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Belastende Inhalte: Erste Einblicke in Facebooks Löschteam


Alltag in Facebooks Löschteam
"Nach dem ersten Enthauptungsvideo habe ich geheult"

dpa, Andrej Sokolow

Aktualisiert am 11.07.2017Lesedauer: 3 Min.
"Ich weiß noch, das erste Enthauptungsvideo - da hab' ich dann ausgemacht, bin raus und hab erstmal ein wenig geheult", sagt eine Mitarbeiterin (Symbolbild).Vergrößern des Bildes"Ich weiß noch, das erste Enthauptungsvideo - da hab' ich dann ausgemacht, bin raus und hab erstmal ein wenig geheult", sagt eine Mitarbeiterin (Symbolbild). (Quelle: Silas Stein, Montage: t-online.de/dpa-bilder)
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Erstmals öffnet Facebook sein Berliner Löschzentrum für Journalisten - nach mehreren Medienberichten, in denen die Arbeitsbedingungen kritisiert wurden. Das Büro sieht aus wie viele andere auch. Doch brutale Bilder gehören für die Mitarbeiter hier zum Alltag.

Die Arbeit in einem Facebook-Löschzentrum ist nichts für sensible Gemüter. "Ich weiß noch, das erste Enthauptungsvideo - da hab' ich dann ausgemacht, bin raus und hab erstmal ein wenig geheult", erinnert sich eine Mitarbeiterin. Das sei aber ihr einziger emotionaler Ausbruch gewesen - weil man beim ersten Mal unvorbereitet sei. "Jetzt hat man sich so daran gewöhnt, es ist nicht mehr so schlimm", sagt die 28-Jährige.

Es ist das erste Mal, dass Journalisten mit drei von Facebook ausgesuchten Mitarbeitern des Löschzentrums in Berlin sprechen können. Namen dürfen nicht genannt werden, um sie zu schützen. Insgesamt arbeiten hier 650 Menschen im Mehrschicht-Betrieb. Zu ihren Aufgaben gehört es, Einträge zu sichten und zu löschen, die strafbar sind oder gegen Facebook-Regeln verstoßen. Sie alarmieren Facebook, wenn aus einem Beitrag hervorgeht, dass jemand sich selbst oder anderen Schaden zufügen will. Durch das anschließende Eingreifen der Polizei seien schon Suizide verhindert worden, heißt es. Zu den weniger belastenden Aufträgen gehört die Überprüfung der Echtheit von Facebook-Profilen.

Kritische Berichte mit Ex-Mitarbeitern

In den vergangenen Monaten hatte es kritische Medienberichte über das von der Bertelsmann-Dienstleistungstochter "Arvato" betriebene Zentrum gegeben. Darin beklagten sich namentlich nicht genannte Ex-Mitarbeiter unter anderem darüber, dass sie mit den seelischen Strapazen des Jobs vom Arbeitgeber allein gelassen würden. "Ich als Teamleiter weiß ja nicht, ob jemand Betreuung braucht oder nicht", sagt jetzt einer der Mitarbeiter. Man sei angewiesen darauf, dass die Leute sich selbst melden. "Gedanken lesen kann ja keiner", stimmt ihm eine Kollegin zu. "Und die Betreuung stand ja schon damals zur Verfügung."

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An jedem Arbeitsplatz in dem Gebäude sind jetzt Aufkleber mit Kontaktdaten von Experten für psychologische Betreuung angebracht. Das sei nicht immer so gewesen, sagt Arvato-Manager Karsten König. Vielleicht hätte man von Anfang an die Angebote stärker in den Vordergrund rücken müssen, sagt er.

"Wir retten Leben"

Die Mitarbeiter, die jetzt mit Journalisten sprechen, zeigen sich verletzt von den Berichten. "Ich war richtig sauer", sagt eine von ihnen. Weil damit ein Schatten auf die Arbeit der Teams geworfen werde. "Wir retten Leben, wir versuchen, Leuten zu helfen." Eine andere pflichtet ihr bei: "Wir kommen uns gut dabei vor, was wir machen. Wenn ich jemandem ersparen kann durch meine Arbeit, dass er das sehen muss, dann finde ich das sehr gut."

Alle drei Mitarbeiter, mit denen die Journalisten sprechen dürfen, sind seit mehr als einem Jahr dabei und stießen auf der Jobsuche auf die Lösch-Tätigkeit: eine Grafik-Designerin, eine Social-Media-Managerin, ein Landschaftsgärtner. Wie lange man das machen könne? "Jahrelang auf jeden Fall nicht, man möchte sich ja auch weiterentwickeln", heißt es.

Man verliert den Glauben an die Menschheit

Der Job verändere einen, räumen die Mitarbeiter ein. "Es sensibilisiert auf jeden Fall", sagt eine von ihnen. Man sehe in der S-Bahn eine Frau mit Narben an der Hand, die einem vielleicht nicht aufgefallen wäre, wenn man sich nicht mit Selbstverletzungen beschäftigt hätte. "Leute tun sich grausame Sachen an", sagt ihre Kollegin. "Ich persönlich hatte schon vorher nicht so viel Glauben in die Menschheit und jetzt so gut wie gar keinen mehr."

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