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Netzneutrali-was? | Wenn das Internet auf einmal ruckelt


Netzneutrali-was?
Wenn das Internet auf einmal ruckelt

Von Laura Stresing

14.12.2017Lesedauer: 5 Min.
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Grünes und rotes Internetkabel bei SchneefallVergrößern des Bildes
Wenn die Netzneutralität fällt, kommt das Zwei-Klassen-Internet? (Quelle: Christian Ohde/imago-images-bilder)

Die USA verabschieden sich von dem Grundsatz der Netzneutralität. Auch in Deutschland beschäftigt das Thema die Verbraucherschützer. Was bedeutet Netzneutralität für deutsche Internet-Anschlüsse? t-online.de erklärt.

Es passiert nicht oft, dass man Netzaktivisten und mächtige Konzerne wie Google, Facebook und Apple auf derselben Seite stehen sieht, so wie im Kampf um die Netzneutralität. Ihr gemeinsamer Gegner zuletzt: Die US-amerikanische Telekommunikationsaufsicht FCC, die den Grundsatz der Netzneutralität an diesem Donnerstag für US-Internet-Provider abgeschafft hat. Damit haben die Netzbetreiber künftig freie Hand, Inhalte und Online-Dienste zu drosseln oder ganz zu sperren.

Auch in Deutschland und Europa hätten Internetanbieter gerne mehr Freiheiten, um den Datenverkehr nach Bedarf zu regulieren und sich neue Einnahmequellen zu erschließen. Den Verbrauchern drohen dadurch Nachteile, warnt die Gegenseite.

Was bewirkt Netzneutralität und was passiert, wenn sie nicht mehr gilt? Hier sind die wichtigsten Positionen in dem Streit:

Die Netz-Idealisten: für ein freies und offenes Internet

Netzneutralität bedeutet: Alle Internetdaten werden gleich schnell durch das Netz geschleust. Als noch nicht jeder Haushalt einen Internetanschluss und eine Flatrate hatte, war das einfach. Der Datenverkehr war überschaubar und Netzneutralität so etwas wie ein ungeschriebenes Gesetz.

So konnte auch das Internet entstehen, wie wir es heute kennen – mit Zugang zu allen Diensten und Webseiten der Welt. Der Nutzer kann frei entscheiden, wo er seine Nachrichten liest und Videos schaut, welche Apps er nutzt oder in welchem Online-Shop er einkauft.

Ohne das Gebot der Netzneutralität wäre damit Schluss, fürchten die Netzaktivisten. Denn wer im Netz Vorfahrt hat und welche Webseiten die Internetnutzer zu sehen bekommen, regelt ihr Provider.

Diese Macht könnten Netzbetreiber ausnutzen, um Konkurrenten und Kritiker auszuschalten, indem sie deren Webseiten blockieren. Oder sie könnten den Datenverkehr zwischen bestimmten Sendern und Empfängern verlangsamen und dafür anderen Inhalten Vorrang geben – gegen Bezahlung versteht sich. Dann müssten entweder die Nutzer einen Premium-Service buchen oder aber die Unternehmen müssten eine Art Wegzoll dafür entrichten, dass ihre Inhalte garantiert schnell und zuverlässig bei den Nutzern ankommen.

Solche Deals mit Premium-Kunden könnten sich zu einem so lukrativen Geschäft entwickeln, dass die Netzbetreiber den Breitbandausbau verschleppen, so die Befürchtung. Schließlich fehle der Anreiz, in die Infrastruktur zu investieren, solange sich mit den alten Leitungen noch gutes Geld verdienen lässt. Engpässe werden einfach durch das Ausbremsen "unwichtiger" Dienste überbrückt.

Die Provider: Platz schaffen für Wichtiges

Die Provider greifen schon heute regulierend in den Internetverkehr ein. Denn immer mehr Online-Anwendungen brauchen immer größere Datenmengen. Cloud-Dienste, Spiele und Streaming – es wird eng auf der "Datenautobahn". Und irgendwie muss der Verkehr geregelt werden.

Zu Stoßzeiten, also wenn besonders viele Menschen online sind, treffen deshalb E-Mails manchmal mit ein paar Minuten Verspätung ein. Der Gedanke dahinter: Bei E-Mails kommt es nicht auf die Sekunde an, beim Filmstreaming oder Videotelefonat hingegen schon.

Eine weitere Idee: Wer datenintensive Dienste nutzt oder anbietet, soll auch mehr zahlen. So sollen Unternehmen und Intensivnutzer helfen, die notwendigen Investitionen für den Netzausbau zu schultern.

Für wichtige Daten, etwa aus der Verkehrssteuerung, Krankenhäusern oder Fabriken müssen sowieso Schnellspuren auf der Datenautobahn eingerichtet werden. Geht es nach dem Branchenverband Bitkom sollen sich auch Industriekunden „garantierte Übertragungsqualitäten“ kaufen können.

In den USA hat eine entsprechende Lockerung der Vorschriften dazu geführt, dass der Netzbetreiber Comcast 2014 das Filmportal Netflix erst drosselte und anschließend die Pistole an die Brust setzte: Erst als der Streaming-Dienst einwilligte, extra für den Datentransport zu zahlen, drückte Comcast wieder auf die Tube.

