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Günther Jauch verlässt ARD: Braucht die ARD einen Nachfolger?


Nach Abschied vom Polit-Talk
Braucht die ARD einen Jauch-Nachfolger?

t-online, Marc L. Merten

Aktualisiert am 09.06.2015Lesedauer: 4 Min.
Braucht die ARD einen Nachfolger für Günther Jauch und dessen Polit-Talk am Sonntagabend?Vergrößern des BildesBraucht die ARD einen Nachfolger für Günther Jauch und dessen Polit-Talk am Sonntagabend? (Quelle: Imago Zeitz)
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Günther Jauch

Es hat schon viele Rücktritte in der Fernseh-Geschichte gegeben. Aber nur selten warf das Ende einer Ära die Frage auf: Wer nur könnte ihn ersetzen? Ihn, die prägende Gestalt der Sendung? Ihn, das Gesicht eines ganzen Formates? In der jüngeren TV-Historie mag diese Frage etwa beim ersten Abschied von Harald Schmidt bei Sat.1 aufgekommen sein. Ganz sicher bei Thomas Gottschalk und "Wetten, dass..?". Ohne Zweifel ebenso bei Ulrich Wickert und den "Tagesthemen". Und auch bei Sabine Christiansen, die - na klar - eben jenen Sendeplatz 2007 abgab, den Jauch vier Jahre später von Anne Will übernahm. Nun hört also auch Jauch selbst wieder auf. Doch gehört er überhaupt in diese Reihe? Oder steht er nur deshalb aktuell exemplarisch für Form und Inhalt politischer Talkshows in Deutschland, weil er schon vorher ein TV-Star war?

Ein TV-Star im Kreise der Polit-Stars

Der Vergleich mit Gottschalk demonstriert, welches Problem Jauch seit seiner Übernahme des prestigeträchtigen Sendeplatzes sonntags abends hatte. Früher, noch beim Bayrischen Rundfunk, moderierte erst Gottschalk am frühen Nachmittag eine Show, die sich eher mit Stars und Sternchen beschäftigte. Jauchs Sendung lag im Anschluss daran und lud eher politische Gäste ein. Jauchs Problem: Wenn er jetzt einen trockenen Polit-Talk hingelegt hätte, hätten die Leute abgeschaltet. Er musste Politik unterhaltend machen.

Genau deswegen hatte ihn die ARD geholt. Weil er selbst ein Star war und ist. Weil er der "Anchorman" hatte sein sollen, der auf Augenhöhe mit den Ministern und Superstars aus Politik und Wirtschaft diskutiert. Der aber gleichzeitig so unglaublich normal daher kommt, als sei er noch immer ein Mann des Volkes. Jauch sollte Journalist, Moderator, Star, Psychologe, Besserwisser und Vertreter des Volkes sein, sollte die politische Welt und den Boulevard vereinen. Er sollte dem Populismus das Handwerk legen. Leider war er mit dieser Last des Alleskönners allzu oft erschütternd überfordert.

Eine Talkshow als Abbildung der Regierungspolitik

Alleine in den letzten Monaten ließ er Pegida-Frontfrau Kathrin Oertel nahezu unkommentiert ihren Nonsens verbreiten, scheiterte kolossal an Islam-Prediger Abdul Adhim Kamouss und ließ Griechenlands Finanzminister Giannis Varoufakis nur allzu leicht gewähren. Die Talkshow schien immer mehr dem generellen deutschen Politik-Empfinden nachzukommen, dem Merkel’schen Ducken-Ductus. Ruhige Hand und Schweigen statt harter Worte und Konfrontation. Aussitzen und Abwarten statt Dazwischenhauen und Aufklären. Eine Politshow als Abbild der Regierungspolitik.

