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Rente: Studie warnt vor Kosten der Bas-Reform zum Rentenniveau


Wirtschaftsweiser warnt
Diese Gruppe treffen die Rentenpläne besonders hart


02.07.2025 - 14:23 UhrLesedauer: 4 Min.
Martin Werding: Der Wirtschaftsweise hat berechnet, was das feste Rentenniveau kostet – und wer die größte Last trägt.Vergrößern des Bildes
Martin Werding: Der Wirtschaftsweise hat berechnet, was das feste Rentenniveau kostet – und wer die größte Last trägt. (Quelle: IPON/imago-images-bilder)
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Die Bundesregierung will die gesetzliche Rente weiter bei mindestens 48 Prozent sichern. Doch kann sich Deutschland das langfristig leisten?

Was es heißt, ein festes Rentenniveau zu haben, ist in diesen Tagen auf den Konten von Millionen Rentnern zu beobachten: Dort geht derzeit wieder eine ordentlich erhöhte Rente ein. Diese fällt mit 3,74 Prozent sogar üppiger aus, als es die Formel für die Berechnung vorsieht.

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Grund dafür ist ebenjenes feste Rentenniveau, das per Gesetz mindestens 48 Prozent betragen muss. Da dieser Wert aufgrund des ungünstigen Verhältnisses von Rentnern und Beitragszahlern zuletzt nicht erreicht wurde, hätte die Rentenerhöhung in diesem Juli eigentlich geringer ausfallen müssen – tat sie aber nicht, weil das wiederum gegen das Gesetz verstoßen hätte. Anders ausgedrückt: Die 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner erhalten aktuell mehr Geld, weil es politisch so gewollt ist.

Und dieser politische Wille hält auch unter Schwarz-Rot an. Vor wenigen Tagen hat Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) einen ersten Entwurf für ein Rentenpaket vorgelegt. Er sieht unter anderem vor, das Rentenniveau bis 2031 bei mindestens 48 Prozent zu halten (mehr dazu hier). Ohne ein neues Gesetz würde die Haltelinie in diesem Jahr auslaufen. Doch kann sich Deutschland ein festes Rentenniveau langfristig überhaupt leisten? Wie wirkt sich die Haltelinie konkret auf den Bundeshaushalt aus – und was bedeutet sie für jüngere Menschen?

Der Wirtschaftsweise Martin Werding, Professor für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen an der Ruhr-Universität Bochum, hat im Auftrag des Finanzdienstleisters Fidelity International eine Studie vorgelegt, die diese Frage beantworten soll. Ihre Kernaussage: Die Stabilisierung des Rentenniveaus bei mindestens 48 Prozent ist teuer und benachteiligt insbesondere jüngere Versicherte.

Was ist das Rentenniveau?

Beim Rentenniveau handelt es sich um einen statistischen Wert, der beschreibt, wie hoch die Rente eines Durchschnittsrentners im Verhältnis zum Durchschnittseinkommen ist. Es sagt nichts über die individuelle Rentenhöhe aus. Liegt das Rentenniveau bei 48 Prozent, bedeutet das also nicht, dass jeder 48 Prozent seines letzten Gehalts als Rente bekommt, sondern: Nach 45 Beitragsjahren erhalten Rentner, die 45 Jahre zum Durchschnittsentgelt gearbeitet haben, 48 Prozent des Durchschnittsverdienstes, der dann aktuell gilt (mehr dazu hier). Diese sogenannte Standardrente entspricht heute einem Wert von 1.835,55 Euro brutto im Monat.

Festes Rentenniveau bringt Milliarden-Mehrbelastung

Heute fließen bereits rund 3,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in die Rentenversicherung, das entspricht etwa 142 Milliarden Euro pro Jahr. Bleibt die Haltelinie bei 48 Prozent bestehen, steigen die Zuschüsse laut Werdings Berechnungen selbst in der günstigsten Variante bis 2040 auf rund 198 Milliarden Euro. Bis 2060 würden sie dann knapp 270 Milliarden Euro erreichen (in heutigen Preisen gerechnet). In der teuersten Variante könnte der Bund bis 2040 sogar 233 Milliarden Euro und bis 2060 bis zu 353 Milliarden Euro zuschießen – das wären fast 7 Prozent des BIP.

Zum Vergleich: Der komplette Bundeshaushalt entsprach in den Vorkrisenjahren 2010 bis 2019 im Schnitt rund 10 Prozent des BIP. Nimmt man das als Grundlage, würde langfristig mehr als jeder zweite Zuschuss-Euro in die Rentenkasse fließen.

Werding warnt: "Die Mehrausgaben für die gesetzliche Rentenversicherung aufgrund der Haltelinie sind eine enorme Belastung für die Bundesfinanzen. Damit die Rechnung aufgeht, müsste der Staat entweder erhebliche zusätzliche Steuereinnahmen generieren oder er müsste bei anderen Haushaltsposten massiv einsparen – etwa bei der Verteidigung oder im Bereich Soziales."