Das Beispiel zeigt: Die Provider sind mächtige Gatekeeper. Und: Die finanzstarken Internetriesen können sich Übereinkünfte mit ihnen leisten. Aber was ist mit Startups, unabhängigen Blogs oder nichtkommerziellen Projekten? Wird im Internet bald nur noch gesehen, wer genug Geld hat, um für die Verbreitung seiner Meinung zu bezahlen?

Der Bitkom-Verband glaubt nicht, dass es so weit kommt. Dafür werden Gesetze und der Wettbewerb zwischen verschiedenen Anbietern schon sorgen. Vor allem in ländlichen Gebieten haben die Verbraucher aber leider nicht immer die Wahl zwischen mehreren Providern. Wenn der Marktführer in einer solchen Position entscheidet, bestimmte Dienste, Inhalte und Webseiten auszuschließen oder zu drosseln, sind Millionen Haushalte davon betroffen. In so einem Fall können nur noch Wettbewerbsrecht und Verbraucherschutz-Gesetze verhindern, dass ein Anbieter seine Marktmacht ausnutzt.

Die Vermittler: Europäische Union nimmt Verbraucher in Schutz

Leider sind die Befürchtungen der Netzaktivisten nicht völlig aus der Luft gegriffen. In der Vergangenheit gab es immer wieder Fälle, in denen Mobilfunk- und Internetanbieter bestimmte Online-Dienste benachteiligten oder Funktionen wie zum Beispiel Internettelefonie (VoIP, z.B. Skype) und Instant Messaging (z.B. WhatsApp) ganz von mobilen Geräten verbannten – zum Nachteil der Nutzer.

Erst im vergangenen Jahr, am 30. April 2016, hat die EU deshalb erstmals europarechtliche Vorgaben zur Netzneutralität verabschiedet und solche Praktiken verboten. Laut dieser EU-Verordnung dürfen die Provider bei Bedarf Online-Inhalte nur vorübergehend und in Maßen drosseln. Das so genannte „Netzwerkmanagement“ soll dafür sorgen, dass auch zu Spitzenzeiten und bei Engpässen alle Daten ans Ziel kommen.

Den Providern ist es zum Beispiel gestattet, alle Datenpakete desselben Typs – zum Beispiel E-Mails – zurückzuhalten oder zu beschleunigen. Allerdings dürfen sie dabei nicht diskriminieren, also keinen Unterschied zwischen den einzelnen Sendern, Empfängern und Diensten machen.

Außerdem müssen die Anbieter offen legen, nach welchen Kriterien Inhalte aussortiert werden. Sich in den AGBs einfach nur das Recht vorzubehalten, „irgendwelche“ Webseiten zu drosseln genügt nicht. Überbuchungen der Netzkapazitäten sollten zudem die Ausnahme und nicht die Regel sein.

Viele Verbraucher haben den gegenteiligen Eindruck: Selten erleben sie die vom Provider versprochene maximale Download-Geschwindigkeit. Die Messungen der Bundesnetzagentur bestätigen das: Sie ergaben, dass nur 12 Prozent der Nutzer die volle Download-Geschwindigkeit erreichen. 70,8 Prozent kriegten immerhin die Hälfte. Im mobilen Netz fällt die Bilanz noch schlechter aus: Weniger als 30 Prozent der Nutzer bekommt die Hälfte der versprochenen Bandbreite.

Nicht immer, wenn das Internet ruckelt, liegt ein Verstoß gegen die Netzneutralität vor. Wer einen Anbieter verdächtigt, systematisch Regeln und Verträge zu verletzen, muss dafür erst Nachweise erbringen. Die Bundesnetzagentur bietet dazu einen Test zur Breitbandmessung und ein standardisiertes Beschwerdeverfahren an. Auch auf der Webseite respectmynet.eu können Nutzer einen Netzwerktest im Browser starten, wenn sie vermuten, dass bei ihrem Internetanschluss gegen die Netzneutralität verstoßen wird.

Der Streit um "Zero Rating"-Angebote

Seit diesem Frühjahr darf die Bundesnetzagentur bei Verstößen auch Geldbußen von bis zu 500.000 Euro verhängen. Viele Netzneutralitäts-Hardliner sind aber enttäuscht von der Behörde. Die Bundesnetzagentur hat nämlich nichts gegen so genannte „Zero Rating“-Angebote einzuwenden. Bei diesen Tarifen – StreamOn der Telekom und Vodafone Pass gehören dazu – werden die Daten bestimmter Musik- und Videoportale YouTube oder Spotify nicht auf den Gesamtverbrauch angerechnet. Die Nutzer können endlos Musik und Filme von unterwegs streamen. Mehr als 500.000 Kunden hätten StreamOn bereits hinzugebucht, verkündet die Telekom.

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Kritiker finden, das Angebot verletzt das Gebot der Netzneutralität. Schließlich werden hier bestimmte Inhalte und Dienste bevorzugt behandelt. Streaming-Anbieter, die es nicht in das Partnerprogramm schaffen oder die Vertragsbedingungen ablehnen, sind im Nachteil. Die Telekom widerspricht: Die Teilnahme sei kostenlos und stehe jedem offen.

Die Bundesnetzagentur bemängelt lediglich, dass Audio und Video-Inhalte bei StreamOn nicht gleich behandelt werden. Bei Vodafone Pass steht die Entscheidung noch aus.

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