Ob dieser Weg nun ein Ende haben wird? Die nahe liegende Lösung für die Jauch-Nachfolge wäre, Jauchs Vorgängerin zurückzuholen: Anne Will. Sie hätte es sich verdient, da sie aktuell wohl die beste - weil härteste - Polittalkerin im deutschen TV ist. Aber Achtung: Auch sie war nicht immer so wie aktuell, war weicher, zurückhaltender, Jauch-ähnlich, als sie auf dem Sonntagabend-Stuhl saß. Zu der Talkerin, die sie heute ist, wurde sie erst am späten Mittwochabend, mit weniger Druck, weniger Vorbelastung der Sendeplatz-Tradition. Aber klar ist: Will hätte eine zweite Chance verdient, wäre aktuell wohl die beste Wahl.

Ein (wohl viel zu) idealistischer Vorschlag

Es sei denn, das Erste würde etwas wagen. Ein neues Format. Ein Format, in dem der Moderator den Gästen keine flache Diskussion um den heißen Brei gestattet, sondern als Anwalt auftritt und die Gäste in den Zeugenstand ruft. Fragen müssten beantwortet, ausweichende Antworten unterbrochen und falsche Antworten widerlegt werden. Weniger ein Talk-Format als ein Durchbrechen eingefahrener Traditionen, wonach es offenbar nicht mehr erlaubt ist, Politikern harte Fragen zu stellen.

Vielleicht kämen dann gewisse Granden aus Berlin nicht mehr zur ARD in die Show. Es wäre ganz sicher nicht schade um sie. Im Gegenteil: Es würde die Blender entlarven, die Dampfplauderer aussieben und die übrig lassen, die wirklich etwas zu sagen haben. Und das vielleicht für die ARD überraschende: Es wäre sogar unterhaltend. Freilich bedürfte es dafür einer außergewöhnlichen Vorbereitung des Moderators durch die Redaktion. Es bedürfte einer Redaktion, die live in der Sendung den Faktencheck einiger Aussagen vollzieht und den Moderator noch vor laufender Kamera darauf hinweist, wenn ein Gast mal wieder Schwachsinn verzählt. Und es bedürfte den Mut, einen idealistischen Weg zu gehen. Denn mit der heutigen Realität im deutschen Fernsehen hätte diese Sendung nicht viel zu tun.

Für das Demaskieren von Scheinwelten

Die ARD könnte als gutes Beispiel vorangehen. Könnte zeigen, dass nichts in einer Demokratie so wichtig ist wie ein gut informiertes Wahlvolk. Dass insbesondere Aussagen von PR-gesteuerten, Phrasen dreschenden Polit-Profis bei allzu leichtgläubigen Menschen schwerwiegende Folgen haben - wenn diese Aussagen nicht von Journalisten seziert werden. Weshalb es beispielsweise schwer erträglich ist, dass nun Stimmen zu hören waren, wonach "Tagesthemen"-Specherin Caren Miosga nicht geeignet sei. Weil ihre journalistischen Qualitäten bei einem Talk verschenkt wären. Journalistische Qualitäten verschenkt? Wohl nur dann, wenn der Talk ein hohles Bla bla bleiben würde.

Dann wäre es wohl besser, einen völlig anderen Weg zu gehen. Am 31. Mai beispielsweise saß bei der Jauch-Diskussion um die FIFA Florian Bauer in der Runde. Von der Art seiner Dokumentation über die Korruption im Weltfußball wünscht man sich mehr. Nicht nur über Fußball. Über den Machtapparat Russlands beispielsweise, über die Gefahren des IS an der türkischen Grenze, über das wahre Griechenland hinter dem Schuldenchaos, über den schleichenden Tod, den Afrika als Ausbeutungskontinent der reichen Länder erlebt, über Indien, wo die Rolle der Frauen so widersprüchlich interpretiert und gelebt wird. Die viel zitierten "Jauch-Millionen" könnten solchen Dokumentationen ganz neue Türen öffnen. Türen zu mehr Reportagen aus der Welt. Zu mehr Blicken hinter die Kulissen. Für das Demaskieren von Scheinwelten. Für das, was Jauch selbst allzu oft versuchte und daran scheiterte.

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