Zur Person

Martin Werding ist seit September 2022 Mitglied des Sachverständigenrats Wirtschaft. Seit 2008 ist er Professor für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen an der Ruhr-Universität Bochum (RUB). Zuvor leitete Werding ab 2000 den Forschungsbereich Sozialpolitik und Arbeitsmärkte am ifo-Institut München und blieb dort bis 2019 Forschungsprofessor.

Wer zahlt am Ende für das feste Rentenniveau?

Besonders hart trifft die Haltelinie laut der Studie Versicherte unter 48 Jahren. Denn diese müssten zunächst steigende Beiträge finanzieren, um später nur wenig oder gar nicht von der Haltelinie zu profitieren. Die Berechnungen zeigen, dass diese jüngeren Versicherten heute mindestens 200 Euro mehr Rente erreichen könnten, wenn sie dieselben Beträge in kapitalgedeckte Vorsorge investieren dürften – also in eine Altersvorsorge an der Börse. Bei optimistischeren Annahmen (8 Prozent Rendite) sind es sogar mehr als 600 Euro monatlich zusätzlich.

Einige Fallbeispiele aus der Studie machen es deutlich:

FallbeispielBruttolohn 2025Gesetzliche Rente mit HaltelinieGesetzliche Rente ohne Haltelinie mit ergänzender, kapitalgedeckter Vorsorge
20-jähriger Friseur1.627 Euro1.248 Eurobis zu 1.596 Euro
30-jährige Verkäuferin2.237 Euro1.176 Eurobis zu 1.304 Euro
30-jähriger Ingenieur4.614 Euro 2.286 Eurobis zu 2.577 Euro
40-jähriger Geschäftsführer9.884 Euro3.769 Eurobis zu 3.900 Euro

"Die Jungen zahlen für die jetzt Alten und haben selbst weniger Spielraum, ihre eigene Altersvorsorge aufzubauen", fasst Werding zusammen. Das sei Umverteilung zwischen den Generationen.

Was machen andere Länder besser?

Der Blick ins Ausland zeigt, dass andere Staaten schon seit Jahren versuchen, die Belastung des Umlagesystems abzufedern. In Großbritannien etwa gibt es neben einer vergleichsweise niedrigen staatlichen Rente ein verpflichtendes "Auto-Enrolment" für die betriebliche Altersvorsorge. Das bedeutet: Wer nicht aktiv widerspricht, sorgt automatisch vor. Zusätzlich können Arbeitnehmer und Selbstständige steuerbegünstigte Vorsorgekonten nutzen, die hohe Freibeträge und flexible Anlagemöglichkeiten bieten.

Auch Schweden setzt erfolgreich auf kapitalgedeckte Modelle. Dort sind Einzahlungen in sogenannte ISK-Konten bis zu 150.000 schwedischen Kronen (etwa 13.800 Euro) steuerfrei, die Grenze wird ab 2026 auf 300.000 schwedische Kronen erhöht. Inzwischen nutzen rund 41 Prozent der Bevölkerung ab 15 Jahren diese Vorsorgeform, die insgesamt 176 Milliarden Euro Vermögen bündelt – fast ein Drittel des schwedischen BIP.

Fidelity fordert Reformen für Deutschland

Die Finanzexperten von Fidelity sehen darin ein Vorbild für die Altersvorsorge hierzulande. "Deutschland braucht mehr Mut zur Veränderung", sagt Susanna Wooders, Leiterin des Deutschlandgeschäfts bei Fidelity International. "Die Haltelinie in der gesetzlichen Rente gefährdet den Wohlstand der nächsten Generation in unserem Land."

Neben einer Reform der privaten Altersvorsorge mit mehr steuerlichen Anreizen – etwa Altersvorsorgedepots oder die geplante Frühstart-Rente – sollte auch die betriebliche Altersvorsorge verbessert werden. Das könne zum Beispiel über einen Ausbau der sogenannten Sozialpartner-Modelle gelingen, die unter der früheren Arbeitsministerin Andrea Nahles eingeführt wurden. Sie erlauben es, bei den Vorsorgeprodukten auf Garantien zu verzichten, was die Chance erhöht, auf dem Kapitalmarkt höhere Renditen zu erzielen.

"Es ist echt eine Kernerarbeit, den Leuten in der Beratung verständlich zu machen, dass der Wegfall von Garantien eine gute Sache ist. Aber es lohnt sich", sagt Christof Quiring, der bei Fidelity den Bereich betriebliche Vorsorgelösungen leitet. Wünschenswert seien zudem ein verpflichtendes System nach dem Vorbild Großbritanniens, um mehr Menschen für die betriebliche Altersvorsorge zu gewinnen, bessere Mitnahmemöglichkeiten der Verträge bei einem Arbeitgeberwechsel und mehr Flexibilität bei der Auszahlung.

Verwendete Quellen
  • Online-Pressekonferenz zur Vorstellung der Studienergebnisse mit Professor Martin Werding vom 2. Juli 2025
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