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Abgas-Skandal bei Daimler: Erstaunliche Arroganz


Abgasskandal bei Daimler
Erstaunliche Arroganz, erstaunliche Ignoranz

  • Gerhad Spörl
MeinungEin Kommentar von Gerhard Spörl

12.06.2018Lesedauer: 3 Min.
Meinung
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Die Mächtigen der Automobilindustrie: Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender von Daimler (Zweiter v.r.), auf einer Pressekonferenz.Vergrößern des Bildes
Die Mächtigen der Automobilindustrie: Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender von Daimler (Zweiter v.r.), auf einer Pressekonferenz. (Quelle: photothek/imago-images-bilder)

Rückruf bei Daimler: 774.000 Stück exakt, davon 238.000 in Deutschland, damit nachgerüstet wird. Also ist VW nicht mehr allein mit seinem Skandal. Ist irgendjemand überrascht? Wie auch?

Die Karosserie: aus Aluminium, in Handarbeit. Das Design: von Erwin Komenda, der schon für den VW Käfer zuständig gewesen war. Getriebe und Bremsen, Vorder- und Hinterachsenfederung: von VW übernommen. So sahen sie aus, die ersten 50 Porsche 356, gebaut in Gmünd in Kärnten. Der erste Testbericht erschien am 7. Juli 1948, ziemlich genau vor 70 Jahren. Herzlichen Glückwunsch, Porsche!

Der Jahrestag ist wenigstens mal eine nette Bemerkung über die Automobilbranche wert, die eine lange Tradition in Deutschland besitzt und einen guten Ruf in der Welt besaß – bis im Jahr 2015 der Betrug mit der Software aufflog, die beim Trockentest für die gewünschten Abgaswerte sorgte, aber eben nur dort. Nicht im Straßenverkehr, nicht in den Städten, nicht in Amerika, wo die Gerichtsbarkeit unerbittlich ist, nicht in Deutschland, wo die Mühlen erheblich langsamer mahlen, aber verspätet eben doch.

Gestern war Dieter Zetsche wieder im Verkehrsministerium. Diesmal trug er keine Turnschuhe in aller Lässigkeit. Fast hätte sogar der imposante Schnurrbart in Demut mit gezittert, weil Daimler ein paar Autos zurück ins Werk rufen muss: 774.000 Stück exakt, davon 238.000 in Deutschland, damit am Vier-Zylinder-Motor die Software nachgerüstet wird. Also ist VW nicht mehr allein mit seinem Skandal in weiter Runde. Ist irgendjemand überrascht? Wie auch?

Eine "schallende Ohrfeige für Daimler"

Andreas Scheuer ist Bundesverkehrsminister und geht mit den Vorstandsvorsitzenden, die natürlich nie Verkehrsminister sein wollten, weil die nur einen Bruchteil verdienen, in einer Art um, die man unbedingt für angemessen erachten muss. Schade nur, dass er Zetsches Konzern das angedrohte Ordnungsgeld von 5.000 Euro pro Rückruf erspart. Selbst die "Frankfurter Allgemeine" bedauert diesen Mangel an Konsequenz und nennt den Vorgang eine "schallende Ohrfeige für Daimler".

Das zweite Ereignis spielt im Süden und dort geht die Staatsanwaltschaft München II gegen Audi vor, genauer gesagt deren Vorstandsvorsitzenden Rupert Stadler. Vor allem bei Audi ist wohl die berühmte Software, die sich zu einem der größten Industrieskandale der deutschen Nachkriegsgeschichte ausgewachsen hat, entwickelt worden.

An Schuldbewusstsein hat es offenbar gemangelt

Stadler gilt als Beschuldigter. In seinem Fall geht es nicht darum, was vor 2015 war, sondern danach. Als in Amerika Volkswagen mit seinen Abgasbetrügereien aufgeflogen war, hätte Audi (und damit Stadler) die Auslieferung neuer Wagen mit der alten Software stoppen müssen, so lautet der Vorwurf. Wäre besser gewesen, wäre konsequent gewesen, aber an Schuldbewusstsein hat es offenbar gemangelt und so zog es sich länger hin, als heute gut ist. Stadler wird nun Betrug an Autoverkäufern vorgeworfen, das ist die rechtliche Konstruktion.

Auch Porsche bezieht seine Dieselmotoren aus Ingolstadt. Wie es aussieht hat das Management damals bei Audi verschärft angefragt, ob auch seine Motoren manipuliert seien. Angeblich ließ die Antwort lange auf sich warten, ärgerlich lange. Klingt für Porsche heute gut und war vermutlich sogar damals so.

Der Glaube an Unverwundbarkeit

Stadler ist noch immer was er ist, weil er das Vertrauen der Familien Porsche und Piëch besitzt, das sind die Hauptaktionäre bei VW. Daran dürfte sich bald etwas ändern. Wenn nicht, müssten wir uns fragen: Warum nicht?

Die Vorstandsvorsitzenden der deutschen Automobilkonzerne können sich jetzt nicht mehr so sicher fühlen wie bisher, und das ist nur gut so. Ihre Arroganz, ihre Ignoranz war ja einfach erstaunlich. Es muss der Glaube an ihre Unverwundbarkeit gewesen sein. Ein Irrtum, versteht sich, dem schon ganz andere aufgesessen sind.

Erinnert sich noch jemand an den VW-Chef Matthias Müller, der sein Zehn-Milllionen-Euro-Gehalt ernsthaft mit dem Risiko verteidigte, das er nun einmal als Konzernchef trage? Der Hinweis könnte unvorsichtig gewesen sein. So kann es sein, dass Martin Winterkorn, sein Vorgänger bei VW, mit seinem Privatvermögen (Ruhestandsgehalt: 30 Millionen Euro) haften muss wenn ihm Mitwisserschaft am Betrug nachgewiesen werden kann.

In solchen Skandalen geht es immer darum, wem die Richter und Staatsanwälte was nachweisen können. Mag ja sein, dass Ingenieure die Software entwickelten und anwandten. Kann aber kaum sein, dass ihre Chefs nichts davon wussten, nichts davon ahnten und kalt überrascht wurden, als der Betrug aufflog.

Selbstherrlichkeit nehmen wir ihnen ab. Mangel an Durchsetzungsvermögen und Unwissen aber nicht.

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