt, aber man kann seinen Hintern auf ein extrem ähnliches Auftriebgefährt setzen wie sie. Das reicht ja manchmal schon, um sich dieser unerreichbaren Klasse ein bisschen näher zu fühlen.
Schön war die Schwäne- und Flamingoreiterei, aber Mariella Ahrens hat sie nun leider geschlachtet. Für diesen Sommer kann man aber noch gut auf aufblasbare Riesenhummer, gigantöse Pizzastücke oder Melonenscheiben ausweichen und ansonsten am besten den Instagram-Account von Floatchella im Auge behalten, einem Aufblasbarer-Schwimmkram-Festival, das im Juli in New Jersey stattfindet. Und vielleicht klärt sich in den nächsten Wochen, bevor der Sommer in all seiner Brutalität komplett ausbricht, ja noch die wichtigste Frage des Lufttier-Wesens: Wann bringt jemand endlich mal ein vernünftiges Pool-Alpaka auf den Markt?